I. Deutsche Bistümer

1. BISTUM AACHEN

a) Diözesanpriester

 

1-1

Pfarrer Alexander Heinrich Alef

Priester des Bistums Aachen

* 2. Februar 1885 Köln

+ 16. Februar 1945 KZ Dachau

 

Alexander Alef stammte aus Bonn, wurde aber am 2.2.1885 in Köln geboren. Am 1.8.1909 wurde er zusammen mit 24 Diakonen von Kardinal Antonius Fischer in der Kapelle des Erzbischöflichen Priesterseminars zum Priester geweiht. Danach folgten Ernennungen zu meist kurzfristigen Diensten: am 15.10.1909 zum Hauskaplan in Fliesteden, Dekanat Bergheim; am 21.2.1910 zum Rektor am St. Antonius-Hospital in Köln-Bayenthal; am 14.10.1910 zum Vikar in Aldenhoven; am 25.8.1911 zum Vikar in Gerderath, Dekanat Erkelenz; am 2.9.1914 zum Rektor in Delhoven, Pfarre Hackenbroich, Dekanat Neuss.

Eine Erklärung für diese wechselnden Einsätze brachte die Personalchronik unter dem 10.9.1915:

Rektor A. wird „vom 15. d. M. an von seiner Stelle entbunden und zur Wiederherstellung seiner Gesundheit auf 6 Monate beurlaubt". Der Realschematismus der Diözese Aachen aus dem Jahre 1933 vermerkte, daß A. 1920 Hausgeistlicher im St. Josephskloster in Zündorf wurde. Am 8.5.1923 erfolgte die Ernennung von Rektor A., „bisher beurlaubt", zum Rektor in Holtorf, Pfarre Küdinghoven, Dekanat Königswinter. Aber auch dieser Dienst war nicht von langer Dauer, da unter dem 12.11.1925 A., „z.Z. Bonn, in den zeitweiligen Ruhestand versetzt" wurde. Die nächste Information über A.s Dienst erschien erst Jahre später. Am 20.10.1930 wurde die Ernennung von A., „zeitweilig emeritiert", „auf Grund besonderer Apostolischer Vollmacht" des Erzbischofs in Köln zum Pfarrer in Sievernich, Dekanat Zülpich", jetzt Bistum Aachen, mitgeteilt.

Die Schwierigkeiten unter dem neuen Regime begannen sehr bald, wie die Briefe A.s an das Generalvikariat Aachen bezeugen. Er wurde bei der NSDAP angeklagt und teilte am 2.2.1934 mit: „Der Angeber ist eines meiner Pfarrkinder (...) Dieser Mann, ein fanatischer Hitleranhänger, hat seit 1 1/2 Jahr alles getan, seinen Pastor ans Messer zu liefern. Schon im Vorjahr wurde ich mal zur Polizei und vor die NSDAP zitiert, weigerte mich aber zu erscheinen. Diesmal wurde mir die Anklage schriftlich zugestellt. Dieser [Mann] notiert mit Fleiß alle angeblichen Untaten des Pastors und klagt an. Der Bürgermeister von Vettweiß läßt als einsichtiger Mann das meiste im Papierkorb verschwinden, das größte Unglück wäre sonst schon geschehen. Hat der Pastor einen Jungen gestraft, dann kann es nur sein, weil der Junge zu einem Dienst bei der NSDAP abkommandiert war. Klagt der Pastor bei der heutigen Disziplinlosigkeit der Kinder: es wird auch einmal wieder anders, dann hat er das nur gesagt, weil er von der kommenden Röhm-Revolte wußte. Keine Verrücktheit ist verrückt genug, die NSDAP nimmt alle Klagen an. In der Gemeinde nimmt niemand den [Mann] ernst, niemand sieht diesen Mann für voll an (...)". Wenig später schrieb er am 12.2.1934: „Seit einem Jahr habe ich ein wahres Martyrium mitgemacht. (...) Diese ständigen Drohungen von dieser Seite, auch anonyme politische Schreiben haben mich so zermürbt, daß ich den Unterricht aus der Schule in die Kirche verlegt habe, um sicherer zu sein, und kaum mehr wage, ein Haus zu betreten. Die Gemeinde Sievernich ist friedlich und treu kirchlich und leidet wie der Pastor unter den Zuständen." Es seien eigentlich nur zwei oder drei Personen, die die genannten Schwierigkeiten bereiten würden.

