41. Kapitel

Dem Verlangen nach Befreiung von Widerwärtigkeiten soll man nicht nachgeben - Von der Beherrschung unserer Wünsche

Bist du in einer unangenehmen Lage, die du mit herzhafter Geduld erträgst, dann hüte dich, dir vom bösen Feind oder deiner Eigenliebe den Wunsch einflößen zu lassen, aus ihr befreit zu werden; denn es würden dir daraus zwei nicht geringe Nachteile erwachsen.

Erstens würde das Verlangen die Tugend der Geduld freilich nicht vollständig in dir vernichten, dich aber nach und nach zur Ungeduld verführen.

Zweitens würde deine Geduld mit Mängeln behaftet und von Gott nur für die Zeit belohnt werden, während welcher du durchgehalten hast. Hättest du aber dem Wunsch nach Befreiung nicht nachgegeben und dich rückhaltlos der göttlichen Güte überlassen, dann würde der Herr dein Leiden als einen Dienst von ganz langer Dauer vergelten, selbst wenn es nur eine Stunde oder noch weniger gedauert hätte.

Mache es dir daher zur steten Regel, deine Wünsche überhaupt von allem frei zu halten und einzig und allein auf ihr wahres und eigentliches Ziel, den Willen Gottes, einzustellen. Auf diese Weise werden sie gut und tugendhaft, und du wirst in allen Widerwärtigkeiten stets gelassen und auch zufrieden sein, weil nichts ohne den Willen Gottes geschehen kann. Und da du nach diesem verlangst, willst und hast du ja damit zugleich alles, was du wünschst und was dir zu jeder Zeit glückt.

Dies findet allerdings auf die Sünden der Menschen und deine Sünden keine Anwendung, weil Gott sie nicht will. Wohl aber gilt es von jedem Übel, das aus einer Strafe oder anderswoher stammt, mag es noch so gewaltsam wühlen und tief dringen, daß es das Herz in seinen Tiefen trifft und die Wurzeln des natürlichen Lebens gefährdet. Aber auch das ist nur ein Kreuz, mit dem Gott seine vertrautesten und teuersten Freunde zuweilen zu begnadigen liebt.

Was ich über die Geduld, die wir in allen Fällen üben sollen, sagte, wende auch auf jenen Teil jeder Drangsal an, der zurückbleibt und den wir ebenfalls zur Ehre Gottes ertragen sollen, nachdem wir uns der erlaubten Mittel bedient haben, um uns davon frei zu machen.