Aussprüche des hl. Johannes M. Vianney, Pfarrer von Ars

 

SITTLICHES LEBEN

 

VOM MENSCHEN UND VOM WERT SEINER SEELE

 

Wir sind viel, und wir sind nichts. Nichts ist größer als der Mensch, und nichts kleiner als er. Es gibt nichts Größeres, wenn man seine Seele in Betracht zieht; nichts Kleineres aber, wenn man seinen Leib betrachtet. Und doch beschäftigt man sich mit seinem Leib, als ob man nur ihn zu besorgen hätte!

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Der liebe Gott hat uns erschaffen und in die Welt gesetzt, weil er uns liebt. Er will uns auch selig machen, weil er uns liebt. — Wie schön ist es, wie groß ist es, Gott zu kennen, zu lieben und ihm zu dienen! Nur das haben wir in dieser Welt zu tun. Alles, was wir außerdem tun, ist verlorene Zeit.

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Sucht der Fisch die Bäume und die Wiese? Nein; er bewegt sich lustig im Wasser. Verweilt der Vogel auf der Erde? Nein; er schwingt sich in die Lüfte. Und der Mensch, der erschaffen ist, um Gott zu lieben, Gott zu besitzen, Gott in sich zu haben, was wird er mit all den Kräften tun, die ihm dazu verliehen sind?

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Wir sind nur für einen ganz kleinen Augenblick auf der Erde. Zwar scheinen wir uns nicht von der Stelle zu rühren und doch gehen wir mit großen Schritten der Ewigkeit entgegen.

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Wenn wir unser Los recht begreifen würden, so könnten wir fast sagen, wir seien glücklicher als die Heiligen im Himmel. Sie leben nämlich von ihren früheren Einkünften und können nichts mehr verdienen. Wir aber sind imstande, jeden Augenblick unsere Schätze zu vermehren und Gott durch Leiden, Mühsale und Opfer zu verherrlichen.

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Viele gehen aus dieser Welt, ohne zu wissen, was sie darin eigentlich hätten tun sollen, und ohne sich je darum gekümmert zu haben.

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Wir haben immer zwei Geheimschreiber: den Teufel, der unsere bösen Handlungen aufschreibt, um uns einst zu verklagen, und den Schutzengel, der die guten aufschreibt, um uns am Tage des Gerichtes zu rechtfertigen.

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Der aus Liebe erschaffene Mensch kann ohne Liebe nicht leben: er liebt entweder Gott, die Welt oder sich selbst.

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Der Mensch hat einen schönen Beruf, den nämlich: zu beten und zu lieben. Betet also und liebet! Das ist die Glückseligkeit des Menschen auf Erden.

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Auf dieser Welt müssen wir arbeiten und kämpfen. Die Ewigkeit wird lange genug sein, um auszuruhen.

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Unsere Seele ist alles, unser Leib aber nur ein Haufen Moder. Geht auf den Kirchhof und seht da, was man liebt, wenn man nur seinen Leib liebt!

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Wir erkennen den Wert unserer Seele am besten an der Mühe, die sich der Teufel gibt, um sie zu verderben. Die Hölle verbündet sich gegen sie, der Himmel für sie. Oh, wie groß muß er doch sein!

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Die Erde ist zu klein, um unserer Seele das bieten zu können, was sie befriedigen könnte. Sie hat Hunger nach Gott und nur Gott kann sie erfüllen.

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Die ganze Welt kann eine unsterbliche Seele ebenso wenig befriedigen, als ein Fingerhut voll Mehl einen Hungrigen sättigen kann.

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Gott zu besitzen ist die Glückseligkeit der Glückseligkeiten. Diese Glückseligkeit läßt alles übrige vergessen.

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Viele widmen ihre Jugend dem Teufel und bloß ihre letzten Tage dem lieben Gott.