Das Willkommen eines Kindes

II.

 

„Wer den Willen meines Vaters tut, der im Himmel ist, der ist mein Bruder, Schwester und Mutter.“ (Mt 12,50)

 

Vor der Kommunion

Die lieblichste unter allen Eigenschaften Gottes ist seine Vaterschaft. Er kann es nun einmal nicht ändern, er ist unser Vater. Ist er nicht dein Vater, der dich erworben, der dich gemacht und erschaffen? (Deut 32, 6) Zu ihm, als unserem Vater, nehmen wir unsere Zuflucht. Er ist nicht bloß die Quelle des Lebens und der Kraft, ein fernstehender Herrscher, der Richter der Lebendigen und der Toten, unser Schöpfer, nein, er ist unser wirklicher, liebender, treu besorgter Vater, der uns an Kindes Statt angenommen und zu dem gemacht hat, was sein eingeborener Sohn von Natur aus war: „Söhne Gottes und mit ihm, dem Eingeborenen unter vielen Brüdern.“

Doch dieser lieblichen Name Vater erschöpft nicht unsere Ansprüche auf seine Liebe. Er befiehlt uns, an ihn zu denken, wie an einen Geliebten, einen Bruder, eine Schwester, eine Mutter — Verhältnisse, die an und für sich unvereinbar sind. „Du hast mein Herz verwundet, meine Schwester, meine Braut! (Cant 4,9 ) „Wer immer den Willen meines Vaters tut, der im Himmel ist, der ist mir Mutter, Bruder, Schwester.“

Jedes dieser Verhältnisse schließt eine eigenartige, besondere Liebe in sich, die wir in ihm vereinigt finden. Die Liebe eines Bruders, so opferwillig, so zärtlich, beschützend; die Liebe einer Mutter, so wachsam, selbstlos, nachsichtig, so voll von unbegrenztem Mitleid mit jeder Schwäche, jedem Unglück; die Liebe einer Schwester, einer Braut, mit ihren besonderen Merkmalen, mit ihrer Zärtlichkeit — alle Schönheit der menschlichen Liebe finden wir, in unbegreiflich hohem Grade, in ihm vereinigt. Was aber ist in mir, das imstande wäre, eine solche Liebe auf mich zu lenken? Oder vielmehr, wie ist es möglich, dass eine Liebe, und wäre sie ebenso feurig wie die deine, nicht erkaltet, wenn sie in Berührung mit meinem eisigen Herzen kommt? Die heilige Theresia rief eines Tages im Übermaße ihrer Liebe aus, dass, wenn sie sich auch freuen würde, jemanden im Himmel auf einer höheren Stufe der Herrlichkeit zu erblicken, als sich selbst, sie doch nicht wisse, ob sie sich darüber freuen könnte, wenn sie eine Seele sehen müsste, die Gott noch mehr liebte als sie. Für mich würde sich ein ganz entgegengesetzter Wunsch geziemen. Im Bewusstsein meiner armseligen Liebe, meines armseligen Dienstes sollte ich wünschen, dass jedes andere Geschöpfe dich mehr lieben möchte als ich. Und doch, o Herr, kann ich einen solchen Wunsch nicht hegen. Ich könnte es nicht ertragen, diejenigen, die weit weniger von deiner Hand empfangen haben als ich, dich mehr lieben würden als ich. Wenigstens möchte ich nicht zuletzt in der Reihe jener stehen, die dich lieben. Daher will ich dich, der du alles vermagst, inständig bitten, mein empfindungsloses, kaltes Herz von deinem Herzen zu entflammen und es dem Herzen der heiligen Theresia ähnlich zu machen. Jetzt, da du im Begriffe bist, zu mir zu kommen, nimm mein Herz, entflamme es durch die Berührung mit deinem eigenen, oh mein Gott, der du ein verzehrendes Feuer bist!

