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Pfarrvikar Friedrich Karl Petersen

Priester des Bistums Soissons * 6. April 1904 Dortmund + 8. November 1944 KZ Dachau

Friedrich Karl Petersen wurde am 6.4.1904 als jüngster Sohn von neun Kindern in einer Handwerkerfamilie in Dortmund geboren. Schon in jungen Jahren prägten ihn leidvolle Erfahrungen. Im Alter von 15 Jahren verlor er seinen Vater; einige Jahre später verstarb seine Mutter.

Aus familiären und wirtschaftlichen Gründen konnte P. erst im vorgerückten Jugendalter mit einer höheren Schulausbildung beginnen. Nach dem Besuch der Stadtschule im saarländischen Fredeburg und des Dortmunder Stadtgymnasiums bestand er 1927 an der Missionsschule der Afrikamissionare (Weiße Väter) in Linz am Rhein das Abitur. Im Anschluß daran studierte er kath. Theologie an den Universitäten in Bonn, Tübingen und Münster. Vergeblich bemühte er sich Anfang der 30er Jahre bei mehreren Diözesen um eine Aufnahme in das Priesterseminar. Wegen der hohen Bewerberzahlen wurde er immer wieder abgewiesen.

Dank der Vermittlung von Förderern konnte er am 25.10.1935 in das von Dominikanern geleitete Theologenkonvikt Albertinum in Fribourg eintreten und an der dortigen kath. Universität mit einem Stipendium des französischen Bistums Soissons das Studium fortsetzen. Die Semesterferien verbrachte er häufiger bei seinen Geschwistern in Dortmund und pflegte enge Kontakte zur Propsteigemeinde. Nach dem Zeugnis von Propst Wilhelm Aufenanger zeichnete er sich durch regelmäßigen Gottesdienstbesuch und Sakramentenempfang und einen tadelsfreien Lebenswandel aus.

In Fribourg wurde P. am 27.3.1938 für das Bistum Soissons zum Priester geweiht. Seine Primiz feierte er am 18.4.1938 in der Propsteikirche in Dortmund. Vom Bischof der Diözese Soissons wurde ihm im Juni 1938 eine Stelle in der Pfarrei Cuisyen-Almont zugewiesen, die er am 15.8.1938 antrat. Vermutlich wegen der sich zuspitzenden außenpolitischen Lage erhielt er als deutscher Staatsbürger von den französischen Behörden keine Arbeitserlaubnis, sondern nur eine auf zwei Monate befristete Aufenthaltsgenehmigung. Auf einen erneuten Antrag hin fand er wider Erwarten in der Gemeinde Le Bourg d'Oisans in der Diözese Grenoble ein Betätigungsfeld. Hier eröffnete sich ihm die Aussicht auf eine Übernahme in den kirchlichen Dienst. Zunächst sah er sich aber durch den Kriegsausbruch zum Verlassen Frankreichs gezwungen und richtete nunmehr seine Hoffnung auf eine Anstellung in einer Schweizer Diözese. Wiederum waren es vornehmlich politische Gründe, die jetzt einem längeren Aufenthalt in der Schweiz entgegenstanden. Allen Widerständen zum Trotz gelang es ihm, mehrere Aufenthaltsverlängerungen zu erreichen; hingegen zeigte sich keine Diözese geneigt, ihn aufzunehmen, vielmehr wurde ihm eine Rückkehr nach Deutschland angeraten. In einem Polizeibericht vom 3.10.1942 findet sich hierzu der Vermerk: „Wenn den katholischen Kreisen wirklich daran gelegen wäre, ihm entgegenzukommen, dann hätte das in diesen drei Jahren geschehen können."

Ende Januar 1943 wurde P. aus der Schweiz ausgewiesen. Mit einem Einreisevisum betrat er nach einem vierjährigen Auslandsaufenthalt ungehindert wieder deutschen Boden. Fürs erste fand er eine Unterkunft bei seiner Schwester in Schmallenberg. Am 5.2.1943 stellte er sich im Erzbischöflichen Generalvikariat in Paderborn vor. Auf seine Bitte wurde er zum Vicarius substitutus an der Pfarrei St. Pankratius in Reiste (Sauerland) ernannt. Nichts deutete darauf hin, daß seine Verhaftung unmittelbar bevorstand.

