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Die Heilige Therese von Lisieux und der Rosenkranz

 

Papst Johannes Paul II. hat Therese von Lisieux zur Kirchenlehrerin erhoben. Was Therese geschrieben hat, sind einfache Worte, in denen sie über ihren Glauben und ihr Leben erzählt. Es ist kein theologisches System sondern der kleine Weg der Liebe, den uns Therese lehrt. Doch die Kirche lässt diesen einfachen Worten die gleiche Bedeutung zukommen, wie den Lehren der großen Theologen. 

Therese schreibt viel über das Gebet. Vor allem zeigt sie hier immer wieder ihre Schwachheit. Sie kann keine schweren Gebetsübungen verrichten. Darauf kommt es für Jesus auch nicht an. Was sie Jesus schenkt ist ihre Seele, damit er selbst dort einzieht und in ihr wirkt, was ihm gefällt. Doch kann sie selbst nicht durch ihre eigene Frömmigkeit Jesus dort eine würdige Wohnung bereiten. Daher bittet sie die Muttergottes, die Engel und die Heiligen, in ihrer Seele den Platz für Jesus herzurichten. Therese stellt ihre Seele zur Verfügung, alles andere kann sie nicht leisten, sondern sich nur schenken lassen. 

Therese schreibt, wie sie sich auf die Hl. Kommunion vorbereitet:

Ich stelle mir meine Seele als einen freien Platz vor und bitte die Seligste Jungfrau, allen Schutt fortzuräumen, der verhindern könnte, dass er wirklich frei sei; dann flehe ich sie an, ein großes, des Himmels würdiges Zelt aufzurichten, es mit ihrem eigenen Schmuck zu zieren, und dann lade ich alle Heiligen und Engel ein, zu kommen und ein wunderbares Konzert zu geben. Wenn dann Jesus in mein Herz hinabsteigt, so ist er, glaube ich, zufrieden, so wohl empfangen zu werden, und ich bin es dann auch.

Jesus betet für seine Jünger:

Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein. (Joh 17,21)

Die heilige Therese von Lisieux machte bei ihrer ersten heiligen Kommunion in ganz besonderer Weise die Erfahrung des Einsseins mit Gott in der Liebe. Sie schreibt von einer Verschmelzung, einer Fusion mit dem Geliebten, mit Jesus. Aus Zweien ist eine untrennbare Einheit geworden. Sie hat sich ganz verwandelt in die Gestalt des Geliebten. Das ist für sie das höchste Glück und die größte Freude.

Oh, wie zärtlich war der erste Kuss, den Jesus meiner Seele gab! Ja, es war ein Kuss der Liebe! Ich fühlte mich geliebt, und auch ich sagte: Ich liebe Dich und schenke mich Dir auf ewig! Keine Bitte richtete Jesus an mich, und kein Opfer forderte Er von mir. Schon seit langem hatten Er und die kleine Theresia einander betrachtet und verstanden... An diesem Tag aber war unsere Begegnung kein bloßer Anblick mehr, sondern es war ein Verschmelzen. Wir waren nicht mehr zwei, sondern wie ein Wassertropfen sich im Schoße des Ozeans verliert, so war Theresia verschwunden. Jesus allein blieb. Er war der Herr, der König! ... Von Freude, von tiefer und unaussprechlicher Freude war mein Herz erfüllt.

 

 

Über das Gebet schreibt Therese:

 

Wie groß ist doch die Macht des Gebetes! Man könnte es einer Königin vergleichen, die allzeit freien Zutritt hat beim König und alles erlangen kann, worum sie bittet. Es ist durchaus nicht nötig, ein schönes, für den entsprechenden Fall formuliertes Gebet aus einem Buch zu lesen, um Erhörung zu finden; träfe das zu ... ach! wie wär` ich zu bedauern! ... Neben dem göttlichen Offizium, das zu beten ich sehr unwürdig bin, habe ich nicht den Mut, mich zum Suchen schöner Gebete in den Büchern zu zwingen, das macht mir Kopfweh, es gibt ihrer so viele! ... und dann ist ein jedes schöner als das andere ... Ich könnte nicht alle beten, und da ich nicht weiß, welches auswählen, mache ich es wie die Kinder, die nicht lesen können, ich sage dem Lieben Gott ganz einfach, was ich ihm sagen will, ohne schöne Phrasen zu machen, und Er versteht mich immer ... Für mich ist das Gebet ein Schwung des Herzens, ein einfacher Blick zum Himmel empor, ein Schrei der Dankbarkeit und der Liebe, aus der Mitte der Prüfung wie aus der Mitte der Freude; kurz, es ist etwas Großes, Übernatürliches, das mir die Seele ausweitet und mich mit Jesus vereint. ... 