 

Nach der Kommunion

 „Heilig, heilig, heilig, ist der Herr, Gott der Heerscharen!“ (Is 6,3)

„Alles Land bete dich an und singe dir, lobsinge deinem Namen! (Ps 65, 4)

„Preiset den Herrn, ihr Engel des Herrn! und erhebet ihn über alles in Ewigkeit!“ (Dan 3, 58)

„Was soll ich dem Herrn vergelten für alles, was er mir gegeben hat?“ (Ps 115, 12)

„Dich sollen preisen, o Herr, alle deine Werke und deine Heiligen dich rühmen! (Ps 144, 10)

 

Mein Gott, du bist bei mir und mein Herz ist kalt, hart und trocken. Insofern als diese Kälte von meinem Mangel an Glauben und von der Geringschätzung der mir erwiesenen Ehre und Liebe herrührt, schmerzt sie mich bitter. Aber insofern sie eine gerechte Strafe für meine Sünden ist, eine Buße, die ich für dieselben tun, ein Leiden, das ich für dich tragen kann, unterwerfe ich mich von ganzem Herzen. Ich habe keinen Anspruch auf das Brot der Kinder, das kleinste Krümchen, ein Stückchen harter Rinde ist mehr, als ich verdiene.

Unendliche Liebe, die Du zu mir kommst, die du trotz meiner Unwürdigkeit gerne kommst; weder Kälte, noch Härte, noch das Gefühl der Strafwürdigkeit, noch Schmerz soll mich daran hindern, mich dir zu nahen und dir mein armes Herz, das zu suchen du aus weiter Ferne gekommen bist, gerade so anzubieten wie es ist.

Ich vertraue auf dich, oh mein Gott, du wirst mir den Sieg verleihen über meine Schwachheit. Nach einem langen und ermüdenden Kampf wirst du mir endlich den Frieden gewähren; trotz meiner Fehltritte und meiner Sündhaftigkeit wirst du deine Pläne an mir verwirklichen. Gibt es etwas, mein Vater und bester Freund, das mich mit Furcht erfüllen und vom Vertrauen auf dich abhalten könnte?

Meine Vergangenheit? Herzlich bereue ich alles, was dir aus jener Zeit missfallen oder dich geschmerzt hat. Ich weiß, ich habe gesündigt gegen dich. Aber dein innig geliebter Sohn opfert sich täglich in der heiligen Messe für mich, ein Opfer, das die Sünden von tausend Welten zu vernichten vermag, und in der heiligen Kommunion hilft er mir immer und immer wieder, Akte der Reue zu erwecken.

Meine Gegenwart? Ich weiß, dass meine täglichen Sünden und meine Untreue gar wohl bewirken können, dass du dein Angesicht von mir wegwendest. Aber im heiligen Opfer und in meinen Kommunionen biete ich dir vollkommene Genugtuung für alle meine Versäumnisse.

Meine Zukunft? Oh nein, mein Vater, wem könnte ich sie anvertrauen, wenn nicht dir? Begründet ist allerdings meine Angst vor deinen Urteilen und ich fürchte sie, damit ich gerettet werde. Aber größer als meine Furcht ist mein Vertrauen; denn meine Furcht hat ihren Grund in mir selbst, mein Vertrauen aber stützt sich auf dich.

Blicke also, o Herr, auf das Antlitz deines Gesalbten, der sich als Lösegeld für mich hingegeben und der mir eine Wohnung in dem Hause meines Vaters bereitet hat! Schaue auf deinen vielgeliebten Sohn, an dem du dein Wohlgefallen hast, und um seinetwillen wirf auch einen Blick der Liebe und Erbarmung auf mich! Vergib mir, was ich in der Vergangenheit und in der Gegenwart gesündigt, und gewähre mir für die Zukunft so reiche Gnaden, dass ich noch vor meinem Tode vollständige Genugtuung und Ersatz leisten könne!

 

Aufopferung und Bitte

Gebet vor einem Kruzifix