Die Vikarsstelle in Reiste hat P. nicht mehr angetreten. Am 12.2.1943 wurde er verhaftet. Die Dachauer Akte nennt „belastende Korrespondenz" als Haftgrund, ohne daß diesbezüglich nähere und detaillierte Angaben gemacht werden. Wegen dieser P belastenden Schriftwechsel blieb er zunächst im Polizeigefängnis Fredeburg und wurde dann in das Bezirksgefängnis Karlsruhe gebracht. Vom 24.2. bis zum 27.6.1943 blieb er in Untersuchungshaft und wurde mehrmals verhört. Über die konkreten Haftgründe lassen sich kaum mehr als Vermutungen anstellen. Das Studium in Fribourg und sein Bestreben, den Priesterberuf im Ausland auszuüben, machten ihn in den Augen der Gestapo verdächtig genug. Gewichtiger dürfte der Vorwurf gewesen sein, daß er sich der Wehrpflicht habe entziehen wollen. Der Schutzhaftbefehl des Reichssicherheitshauptamtes erging am 27.5.1943 und enthielt den Zusatz, ihn vermutlich wegen der ihn belastenden Korrespondenz — in das KZ Dachau einzuweisen.

Wie aus dem Zugangsbuch Dachau und der Schreibstubenkartei hervorgeht, traf P. am 9.7.1943 im Lager ein. Er erhielt die Häftlingsnummer 45 595 und wurde im Priesterblock 26 untergebracht. P. blieb auch dort ein Fremder. Weder den deutschen noch den französischen Priestern war er bekannt. Gleichwohl rechnen ihn die Paderborner Autoren Gerhard Baumjohann, Ulrich Wagener und Friedrich Wilhelm Saal zu den Priestern des Erzbistums Paderborn. Über das Schicksal von P. im Lager konnte bisher nur wenig in Erfahrung gebracht werden. Nach einem Bericht, den der Paderborner Priester Gerhard Maashänser in einem Brief vom 20.9.1945 gegeben hat, hatte P. unter sehr langen Arbeitszeiten zu leiden. Die Freizeit verbrachte er in der Kapelle oder mit einem Buch. In Briefen, die er an seine Schwester gerichtet hat, bat er um das Gebet. Seine Briefe sind Zeugnisse der Glaubensgewißheit und der Ergebenheit in den Willen Gottes. In ihnen versuchte P, seinem Leiden einen religiösen Sinn zu geben: „Er lebt immer noch, wenn alles um uns her ins Wanken gerät." In diesen Worten sprach er aus, woher er die Kraft nahm, um seine Drangsal zu ertragen. Aus diesen Selbstzeugnissen erhellt seine Disposition zu dem ihm bevorstehenden Tod. Aus der Kraft seines Glaubens nahm P. das Unverfügbare an und unterstellte sich dem geheimnisvollen "Willen der göttlichen Vorsehung.

P. erkrankte im Herbst 1944 so schwer, daß er sich in das Krankenrevier begeben mußte. Er starb am 8.11.1944 an den Folgen der Entzündung des Dünn- und Dickdarms sowie an Herzschwäche, wie die Lagerleitung verlauten ließ. Sein Leichnam wurde — wie bei fast allen Opfern im KZ Dachau — verbrannt. Die Urne mit seiner Asche wurde von Vikar Heinrich Rupieper nach der Befreiung aus dem Lager in das sauerländische Schmallenberg gebracht und dort in der Priestergruft am 29.8.1945 beigesetzt. Ein von dem Bildhauer Bernd Hartmann gefertigtes Grabkreuz trägt die Zeichen Kelch und Stacheldraht als Symbole für das Leben und Sterben des Priesters P.

QQ: Erzbistumsarchiv Paderborn, Acta specialia, Pfarrei Reiste Nr. 1; Best. XXII, Parteipolitik, NSDAP, Verurteilte Priester der Erzdiözese Paderborn 1935-1942; Kommission für kirchliche Zeitgeschichte des Erzbisrums Paderborn, Akte F. K. P.

Lit.: Weiler, 516; Baumjohann, 731, 740; F. W. Saal, Der Todesweg eines Dortmunder Priesters ins Konzentrationslager, in: ThGl 75 (1985) 93-103; ders., „Zwischen sämtlichen Stühlen". Eine kirchenhistorische und kanonistische Fallstudie zum KZ-Tod des Paderborner Priesters F. K. R, in: Wagener, Erzbistum, 113-181; Wagener, Zeugen, 8-11; Hehl-Kösters, Priester4, 1203, 1193 (G. Maashänser), 1212 (H. Rupieper).

Peter Möhring