Im Spätsommer erfolgte eine Beschwerde über den Pfarrer, weil er einem Jungen (wegen Störens in der hl. Messe) nicht die Kommunion gereicht hatte. Dazu A.: „Die NSDAP konnte keinen Würdigeren aus der Gemeinde mit dem Auftrag betrauen, den Pastor zu bespitzeln, als den [Mann], der sich auch offen des Auftrages seiner Partei rühmt." (6.9.1934)

In einem Schreiben des Bürgermeisters von Vettweiß vom 29.10.1934 wurde A. aufgefordert, zu fünf Vorwürfen Stellung zu nehmen:

„1. Am Sonntag, den 16. d.M., fand in Vettweiß Fahnenweihe der Gefolgschaftsfahne der Gefolgschaft 4 durch den Oberbannführer Pg. Krentzer statt. Mein Sohn, der im Jungvolk ist, wurde zu dieser Fahnenweihe kommandiert. Heute Morgen wurde der Junge dafür von dem Pastor Alef in Sievernich in der Kirche an den Ohren gezerrt und geschlagen (...)

2. Als mein Sohn in der Schule mit Heil Hitler grüßte, mußte er aus der Bank heraus und zur Strafe stehen."

Die weiteren Anschuldigungen bezogen sich auf angebliche Äußerungen von A., er werde das Denkmal, an dem eine HJ-Kundgebung stattgefunden hatte, in späterer Zeit neu weihen; er habe Schulkindern vor der Röhmrevolte angekündigt: „Jungens, die besseren Zeiten sind schon ganz nahe", und Kindern, die „am Heidenfeuer" (Sonnenwendfest) gewesen wären, Strafe angedroht.

Die ausführliche Entgegnung von A. vom 31.10.1934 hielt u.a. folgendes fest:

„ad 1. Es ist richtig: der Junge ist von mir gemaßregelt worden, aber nicht, weil er auf einer Fahnenweihe gewesen, sondern weil er an dem für die Kinder pflichtmäßigen Gottesdienst nicht teilgenommen [hat]. Ich kann es nicht riechen, daß der Junge zu einer Fahnenweihe kommandiert ist. Wie jedes andere Kind hat der Junge die Verpflichtung, bei seinem Pfarrer freizufragen. Will der Vater (...) nicht, daß sein Junge am Gottesdienst teilnimmt, muß er mir das mündlich oder schriftlich mitteilen. Dann bin ich frei, auch den anderen Kindern gegenüber, die dann nicht zu denken und sagen brauchen: dem (...) gegenüber wagt der Pastor nichts zu sagen.

ad 2. Der Junge hat nicht Heil Hitler gegrüßt, sondern Heil Hitler in die Klasse gerufen aus Ungezogenheit und dabei triumphierend sich umgeschaut und Beifall gesucht bei den anderen, die das auch mit Grinsen quittierten (...)"

Das Verhalten des Pfarrers ist von Fettweis als Beispiel für „in seiner Form mitunter pädagogisch unkluges Beharren auf dem priesterlichen Erziehungsrecht" beschrieben worden. Die Ursachen für die Spannungen lagen jedoch tiefer, wie sich aus dem Schreiben des Regierungspräsidenten an den Bischof von Aachen vom 17.10.1935 entnehmen läßt:

„(...) Das Gesamtverhalten des Pfarrers läßt eine so starke Abneigung gegen die neue politische Führung, verbunden mit einer tiefen seelischen Depression, erkennen, daß ich Eure Exzellenz bitte zu erwägen, daß Pfarrer Alef seinen Wirkungsort wechselt und durch eine Persönlichkeit ersetzt wird, welcher auch von staatswegen der Religionsunterricht unbedenklich anvertraut werden könnte. Eine Entziehung des Religionsunterrichtes Herrn Pfarrer Alef gegenüber erscheint mir nach den vorliegenden Berichten unvermeidlich (..)".

