Dritter Zehner

Vortrefflichkeit des heiligen Rosenkranzes in der Betrachtung des Lebens und Leidens unseres Herrn Jesus Christus

 

 

EINUNDZWANZIGSTE ROSE

Die fünfzehn Geheimnisse des Rosenkranzes

Ein Geheimnis ist eine heilige und schwer verständliche Sache. Die Werke Jesu Christi sind alle heilig und göttlich, weil er Gott und Mensch zugleich ist. Jene der Allerseligsten Jungfrau sind sehr heilig, denn sie ist das vollkommenste aller bloßen Geschöpfe. Mit Recht nennt man die Werke Jesu und Mariä Geheimnisse, denn sie sind voll von Wundern, Vollkommenheiten und hohen und erhabenen Lehren, die der Heilige Geist den demütigen und einfachen Seelen, welche sie verehren, offenbart. Man kann die Werke Jesu und Mariä auch wunderbare Blumen nennen, deren Duft und Schönheit nur jenen bekannt sind, die sich ihnen nähern, ihren Duft einatmen und ihre Blüten durch aufmerksame und ernste Betrachtung erschließen.

Der heilige Dominikus hat das Leben Jesu und Mariä in fünfzehn Geheimnisse eingeteilt, die uns ihre Tugenden und ihre hauptsächlichsten Taten wie in fünfzehn Bildern darstellen, deren einzelne Züge uns für unsere Lebensführung Richtschnur und Beispiel sein sollen. Es sind fünfzehn hellstrahlende Leuchten, die unsere Schritte in dieser Welt lenken sollen; fünfzehn Brennspiegel, um Jesus und Maria und uns selbst kennenzulernen und das Feuer ihrer Liebe in unseren Herzen zu entzünden; fünfzehn Glutöfen, um uns in ihren himmlischen Flammen gänzlich zu verzehren.

Die Allerseligste Jungfrau hat den heiligen Dominikus diese vortreffliche Gebetsweise gelehrt und ihm befohlen, sie zu predigen, um die Frömmigkeit der Christen zu wecken und die Liebe Jesu Christi in ihren Herzen wieder zu beleben. Sie lehrte dieselbe auch dem seligen Alanus de Rupe.

"Es ist ein sehr nützliches Gebet, sagte sie zu ihm, ein Dienst, der mir sehr angenehm ist, hundertfünfzigmal den Engelsgruß zu beten. Er ist es mir noch mehr, und man tut noch viel besser daran, wenn man ihn unter Betrachtung des Lebens, Leidens und der Glorie Jesu Christi betet, denn die Betrachtung ist die Seele dieser Gebete."

In der Tat wäre der Rosenkranz ohne die Betrachtung der heiligen Geheimnisse unseres Heiles fast wie ein Körper ohne Seele, eine vortreffliche Materie ohne ihre Form, durch die sie von den übrigen Andachtsübungen sich unterscheidet.

Der erste Teil des Rosenkranzes enthält fünf Geheimnisse:

1. Die Verkündigung durch den Erzengel Gabriel;

2. Die Heimsuchung Mariä bei Elisabeth;

3. Die Geburt Jesu Christi;

4. Die Darstellung Jesu im Tempel und die Reinigung Mariä;

5. Die Auffindung Jesu im Tempel unter den Gelehrten.

Man nennt diese Geheimnisse die freudenreichen wegen der Freude, die sie der ganzen Welt bereitet haben.

Die Allerseligste Jungfrau und die Engel wurden in dem Augenblick von Freude erfüllt, da der Sohn Gottes Fleisch annahm.

Die heilige Elisabeth und der heilige Johannes der Täufer waren voll Freude über den Besuch Jesu und Mariä.

Himmel und Erde freuten sich bei der Geburt des Erlösers.

Simeon wurde getröstet und mit Trost erfüllt, als er Jesus in seine Arme empfing.

Die Gelehrten waren von Bewunderung entzückt, als sie die Antworten Jesu vernahmen; und wer will die Freude beschreiben, die Maria und Josef empfanden, als sie Jesus nach dreitägigem Verluste wiederfanden?

Der zweite Teil des Rosenkranzes besteht auch aus fünf Geheimnissen, die man die schmerzensreichen nennt, weil sie uns Jesus Christus von Traurigkeit niedergedrückt, mit Wunden bedeckt, mit Schmach beladen, voll Schmerzen und Qual vor Augen stellen.

1. Jesu Gebet und Todesangst im Ölgarten.

2. Die Geißelung Jesu.

3. Die Dornenkrönung Jesu.

4. Die Kreuztragung Jesu.

5. Die Kreuzigung Jesu und sein Tod auf Kalvaria.

Der dritte Teil des Rosenkranzes enthält fünf andere Geheimnisse, die man die glorreichen nennt, weil wir darin Jesus und Maria im Triumph und in der Glorie betrachten.

1. Die Auferstehung Jesu Christi.

2. Die Himmelfahrt Jesu.

3. Die Herabkunft des Heiligen Geistes auf die Apostel.

5. Die Krönung Mariä im Himmel.

Das sind also die fünfzehn duftenden Blüten des mystischen Rosenstrauches, auf die sich die frommen Seelen gleich klugen Bienlein niederlassen, um daraus den wunderbaren Saft zu saugen und den Honig echter Andacht zu bereiten.