20. Kapitel

Die Kampfesweise wider die Trägheit

Um nicht in die elende Sklaverei der Trägheit zu geraten, die dir nicht nur den Weg zur Vollkommenheit versperrt, sondern dich auch in die Hände deiner Feinde überliefert, mußt du die Neugierde und jede Bindung ans Irdische sowie alle Beschäftigung fliehen, die für deinen Stand nicht passen.

Ferner gib dir alle Mühe, jeder guten Einsprechung und allen Anordnungen deiner Vorgesetzten Folge zu leisten, indem du alles der Zeit und dem Wunsch gemäß ausführst, wie sie es gerne wollen.

Zögere auch keinen Augenblick damit! Denn der erste kleine Aufschub zieht einen zweiten nach sich, und dieser einen dritten und die weiteren, denen die Sinnlichkeit sich viel leichter zuwendet und nachgibt als dem ersten, weil sie von der Lust, die sie dabei empfindet, angelockt und gefangen ist. So fängt man ein Werk entweder zu spät an oder unterläßt es zuweilen aus Widerwillen ganz.

Auf diese Weise bildet sich allmählich der Hang zur Trägheit. Dieser führt dahin, daß wir selbst in dem Augenblick, wo wir von ihr gefesselt sind, uns vornehmen, ein anderes Mal sehr emsig und fleißig sein zu wollen, weil wir uns schämen, bisher so träge gewesen zu sein.

Die Trägheit erfaßt dann alles. Sie steckt mit ihrem Gift nicht nur den Willen an und macht ihn arbeitsscheu, sondern sie verblendet dazu noch den Verstand, daß er nicht einsieht, wie töricht und schlecht begründet der Vorsatz ist, später schnell und sorgfältig vollbringen zu wollen, was man eben jetzt tun sollte, was man aber jetzt freiwillig ganz unterläßt oder doch auf eine andere Zeit verschiebt.

Es genügt auch nicht, eine Arbeit, die du zu verrichten hast, schnell zu erledigen, sondern du mußt sie zu der nach ihrer Beschaffenheit und Art gewünschten Zeit und mit der ganzen dafür notwendigen Sorgfalt ausführen, damit sie in jeder Weise möglichst vollkommen ausfällt.

Ebenso ist es kein Fleiß, sondern eine sehr durchsichtige Trägheit, eine Arbeit vor der Zeit zu verrichten und sie mit Eilfertigkeit und ohne Sorgfalt zur Ausführung zu bringen, um nachher bequem die Ruhe pflegen zu können, mit welcher wir schon in Gedanken rechneten, als wir die Arbeit schnell zu erledigen suchten.

Dieses große Übel kommt daher, daß man den hohen Wert eines guten Werkes nicht zu schätzen weiß, das zur rechten Zeit und in der entschiedenen Absicht ausgeführt wird, sich der Mühe und Schwierigkeit zu unterziehen, welche die Bekämpfung des Lasters der Trägheit einem Neuling im Kampfe bereitet.

Darum beherzige es wohl, daß eine einzige Erhebung des Gemütes zu Gott, ja eine bloße Kniebeugung zu seiner Ehre mehr wert ist, als alle Schätze der Welt, und daß die Engel eine glorreiche Siegeskrone aus dem Himmelreiche unserer Seele bereiten, so oft wir uns selbst und unseren sündhaften Trieben Gewalt antun.

Andererseits bedenke, daß Gott den Trägen die Gnaden, die er ihnen verliehen hat, nach und nach entzieht und den Eifrigen dieselben vermehrt, um sie in die Herrlichkeit und Wonne eingehen zu lassen, die er selbst genießt.

Fehlt dir der Mut, den Mühen und Schwierigkeiten sogleich hochherzig zu begegnen, dann halte dieselben gleichsam vor dir verborgen, damit sie dir geringer erscheinen, als sie von den Trägen angesehen werden.

Um dich in einer Tugend zu üben und sie zu erlangen, bedarf es einer großen Menge von Tugendakten; es ist die Arbeit vieler Tage und die zu überwindenden Feinde sind zahlreich und stark. Fange so an, als ob du nur wenige Tugendakte zu setzen und nur kurze Zeit dich anzustrengen hättest. Kämpfe nur wider einen Feind, als müßtest du sonst mit keinem anderen kämpfen, und zwar mit dem festen Vertrauen, daß du mit Gottes Hilfe stärker seist als sie alle. Auf diese Weise wird die Trägheit allmählich zurückgehen und die entgegengesetzte Tugend Schritt für Schritt ihren Einzug halten.

Dasselbe Verfahren gilt auch vom Gebet. Deine Ertüchtigung verlangt hie und da eine Gebetsstunde, was deiner Trägheit lästig erscheint. Beginne, als wolltest du nur eine halbe Viertelstunde dem Gebete widmen, dann wirst du leicht die andere Hälfte und den übrigen Teil erfüllen.

Empfindest du aber manchmal in der zweiten Hälfte oder in der folgenden Zeit ein heftiges Widerstreben und Überdruß, so verschiebe die Übung, damit sie dich nicht ganz anwidere, und nimm sie nach geraumer Zeit wieder auf. Das nämliche Verfahren beobachte auch bei der körperlichen Arbeit, wenn du zufällig einmal mehrere zu erledigen hast, was deiner Trägheit überaus schwierig zu sein scheint, so daß du darüber in völlige Verwirrung gerätst. Gleichwohl beginne in aller Gemütsruhe wenigstens mit einer derselben, wie wenn du sonst gar nichts zu tun hättest. Läßt du es dabei nicht an Eifer fehlen, dann wirst du auch die übrigen Arbeiten mit leichterer Mühe bewältigen, als es deiner Trägheit vorkam.

Handelst du aber nicht nach diesem Verfahren und begegnest du der Mühe und der Schwierigkeit, die sich dir entgegenstellen, nicht gleich energisch, dann wird das Laster der Trägheit so in dir die Oberhand gewinnen, daß nicht allein eine gegenwärtige Mühe und Schwierigkeit, wie sie die Tugendübung anfangs zu bereiten pflegt, sondern auch eine von weitem drohende dich derartig ängstigen und peinigen, daß du immer in der Furcht lebst, gleich als wollten Feinde dich belästigen und überfallen und stände fortwährend jemand hinter dir, der dir eine neue Last aufbürde, weshalb du selbst im größten Frieden nie zur Ruhe kämest.

Merke dir, daß dieses Laster der Trägheit mit seinem heimlichen Gift nach und nach nicht allein die ersten zarten Wurzeln, aus denen die Fertigkeit in der Übung der Tugenden erwachsen soll, sondern auch die bereits erzielte Fertigkeit vernichtet.

Wie der Holzwurm, so nagt und zehrt das Laster der Trägheit ganz still am Mark des geistlichen Lebens. Gerade so versucht es auch der böse Feind, jedem, besonders denen, die ein geistliches Leben führen wollen, Nachstellungen zu bereiten und Fallstricke zu legen. Wache darum im Gebet und in guten Werken und säume nicht, das Tuch deines Hochzeitsgewandes zu wirken, mit dem du geschmückt dem Bräutigam entgegengehen sollst.

Erinnere dich jeden Tag, daß, wer dir den Morgen schenkt, den Abend nicht verspricht, und wenn er den Abend gibt, der Morgen dir nicht zugesichert ist. Verwende darum jeden Augenblick deiner Zeit nach Gottes Wohlgefallen, wie wenn dir keine weitere Zeit zur Verfügung stände, und das umso mehr, als du von jedem Augenblick wirst strenge Rechenschaft ablegen müssen.

Zum Schluß ermahne ich dich, jeden Tag für verloren zu halten - hättest du auch viele Arbeit geleistet -, an dem du keinen Sieg über deine ungeordneten Neigungen und deinen Eigenwillen davongetragen und an dem du deinem Herrn nicht gedankt hast für seine Wohltaten, besonders für sein bitteres Leiden, das er für dich erduldet hat, und für seine väterliche und liebevolle Heimsuchung, daß er dich der Teilnahme an dem unvergleichlichen Schatz verschiedener Trübsale würdigte.