Das Willkommen des Vertrauens

II.

 

„Wenn er verweilet, so harre sein.“ (Hab 2, 3)

 

Vor der Kommunion

Ich wollte, mein Herr wäre mir näher, so sprechen und denken wir oft. Und wo ist der Mensch, der das nicht wünschte? Gibt es einen, sagt Thomas von Kempis, der nicht gerne Trost empfinge, so er ihn haben könnte? Aber diese himmlischen Heimsuchungen kommen selten und in langen Zwischenräumen. Wir sind nicht fähig, mit denselben oft betraut zu werden. Gott gewährt es manchmal reichlich; zweimal im geistigen Leben — am Anfange, wenn die Seele beginnt, sich zu ihm zu wenden und sie auf den engen Pfad der Selbstverleugnung geführt werden muss, und dann gegen das Ende des Tagewerkes, wenn sie ausgeharrt und gleichsam eine Belohnung verdient hat. Aber mit dem meisten von uns, wie mit unsern Vorfahren in der Wüste, „ist Gott nicht wohl zufrieden“. Es ist kein besonderer Grund vorhanden, warum er uns als Günstlinge behandeln oder in besonderer Weise belohnen soll. Hat uns Gott auf den Weg des Heiles gebracht, so gewährt er hinlänglich den nötigen Beistand, er begnügt sich mit unserem kargen Dienste, weist unsere Versehen zurecht, vergibt uns unsere vielfachen Fehltritte und hat Geduld mit uns, wenn wir zu ihm um die Süßigkeiten des Trostes rufen.

„Ihr wisst nicht, um was ihr bittet,“ sagt er bisweilen zu uns, wie einst zu Jakobus und Johannes. „Könntet ihr eure Arbeit sehen, so wie ich sie sehe, ihr würdet euch schämen, mehr zu verlangen, als den versprochenen Zehner. Ihr würdet überdies sehen, dass das, um was ihr bittet, nicht gut für euch ist, dass es sicherer und besser ist, euch meinen Händen zu überlassen und gleich gutgearteten Kindern das anzunehmen, was euch geboten wird, ohne etwas anderes zu wünschen.“ In dem Gebete, das unser Herr uns in den Mund gelegt hat, befiehlt er uns, um alles zu bieten, was für die Seele oder den Leib notwendig ist, nicht aber um Süßigkeiten. „Gib uns heute unser tägliches Brot“ (— nicht Zuckerwerk).

Durch die Gnade der Adoption und Kraft der Verdienste unseres älteren Bruders, sind wir „Nachahmer Gottes, als die lieben Kinder“. (Eph 5, 1) Wenn wir murren wollen, so wird uns der Gedanke, was wir aus uns selbst sind und was unsere Sünden verdienen, darüber hinweghelfen. „Wir empfangen mit Recht, was unsere Taten verdient haben.“ sagte der gute Schächer. Wer von uns könnte nicht ebenso sprechen, wenn Trübsale hereinbrechen oder wenn wir, überwältigt von der Einförmigkeit des Alltagslebens, nach demjenigen seufzen, dessen Gegenwart die dunkelsten und traurigsten Pfade erhellt! „Wenn Jesus gegenwärtig ist, so ist alles gut und nichts scheint schwer, ist aber Jesus nicht zugegen, dann ist alles schwer und drückend.“(Nachfolge Christi II., 8) Wir können nichts tun, als uns mit Geduld bewaffnen. Es wird nicht immer so sein: mag nun unser gegenwärtiger Zustand eine Strafe oder eine einfache Prüfung sein, er wird nicht dauern; die Zeit der Prüfung geht dem Ende entgegen, und zwar bald; denn „nur noch eine kleine Weile, eine sehr kleine Weile, und es wird kommen, der da kommen soll, und er wird nicht zögern.“ (Hebr 10, 37) Inzwischen fassen wir die Schwierigkeiten fest ins Auge.

Ich werde nicht müde, über die Schwierigkeiten im Gebete zu klagen. Ich stelle der Unterredung mit Gott die Unterredung mit einem Freunde gegenüber, mit dem ich von Angesicht zu Angesicht spreche, der ganz Aug’ und Ohr ist, mich anzuhören, wodurch die Unterredung so leicht und angenehm wird.

