Das Willkommen der Liebe

I.

 

„Die Liebe ist die Erfüllung des Gesetzes.“ (Röm 13, 10)

 

Vor der Kommunion

Rabboni, Meister, komm zu mir und lehre mein  Herz, wie es dich lieben soll. Lehre mich jene Wissenschaft, die allen genügt, deren Besitz von jeder Verpflichtung entbindet und die Verstand und Herz vollkommen befriedigt! Lasse des Lebens Freuden und Leiden kommen und gehen; lasse seine von der Vorsehung gelenkten Ereignisse und Wechselfälle über mein Haupt hinweggleiten; lasse meine Seele durch Erfahrungen erzogen und durch mannigfaltige Einflüsse im Einklang mit dem Absichten deines ewigen Willens gebracht werden! Lasse alles in deiner Liebe münden, alles, und möge es anscheinend noch so entgegengesetzt sein, nach diesem Mittelpunkte hinstreben Schwäche, Mängel, Unvollkommenheit, Elend, selbst die Sünden der Vergangenheit —, alles, alles, ohne Ausnahme, lasse zum Besten dessen zusammenwirken, der dich liebt, oh Herr, der dich nach der ganzen Vollkommenheit deines Gebotes lieben möchte, der aus ganzem Herzen, aus ganzer Seele, aus ganzem Gemüte, aus allen Kräften dir anhangen, von dir durchdrungen sein und nur für dich handeln möchte!

Ich denke, mein Gebet um Liebe wird in dem Maße aufrichtiger, als ich die Bedingungen der Liebe ins Werk setzenämlich den unaufhörlichen Kampf mit dem eigenen Ich“, das vor meiner Seele steht und dir den Weg dahin versperrt, die mit Schmerz verbundene Reinigung der Seele und die Ausrottung alles dessen, was der Herrschaft deiner Liebe entgegen ist. Um Liebe bitten heißt um Kraft bitten zu einem lebenslänglichen Kampfe. Bin ich hierzu bereit, kann ich um dieses bitten? Ja, oh mein Gott, und zwar trotz des Bewusstseins meiner Schwäche, die alle Hoffnung in meiner Seele vernichten würde, wüsste ich nicht, dass die Kraft in der Schwachheit vollkommen wird. Ein Abgrund ruft dem anderen zu: Aus der Tiefe rufe ich zu dir. Dein Arm ist nicht verkürzt, auch bin ich gewiss nicht das Geschöpf deiner Hände, das allein außer dem Bereiche deiner Allmacht wäre. Mit ewiger Liebe hast du mich geliebt. Läutere diese meine Seele, auf dass all ihre Neigungen in dir, ihrem Mittelpunkt, sich vereinigen, bevor ihre Lebensuhr abgelaufen! „Und er stieg hinauf und legte sich auf den Knaben und tat seinen Mund auf desselben Mund und seine Augen auf desselben Augen und seine Hände auf desselben Hände und der beugte sich über ihn und das Fleisch des Knaben ward warm.“ (4. Reg 4, 34)

Christus vereinigt seinen heiligen Leib, sein Herz, seine Seele mit mir in einer Vereinigung, die an Innigkeit bloß durch die Verbindung der göttlichen und menschlichen Natur zur Einheit der Person übertroffen wird. Nach und nach geht sein Leben in meines über, meine Kälte, Schwerfälligkeit, Lieblosigkeit weichen. — „Des Knaben Fleisch ward warm.“

Oh mein Gott, was kann ich tun, um zu dieser Auferstehung beizutragen? Nicht anderes als ganz und gar mich dir übergeben. Denn das Werk muss dein sein. Nichts in mir soll dein Werk hindern, keine freiwillige Sünde, kein Widerstreben gegen die Gnade, kein vorenthalten eines von dir geforderten Opfers. Gib, dass ich immer mehr und mehr dir angehöre! Handle so in mir und beeinflusse mich derart, dass alles dein Werk sei und nichts in mir dasselbe vereitele! Vereinige mich in der heiligen Kommunion so innig mit dir, dass deine Gedanken, dein Wille, deine Gefühle und Neigungen auf mich übergehen, dass ich nach und nach dir gleich werde! Dann werde ich fähig sein, für dich zu wirken, oder vielmehr, du wirst mich als dein Werkzeug benutzen können. Du, oh mein Gott, sagtest von dir selbst: „Er, der mich sandte, ist bei mir und er hat mich nicht allein gelassen.“ Das möchte auch ich sagen. Lass dieses Wort an mir in Erfüllung gehen! Ich bin dein Gesandter, den du in die Welt geschickt und dem du ein Werk aufgetragen, ein Werk für meine eigene Seele, ein Werk für andere. Du weißt es, ich kann nichts wirken außer in deiner Kraft, durch dich und mit dir. Sei also bei mir immerdar! Lass mich nicht allein! Oh, das auch ich durch die Bereinigung mit dir sagen könnte: „Ich tue stets alles, was ihm gefällt.“

Erinnere dich, o Herr, deines Versprechens: „Wer mich isst, wird in mir leben.“ Mein einziger Wunsch, meine einzige Bitte ist mit dir zu leben; deinen Willen, nicht den meinen; nicht meine Gedanken, Worte und Werke, sondern die deinen, die Wünsche deiner Seele, die Neigungen deines Herzens! Oh mein Gott, könnte ich doch endlich dahin gelangen, dass dein Geist sich in mich ergieße und mir Leben gebe, so wie der Weinstock den Reben Leben gibt.

 

Nach der Kommunion

Dein heiliger Name, oh lieber Gott, ist alles, was ich in den ersten Augenblicken nach der Kommunion brauche.

Er ist Glaube und Anbetung, wenn ich sageJesus, Jesus!

Es ist Lob und Dank, wenn ich sageJesus, Jesus!

Hoffnung und Vertrauen drückt sich aus, wenn ich sageJesus, Jesus!

Es ist Liebe und Willkommen, wenn ich sageJesus, Jesus!

Es ist Reue über meine Sünden, wenn ich sageJesus, Jesus!

Es ist Freude und Wonne über dich, wenn ich sageJesus, Jesus!

Ich Sühne für die dir zugefügten Beleidigungen, wenn ich sage Jesus, Jesus!

Ich übergebe mich dir selbst und alles, was ich habe, wenn ich sage Jesus, Jesus!

Ich bitte um Vereinigung des Geistes und Herzens mit dir, wenn ich sage Jesus, Jesus!

Ich drücke alle Wünsche für Zeit und Ewigkeit aus, wenn ich sage Jesus, Jesus!

Du bist in mir; mein enges Herz umschließt dich, oh unendlicher, oh unermesslicher Gott! Ich, arm und schwach, besitze dich, den Schöpfer Himmels und der Erde, aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge. Ich, beschränkt und unwissend, bin eins mit dir, der alles kennt, die Vergangenheit, die Gegenwart, die Zukunft; alle Geheimnisse der Natur und der Gnade; alle wirklichen und möglichen Dinge; alle die verborgenen Falten meines Herzens, seine Sündhaftigkeit und seine Verdienste, seine Anstrengungen, seine Gebrechen, seine Fähigkeiten und seine Wünsche. Ich, kalt und selbstsüchtig, umfange dich, der liebt, was er geschaffen, der meine Seele zärtlich und standhaft liebt. Oh könnte ich deine Liebe erwidern mit einer Liebe, wie sie dir gebührt und die einigermaßen im Verhältnis stünde zu der Liebe, die du zu mir trägst. Ich könnte mich fast zufriedengeben, arm, schwach, beschränkt und unwissend zu sein, wenn ich nicht so kalt wäre. Dies ist der Schmerz, den ich immer wieder im Gebete ausspreche. Wenn irgendetwas, so könnte das mir den Wunsch einflößen, aufgelöst und bei Christus zu sein. Ich sehe der Zeit entgegen, wo bei dem Anblicke deiner Schönheit und deiner Liebenswürdigkeit meine Kälte zerschmelzen und verschwinden wird, und zwar schneller als das Eis unter der glühenden Sonne; wo ich ohne Anstrengung, ja sogar angetrieben von der Macht aller Kräfte in mir, dich aus ganzem Herzen, aus ganzer Seele, aus ganzem Gemüte und aus allen meinen Kräften lieben werde. Zu uns komme dein Reich!“

Herr, lehre mich dich lieben! Lasse meine Liebe mit jeder Kommunion wachsen, bis sie ein schwacher Abglanz deiner Liebe zu mir werde! Gib, dass alle meine Neigungen, meine Wünsche, meine Interessen sich in dir, ihrem Mittelpunkte, vereinigen, sodass es mir endlich gelingt, ganz so wie du zu fühlen, zu wollen, zu denken und mit anderen zu verkehren! Mache es mir leicht, mit dir zu sprechen! In Freud’ und Leid oder Ungewissheit möge mein erster Gedanke sein, dich zu befragen. Lasse mich alle meine Angelegenheiten dir vortragen und erwärme mein Herz für das, was dich und deine Ehre betrifft! Hilf mir, mit zweifellosem Vertrauen alles aus deiner Hand annehmen, was durch deine Zulassung über mich kommt; hilf mir, bereitwillig, ja freudig Opfer für dich zu bringen, froh in Vereinigung mit dir zu leiden, froh über die Gleichförmigkeit mit dir, die eine Frucht des Kreuzes ist!

Mein Herz, oh mein Gott, ist kalt und selbstsüchtig. So war die Welt, als du in ihrer erschienst. Doch, welche Veränderung hat dein Erscheinen hervorgebracht! Nicht auf einmal, aber fest und sicher kam eine wunderbare Umwandlung zustande. Du hattest Feuer auf die Erde gebracht, deine brennende Liebe zu Gott und den Menschen. Und die Flamme breitete sich aus und breitet sich noch immer aus und all die deinigen sind berufen, sie zu unterhalten und weiterhin zur nähren. Aber um andere Herzen zu erwärmen, muss unser eigenes Herz glühen. Erwärme mein Herz, oh Herr, durch Berührung mit dem deinigen!

 

Aufopferung und Bitte

Gebet vor einem Kruzifix