Aussprüche des hl. Johannes M. Vianney, Pfarrer von Ars

SITTLICHES LEBEN

 

ÜBER DIE ABTÖTUNG

 

In den Himmel wollen wir kommen, aber mit allen unseren Bequemlichkeiten. Nichts wollen wir entbehren und uns in keiner Hinsicht einschränken. Wir machen ganz das Gegenteil von dem, was die Heiligen getan haben, die sich auf jede Art abzutöten suchten.

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Der heilige Karl Borromäus hatte in seinem Zimmer ein schönes Kardinalsbett, das jedermann sehen konnte. Daneben aber war ein anderes aus Reisigbündeln, das man nicht sah. Nur in diesem schlief er. Er erwärmte sich nie. Seine Besucher bemerkten oft, daß er sich immer so weit vom Feuer entfernt hielt, daß er es nicht spüren konnte.

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Auf dem Wege der Selbstverleugnung fällt nur der erste Schritt schwer. Wer ihn aber einmal betreten hat, schreitet ganz von selber fort.

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Wir dürfen nie nach unserer bloßen Neigung handeln, sondern sollen immer nur das tun, was dem lieben Gott am meisten gefällt.

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Seine Einbildungskraft soll man mäßigen, sie nicht ungehemmt umherschweifen lassen. Man soll seine Augen, seinen Mund mäßigen. Manche haben immer etwas Süßes, etwas Angenehmes im Munde. Auch seine Ohren soll man mäßigen, ihnen nicht gestatten, ausgelassene Gesänge und unnütze Reden zu hören. Manche versehen sich so sehr mit Wohlgerüchen, daß sie ihrer Umgebung lästig werden. Endlich soll man seinen ganzen Leib mäßigen und in Zucht halten. Wie viele denken aber an nichts anderes als an ihr leibliches Wohlsein.

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O wie gut sind jene kleinen Abtötungen, die von niemand gesehen werden: wenn man z. B. eine Viertelstunde früher aufsteht oder in der Nacht einen Augenblick zum Gebet verwendet.

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Sehr nützliche Abtötungen sind auch: es sich versagen, am Ofen Wärme zu suchen; wenn man schlecht sitzt, nicht suchen, besser zu sitzen; wenn man sich in einem Garten ergeht, sich den Genuß einiger Früchte zu versagen, die besonders anlocken; bei den Mahlzeiten sich der Leckerbissen zu enthalten; auf den Anblick eines reizenden Gegenstandes zu verzichten, besonders in den Straßen der großen Städte.

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Wir müssen unser Herz dem Stolz, der Sinnlichkeit und allen übrigen Leidenschaften verschließen, gleichwie man die Türen und Fenster verschließt, damit niemand eindringen kann.

Wir haben nur unsern Willen als Eigentum; dieser ist das Einzige, was wir von uns selbst nehmen können, um es dem lieben Gott zu schenken. Daher ist ihm ein einziger Akt der Verzichtleistung auf den Willen wohlgefälliger, als wenn man dreißig Tage lang fastet.

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So oft wir unserm Willen entsagen, um den Willen anderer zu tun — sofern es dem Gesetze Gottes nicht widerstrebt — erwerben wir uns große Verdienste, die nur Gott allein bekannt sind. Was macht das Klosterleben so verdienstlich? Dies, daß man in jedem Augenblick seinem Willen entsagt; daß man beständig das abtötet, was in uns das Lebendigste ist. Ich habe oft gedacht, daß das Leben einer armen Dienstmagd, die keinen andern Willen hat als den ihrer Herrschaft, Gott ebenso wohlgefällig ist, als das Leben einer Nonne, die immer die Regel befolgt.

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Als ein Pfarrer darüber klagte, daß er das Herz seiner Pfarrkinder nicht umwandeln könne, sagte ihm Vianney: »Sie haben gebetet, Sie haben geweint, Sie haben geseufzt. Haben Sie aber auch gefastet, sind Sie auf dem harten Boden gelegen, haben Sie sich gegeißelt? Glauben Sie doch ja nicht, alles getan zu haben, so lange Sie das nicht tun!«