Und doch! Selbst der teilnehmende Freund kann nicht tief in meiner Seele eindringen; er kann die Umstände des Lebens, von denen sie so sehr beunruhigt und belästigt wird, nicht ändern. Aber der Freund, mit dem ich im Gebete spreche, ergründet sie bis in ihre Tiefen; er erforscht die innersten Falten, von deren Vorhandensein ich keine Ahnung hatte. Er sieht die Wirkung, die jeder noch so geringe Einfluss in ihr hervorbringt. Vor ihm liegt klar jeder Kummer; er kann die Ursache derselben entfernen oder deren Wirkung schwächen; er kann Stärke geben, ihn zu tragen und Nutzen daraus zu ziehen. Er kann eine Änderung in meiner Lebensanschauung hervorbringen; er kann bewirken, dass ich über Erfolg und Nichterfolgt, über Stellung, Einfluss, über Familien- und Seelenleiden anders urteile als bisher. Er kann die Unvollständigkeit meines Charakters ergänzen und jede Sehnsucht des Geistes, jedes Bedürfnis des Herzens stillen. Wenn ich ihm meinen Schmerz darlege, indem ich rufe: „Herr, du weißt es“, so ziehe ich die ganze Allmacht und Allwissenheit Gottes, ja noch unendlich mehr — ich ziehe das Mitleid des treuesten aller irdischen Freunde auf diesen Schmerz herab. Wenn ich dieses betrachte, so wird meine Klage über die Unzulänglichkeit des Gebetes bald verstummen.

Oh Herr, dass ich es doch dahin brächte, mehr mehr an die unschätzbare Gabe, die du mir im Gebete gegeben, zu denken, als an das, was ich dem natürlichen Laufe der Dinge nach noch nicht besitzen kann, wie ganz würde mein Gebet beschaffen sein! Unaufhörlich würde sich mein Herz in Liebe und Vertrauen zu dir erheben, demütig würde ich die Dunkelheit und die Schranken, die der Glaube hienieden setzt, hinnehmen. Ja, der Glaube würde zu hellem Lichte werden und das Vertrauen würde schon hienieden solch überfließenden Lohn von dir erlangen, dass der Schleier halb gelüftet würde. Aus dem Gebete würde mir Hilfe kommen, es würde mir zur Wonne werden. Deine Einschärfung: „Betet allezeit!“ würde mir so natürlich wie nur etwas scheinen. Gleich deinen ersten Jüngern würde mein Wandel im Himmel sein. Meine Seele muss sich stützen auf die durch den Glauben enthüllten Wahrheiten, bis der Tag anbricht und die Schatten weichen.

Du, der Herr des Himmels, kommst heute, um mit mir ein vertrauliches Gespräch zu halten. Du kommst mit dem nämlichen Leibe, der in der Krippe lag und am Kreuze hing, kommst mit Fleisch und Blut, mit Seele und Gottheit, mit deiner ganz heiligen Menschheit. Aber das Unwesentliche, das Äußere, tritt zurück, mit dem Wesen allein muss ich mich zufriedengeben.

Gerade so verhält es sich mit mir. Ich komme zu dir mit der erforderlichen Gesinnung; meine Seele ist in Freundschaft mit dir; doch fehlt jene fühlbare Andacht, die ich, vielleicht mehr um meinet- als um deinetwillen, wünsche. Doch, was liegt daran? Gefühle sind nur nebensächliche Dinge. Ich muss mich gedulden, bis die Schleier fallen und ich den König in seiner Herrlichkeit schaue. Dann werde ich mich freuen in überaus großer Freude. Dann wird meine Seele den Herrn preisen und mein Geist in Gott, meinem Heiland, frohlocken. Dann wird alles, was in mir ist, seinen heiligen Namen preisen.

Wenn deine Herrlichkeit erscheinen wird, dann werde ich vollkommen gesättigt sein. Doch ist es sicher nicht unrecht, wenn ich dich jetzt schon anflehe, den Schleier dann und wann ein wenig zu lüften oder mir einige Krümchen von deinem Tische zukommen zu lassen, o gütiger, mitleidsvoller Heiland. Ich könnte ein stummes Geschöpf — ein Hündlein, das mir ins Antlitz schaut, ein Vöglein, das auf meine Hand sich setzt und vertrauensvoll um Nahrung oder Liebkosung fleht — in seiner Erwartung nicht täuschen. Du aber hast mir gesagt, dass ich von weit größerem Werte bin als diese. Willst du die Hoffnung täuschen, mit der ich zu dir komme, flehend um die Nahrung, die meine Seele braucht, um die Gnade, die ich haben muss, um in den Himmel zu kommen? Willst du mir nicht dann und wann die Liebkosung geben, die ich erwarte, du, der du gesagt hast: „Auf den Knien wird man euch liebkosen; wie einen, den seine Mutter liebkoset, so will ich euch trösten.“ (Is 66, 12 f.) Willst du nicht zuweilen jenes geheimnisvolle Wort zu meiner Seele sprechen, dass ihr Innerstes durchdringt? „Meine Seele zerschmolz, als mein Geliebter sprach,“ sagt die Braut im Hohenliede. Sprich zu mir, mein Geliebter, und erweiche die Härte meines Herzens!

„Herr, erhöre mein Gebet und mein Flehen; nimm zu Ohren meine Tränen!“ (Ps-38, 13)

„Er gibt Speise den jungen Raben, die zu ihm rufen.“ (Ps 146, 9)

„Du, oh Herr, bis reich genug, mir viel mehr als dies zu geben.“ (2. Par 25, 9)

„Kann die Binse grünen ohne Feuchtigkeit?“ (Job 8, 11)

„Gedenke meiner, mein Gott, zum Guten! Amen.“ (2. Esdr 13,31)

 

Nach der Kommunion

„Mein Herr und mein Gott!“

„Herr, ich glaube, hilf meinem Unglauben!“

„Herr, vermehre meinen Glauben!“

„Herr, es ist nicht deinesgleichen; es bleibe dein Name und werde verherrlicht in Ewigkeit.“ (1. Par 17, 20. 24)

„Der Herr war mein Helfer und mein Beschirmer, auf ihn hat vertraut meine Herz und es ist mir geholfen worden.“ (Ps 27, 7)

„Lobsinget dem Herrn, ihr seine Heiligen!“ (Ps 29, 5)

„Liebet den Herrn, ihr alle seine Heiligen!“ (Ps 30, 24)

„Denn er hat gesättigt die arme Seele, die hungernde Seele gesättigt mit Gütern.“ (Ps 106, 9)

„Genedeit sei der Herr, denn er hat mir seine Barmherzigkeit wunderbar erwiesen!“ (Ps 30, 22)

„Dank sei Gott für seine unaussprechliche Gabe.“ (2. Korr 9, 15)

„Einer ist gut, nämlich Gott.!“ (Mt 19, 17)

 

Wie nahe, ja, wie enge verbunden bin ich jetzt mit der Quelle alles Guten! Ich kreuze meine Arme über meine Brust und weiß, dass darin verschlossen das höchste Gut sich findet. Denn „einer ist gut, nämlich Gott!“ Und er ist hier, um wie ein treuer Freund alles, was er hat, alles was er ist, mit mir zu teilen. In meiner Brust ist:

Seine ganze Allmacht, um mich zu beschützen. — „Wisse, dass der Herr, dein Gott, ein starker Gott ist.“ (Deut 7, 9)

Seine ganze Weisheit, mich zu führen. — „Bleibe bei mir, fürchte dich nicht!“ (1. Reg 22, 23)

Seine ganze erbarmende Güte, um mir zu helfen. — „Ich will dich nicht entlassen, noch dich verlassen.“ (Jos 1, 5)

Seine ganze Liebe, mich zu erwärmen. — „Unser Gott ist ein zehrendes Feuer.“ (Hebr 12, 29)

Sein ganzer Eifer, den meinigen zu entflammen. — „Die Liebe Christi drängt uns.“ (2. Kor 5, 14)

All seine Schätze, mich zu bereichern. — „Er, der selbst seines eigenen Sohnes nicht geschont, .... wie sollte er uns nicht alles mit ihm geschenkt haben?“ (Röm 8, 32)

All seine Verdienste, mich zu verteidigen. — „Er lebt allezeit, um für uns zu bitten.“ (Hebr 7, 25)

Außer dir, oh mein Gott, ist nichts Gutes,. Und in dir ist nichts Gutes, das du nicht selbst bist. Alles, was du hast, das bist du. Wenn ich dich also um all das bitte, was ich für das Heil meiner Seele brauche, so bitte ich um dich selbst. Du selbst bist das Licht, die Stärke, die Liebe, die Geduld, die Heiligkeit, die ich brauche. Wie nahe ist mir dieses alles in dem höchst kostbaren Augenblick nach der heiligen Kommunion. Nicht an meiner Türe, nicht innerhalb meines Bereiches, nein, mitten in meinem Herzen. Öffne mir also deine Hand, oh Herr, erfülle dein bedürftiges Geschöpf mit Segen, indem du es mit dir selbst erfüllst!