Zu diesem Schreiben gibt es eine Stellungnahme von A. an den Dechanten Huppertz vom 29.10.1935: „1. Es ist wahr, im Juni v. Js., habe ich den Religionsunterricht in die Kirche verlegt. Der Lehrer hatte eine Anzeige gegen mich gemacht."

Nach einer Besprechung mit dem Landrat in Düren hatte sich A. bereit erklärt, „nach den Ferien den Unterricht in der Schule wieder aufzunehmen (..). Am 30.4. bin ich zu meiner schulplanmäßigen Stunde erschienen. Was in der Schule geschehen ist, brauchte nicht so zu sein. Der Lehrer hatte die Kinder unter Strafe gestellt, wenn sie nicht mit Heil Hitler grüßten. Er selbst stellte sich mit in die Reihe, um die Aktion zu leiten und zu beaufsichtigen. Diese Scene war unwürdig und für mich äußerst demütigend. Es ist ganz unwahr, daß ich gesagt haben soll, solange dieser Gruß in der Schule erklinge, werde ich sie nicht mehr betreten. In der Schule habe ich überhaupt nichts gesagt. Auf dem Schulhof habe ich zum Lehrer fast weinend wörtlich gesagt: Herr Lehrer, war das notwendig? Konnten Sie das nicht etwas anders einrichten? (..)

Wahr ist das von der tiefen seelischen Depression. Die politische Berichterstattung von Sievernich her ist, wie auch aus dem Schreiben der Regierung hervorgeht, so einseitig, schief, zu bestimmten Zwecken aufgestellt, daß es nicht wundernimmt, wenn der Pastor erklärt, er fühle sich verfolgt."

Später ist eine gewisse Aussöhnung mit dem Lehrer erfolgt. Die Überlegungen von A. bezüglich der Schule gingen hin und her, ein Zeichen auch der nervlichen Erschöpfung. Im November 1935 hielt er sich zur Erholung für zwei oder drei Wochen in Unkel a.Rh. auf. Am 23.11.1935 erfolgte der Entzug der Zulassung zum Religionsunterricht durch den Regierungspräsidenten. A., wieder in Sievernich, wehrte sich am 3.12.1935 gegen die Unterstellungen im Schreiben des Regierungspräsidenten und schloß mit den Worten: „Meine Gemeinde (..) ist mir gut gesinnt und würde es schmerzlich bedauern, wenn der Pastor ein Opfer dieser schweren Zeit würde."

An einem Sonntag 1943 forderte A. die Kinder in der Predigt auf, gefälligst vor der Versammlung der HJ zum Religionsunterricht zu kommen. Danach empfing ihn seine Haushälterin, Frl. Gertrud Lüssem, mit den Worten: „Diese Predigt hat für Sie sicherlich noch Folgen." Zwei Tage später erschien die Gestapo und verhörte die Kinder, die angehalten wurden, die belastenden Aussagen zu unterschreiben. Anschließend durchsuchten sie alle Zimmer des Pastorats. Weitere zwei Tage später erhielt der Pfarrer ein Tätigkeitsverbot. Daraufhin verließ er den Ort und fand Aufnahme in einem Kloster im Westerwald, wo er sich in regelmäßigen Abständen bei der Polizei zu melden hatte. Nach zweimonatigem Aufenthalt mußte er auch dieses Kloster verlassen und kam nach Kloster Niederau, wiederum mit der Auflage der regelmäßigen polizeilichen Meldung.

Der damalige Chefarzt des Birkesdorfer Krankenhauses, Dr. Schüller, schrieb A., der etwa 10 Leiboperationen hinter sich hatte, mehrmals haftunfähig. Er bot ihm auch an, bei seiner Mutter im benachbarten Ausland zu leben. Nach den Aussagen von Frl. Lüssem lehnte Pfr. A. aber dieses Angebot ab.