Ganz allein den Rosenkranz zu beten kostet mich mehr Überwindung, als das Anlegen eines Bußinstruments ... Ich bin mir bewußt, ihn so schlecht zu beten! Ich kann mich noch so sehr bemühen, die Geheimnisse des Rosenkranzes zu betrachten, es gelingt mir nicht, meinen Geist zu sammeln ... Lange war ich untröstlich über diesen Mangel an Andacht, der mich verwunderte, denn ich liebe die Mutter Gottes so sehr, daß es mir leicht fallen sollte, zu ihren Ehren Gebete zu sprechen, die ihr wohlgefallen. Jetzt betrübe ich mich weniger, ich denke, die Himmelskönigin wird als meine Mutter meinen guten Willen sehen und sich damit zufrieden geben. 

Manchmal, wenn mein Geist sich in so großer Trockenheit befindet, daß es mir unmöglich ist, einen Gedanken zu fassen, der mich dem Lieben Gott vereinte, bete ich sehr langsam ein Vater Unser und darauf den Englischen Gruß; dann entzücken mich diese Gebete, sie nähren meine Seele weit mehr, als wenn ich sie hastig hundertmal hergesagt hätte ...

Das besondere "Lehre" der heiligen Therese besteht in dem "kleinen Weg", den Weg der Liebe in den kleinen Dingen des Alltag.

Ich habe immer danach verlangt, eine Heilige zu werden; aber ach! wenn ich mich mit den Heiligen verglich, stellte ich fest, dass zwischen ihnen und mir derselbe Unterschied besteht wie zwischen einem Berg, dessen Gipfel sich in die Himmel verliert, und einem unscheinbaren Sandkorn, über das die Füße der Leute achtlos hinwegschreiten; statt zu verzagen, sagte ich mir: 

Der Liebe Gott flößt keine unerfüllbaren Wünsche ein, ich darf also trotz meiner Kleinheit nach Heiligkeit streben; mich größer machen ist unmöglich; ich muss mich ertragen, wie ich bin, mit all meinen Unvollkommenheiten; aber ich will ein Mittel suchen, in den Himmel zu kommen, auf einem kleinen Weg, einem recht geraden, recht kurzen, einem ganz neuen kleinen Weg. 

Wir leben in einem Jahrhundert der Erfindungen, man nimmt sich jetzt die Mühe nicht mehr, die Stufen einer Treppe emporzusteigen, bei den Reichen ersetzt ein Fahrstuhl die Treppe aufs vorteilhafteste. Auch ich möchte einen Aufzug finden, der zu Jesus emporhebt, denn ich bin zu klein, um die beschwerliche Treppe der Vollkommenheit hinaufzusteigen. 

Ich suchte daher in den heiligen Büchern nach einem Hinweis auf den Fahrstuhl, den ich begehrte, und ich stieß auf die aus dem Munde der Ewigen Weisheit kommenden Worte: "Ist jemand ganz klein, so komme er zu mir." (Spr 9,4) So kam ich denn, ahnend, dass ich gefunden hatte, was ich suchte. 

Weil ich wissen wollte, o mein Gott! was du dem ganz Kleinen tätest, der deinem Ruf folgen würde, setzte ich meine Erkundungen fort und fand: - "Wie eine Mutter ihr Kind liebkost, so will ich euch trösten; an meiner Brust will ich euch tragen und auf meinen Knien wiegen!" (Jes 66,13.12) 

Ach! niemals sind zartere, lieblichere Worte erfreuend an meine Seele gedrungen; der Fahrstuhl, der mich bis zum Himmel emporheben soll, Deine Arme sind es, o Jesus!

(aus: Therese von Lisieux, Selbstbiographie, 2003, S. 214 f.)