Oh unendliche Schönheit, die du mein Gott bist, ich preise dich!

Oh unendliche Liebe, die du mein Gott bist, ich liebe dich!

Oh unendliche Geduld, die du mein Gott bist, ich danke dir!

Oh unendliche Güte, die du mein Gott bist, ich bete dich an, ich preise dich, ich gebe mich dir hin, jetzt und auf ewig!

 

Geliebter Meister, ich bin die Magdalena zu deinen Füßen. Oh könnte ich ihr gleichen in ihrem glühenden Willkommen, in ihrer liebenden Zufriedenheit, in ihrem aufmerksamen Lauschen, wenn du zu ihrem Herzen sprachst, in der Vereinigung all ihrer Seelenkräfte in dir, solange du ihr Gast warst, in ihrem Mitleid mit deinen Schmerzen, in dem Troste, den sie deinem Herzen brachte. Kann ich mit meinen herumirrenden Gedanken, mit meiner Kälte, wohl das sein, was dir Magdalena war? Ja, denn du hast uns gesagt, du wolltest Wünsche für Handlungen annehmen. Als du beim letzten Abendmahl für deine Apostel betetest und nicht nur für sie allein, sondern auch für jene, die durch ihr Wort an dich glauben würden, wusstest du, dass die späteren Jünger Schwierigkeiten haben würden, die jene nicht hatten, welche während deines irdischen Wandels durch den Zauber deiner göttlichen Person sich angezogen fühlten. Auf uns hat dein Blick nicht geruht, der Ton deiner Stimme ist nicht an unser Ohr gedrungen; wir haben nicht den Worten desjenigen gelauscht, der sprach, wie keiner je gesprochen. Es wird uns berichtet von dem Zauber, den du auf das Volk und auf deine Getreuen ausübtest, aber wir müssen diesen erst an uns erfahren. Einstweilen hast du Geduld mit uns, da du ja weißt, dass der Glaube zwar viel bewirkt, doch nicht alles tun kann. Überdies zieht sich der Glaube oft in unsere innerste Seele zurück. Er ist wie der Saft der Pflanze im Winter; keine Frucht, keine Blüte, keine Knospe verrät seine Gegenwart, und doch ist er vorhanden. Dein Auge kann ihn sehen und du hast Geduld.

Welchen Rat hast du für uns, bis die Sonne in ihrer Kraft erscheint, die Pflanzen belebt und ihre verborgenen Kräfte ans Tageslicht zieht, bis der Winter vorüber ist und die Blumen in unserem Lande erscheinen? Du willst, dass wir unsere Zuflucht zu unseren Brüdern nehmen, die besser stehen als wir; die mit heißen Wünschen dir entgegenkommen, deren Herz in deiner Gegenwart erglüht, deren ganzes Wesen sogar die ruhelosen Sinne durch deine sakramentale Gegenwart überwältigt und gefesselt werden, die ihrem göttlichen Gast eine Aufnahme bereiten, allerdings seiner unwürdig, doch so aufrichtig, dass es seine Wonne ist, bei ihnen zu verweilen. Durch die Gemeinschaft der Heiligen sind diese unsere Brüder; ihr Reichtum ist Gemeingut für alle, und die ärmsten Glieder der Familie können sich nach Belieben desselben bedienen. Du fragst nicht, ob die Gaben, die wir dir anbieten, unser Eigentum oder fremdes Gut sind; du nimmst sie gnädig an, schätzest sie hoch und legst ihnen großen Wert bei. Ich opfere dir also auf, oh mein Herr, die unbefleckte Reinheit deiner Jungfrauen und aller unschuldigen Seelen; die Stärke deiner Märtyrer, die inmitten der Qualen und des Todes ausharren, die Geduld deiner Bekenner und all jener, die dir treu dienen inmitten von Verfolgungen und Schmerzen, oder inmitten des eintönigen Kreislaufes der täglichen Pflichten und Prüfungen. Ich opfere dir auf jenes unbefleckte Herz, in welchem du jede Tugend in ihrer Vollkommenheit findest. Ich opfere dir dein eigenes, heiliges, menschliches Herz auf, dessen Lob und Preis deiner göttlichen Annahme würdig ist. Dank sei dir für diesen reichen Schatz, zu welchem ich in allen meinen Nöten Zuflucht nehmen kann! Dank vor allem für das göttliche Herz, welches ganz allein und vollkommen mir genügt! Dank sei Gott für seine unaussprechliche Gabe!

 

Bitte

Gebet vor einem Kruzifix