Josef Räder, mit A. freundschaftlich verbunden, berichtete: „Im September 1944 wurde Pfarrer Alef von der Gestapo abgeholt und nach Aachen zum Adalbertsteinweg ins Gefängnis gebracht. Von dort brachte man ihn in ein großes Gefangenenlager nach Köln, wo er seinen Bruder Dr. Alef aus Bonn traf. Frl. Lüssem und Thekla Conein haben ihn dort letztmalig besucht und überbrachten ihm Medikamente und Lebensmittel. Danach war nur noch zu erfahren, daß er nach Dachau gekommen sei." Dort hatte er nach Informationen des Neffen von Frl. Lüssem die Häftlingsnummer 137 367. Die postalische Anschrift lautete: 136 Dachau 3. K Block 17/4.

Domkapitular Nikolaus Jansen, selbst vier Jahre Häftling im KZ Dachau, berichtete im August 1945 über die letzte Zeit von A.: „Daten weiß ich nicht genau über das Eintreffen und den Tod des Herrn Pfr. Alef. Als er eintraf, war bei den Helfern, die die Personalien der Ankömmlinge notierten für die Registratur, ein P. Ulrich, durch den Herr Alef sofort meinen Besuch erbat. Alle Ankömmlinge kamen zuerst in den sog. Aufnahmeblock, für etwa 3 Wochen. Obschon ein Besuch dort nicht gestattet war, habe ich den Weg zu ihm gefunden und ihm von meinem Paketinhalt mitgenommen. Er befand sich wohl, nur machte ihm viel zu schaffen sein Bruchleiden, dann der totale Mangel an Diätspeise und die riesige Überfüllung des Raumes - auch wir lagen zuletzt zu 350 Menschen in einem Tagesraum von 5 zu 6 m also 30 qm Größe. Ähnlich war es auch bei ihm. Diesen Umständen ist sein Tod zuzuschreiben in Verbindung mit dem Mangel jeglicher ärztlicher Behandlung und der Medikamente.

Da auf dem Aufnahmeblock (Holzbaracke) Typhusfälle auftraten, wurde die Absperrung so streng, daß ich nicht mehr zum Konfrater Alef hinkonnte. Wohl konnte ich ihm noch mehrere Male von meinen Gaben zukommen lassen. Gesehen habe ich ihn erst nach seinem Ableben. Da wir (geheim) in jedem Block jemanden hatten, der die hl. Kommunion überbrachte, ist er nicht ohne die Sterbesakramente gestorben. Wir haben seine Leiche aufgebahrt und eingesegnet, was auch nur von Fall zu Fall möglich war durch Hergabe von Rauch- und Nahrungsmaterial an die Bedienungshäftlinge. Ich selbst habe die Einsegnung der Leiche - es war im März, oder sogar Anfang April d.J. - vorgenommen, bei uns im Priesterblock, wohin Alef wegen des Typhus nicht mehr hinkam, ein Exequialamt und einen Nachruf gehalten über Lebenslauf und Wirksamkeit. Seine Leiche wurde wie üblich verbrannt. Eine Überlassung der Urne ist zwecklos, da immer bis zu 12 Leichen zugleich verbrannt wurden, jede Stunde ca. 50 in den vier Öfen mit je 3 Rosten, wobei die Aschenüberreste überhaupt nicht gesondert wurden. Pfr. i. R. Alef war m.W einer der allerletzten, wenn nicht der letzte Priester überhaupt, der in Dachau infolge der herrschenden Verhältnisse umkam. R. i. P."

Auf Antrag von Pfr. Trimborn wurde am 21.10.1960 von der Gemeindevertretung Sievernich beschlossen, die bisherige Kirchstraße am Pfarrhaus vorbei in „Pfarrer-Alef-Straße" umzubenennen.

QQ: HStAD, RW 35-8, Bl. 137; Bischöfliches Diözesanarchiv Aachen, PA; KA, 1909ff.; Realschematismus der Diözese Aachen, 1933; Pfarramt St. Johann B., Sievernich; schriftl. und mdl. Mitteilungen von Josef Räder, Sievernich.

Lit.: Weiler, 103; Fettweis, 172f.; Hehl-Kösters, Priester3, 258; Hehl-Kösters, Priester1,1971.

Herbert Arens

 

Entnommen aus dem Buch

"Zeugen für Christus"

Das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts