60. Kapitel

Von der Gewissenserforschung

Bei der Gewissenserforschung mußt du dreierlei erwägen: Die Sünden des Tages, ihre Ursachen und die Gesinnung und Bereitwilligkeit, mit der du sie zu bekämpfen und die entgegengesetzte Tugend zu erwerben vorhast.

Bezüglich der Sünden halte dich an das in Kapitel 26 („Wenn wir verwundet werden") Gesagte.

Ihre Ursache bemühe dich zu bekämpfen und auszurotten.

Um dies auszuführen und die betreffende Tugend zu erlangen, mußt du deinen Willen mit Mißtrauen wider dich selbst, mit Vertrauen auf Gott, sowie durch Gebet, viele Tugendakte wider den Fehler und Sehnsucht nach der entgegengesetzten Tugend festigen.

Die Siege, die du bereits errungen, und die guten Werke, die du schon vollbracht hast, sollen dir immer verdächtig erscheinen.

Wegen der fast unvermeidlichen Gefahr, daß sich insgeheim törichte Eitelkeit und Hochmut einschleichen, rate ich dir zudem, nicht viel an diese zu denken.

Stelle sie darum alle - welcher Art sie auch sein mögen - der Barmherzigkeit Gottes anheim und richte dein ganzes Sinnen auf das Höhere, das dir noch auszuführen übrigbleibt.

Was sodann die Danksagung für die Gaben und Gnaden betrifft, die dir der Herr an diesem Tage zuteil werden ließ, erkenne ihn als den Geber alles Guten an und danke ihm, daß er dich von so vielen sichtbaren, aber noch zahlreicheren unsichtbaren Feinden errettet, dir gute Gedanken eingegeben, Gelegenheiten zur Tugendübung geboten und so manche dir unbekannte Wohltat erwiesen hat.