ACHTUNDZWANZIGSTE ROSE

Heilsame Früchte, die durch die Betrachtung des Leidens Christi hervorgerufen werden

Der heilige Augustin versichert, es gebe keine für das Seelenheil wirksamere und nützlichere Übung, als oft an die Leiden unseres Heilandes zu denken.

Dem sei. Albert dem Großen, dem Lehrer des heiligen Thomas, ward geoffenbart, daß die bloße Erinnerung oder Betrachtung des Leidens Jesu Christi für den Christen verdienstlicher sei, als ein Jahr lang jeden Freitag bei Wasser und Brot zu fasten oder alle Wochen sich bis aufs Blut zu geißeln oder jeden Tag das Psalterium (die 150 Psalmen) zu beten. Wie groß ist infolgedessen das Verdienst des Rosenkranzes, der das Gedächtnis des ganzen Lebens und Leidens unseres Herrn in sich schließt!

Die Gottesmutter offenbarte eines Tages dem seligen Alanus, daß es nach dem heiligen Meßopfer, welches die erste und lebendigste Gedächtnisfeier des Leidens Jesu Christi ist, keine ausgezeichnetere und verdienstlichere Andacht als den Rosenkranz gebe, der gleichsam eine zweite Gedächtnisfeier und eine zweite Darstellung des Lebens und Leidens Jesu Christi ist.

P. Dorland berichtet, die Mutter Gottes habe eines Tages dem ehrwürdigen Kartäuser P. Dominikus, einem Verehrer des Rosenkranzes in Trier, im Jahre 1481 gesagt: "Jedesmal, wenn ein Gläubiger im Gnadenstande den Rosenkranz mit Betrachtung der Geheimnisse des Lebens und Leidens Jesu Christi betet, erhält er die volle und ganze Nachlassung aller seiner Sünden."

Sie sagte auch zum seligen Alanus: "Wisse, obschon meinem Rosenkränze so viele Ablässe verliehen sind, so werde ich doch für jeden Rosenkranz noch viel mehr hinzufügen für jene, die ihn ohne schwere Sünde andächtig auf den Knien beten, und wer immer in der Andacht zum heiligen Rosenkranz verharrt, dem werde ich in seiner Todesstunde zur Belohnung für diesen treuen Dienst volle Vergebung aller seiner Sündenstrafen und aller seiner Sündenschuld erlangen. Und das soll dir nicht unglaubwürdig erscheinen; es ist mir leicht, denn ich bin die Mutter des Königs der Himmel und heiße voll der Gnade, und da ich voll der Gnade bin, werde ich sie über meine geliebten Kinder reichlich ausgießen."

Der heilige Dominikus war so sehr von der Wirksamkeit und dem Verdienst des heiligen Rosenkranzes überzeugt, daß er seinen Beichtkindern fast keine andere Buße auferlegte, wie wir in der obigen Erzählung von jener frommen Frau zu Rom gehört haben, welcher er einen einzigen Psalter zur Buße gab.

Um sicher in den Fußstapfen dieses großen Heiligen zu wandeln, sollten die Beichtväter ihren Beichtkindern viel mehr den Rosenkranz mit Betrachtung der Heiligen Geheimnisse auferlegen als andere Bußwerke, die nicht so verdienstlich sind, nicht so gottgefällig, den Seelen zum Fortschritt in der Tugend weniger behilflich, und weniger wirksam, sie vor dem Rückfall in die Sünde zu bewahren. Überdies gewinnt man durch den Rosenkranz eine Menge von Ablässen, die nicht mit vielen anderen Andachtsübungen verbunden sind.

"Gewiß", sagt der ehrwürdige Blosius, "ist der Rosenkranz mit den Betrachtungen des Lebens und Leidens Jesu Christi dem göttlichen Heiland und seiner heiligsten Mutter sehr wohlgefällig, und sehr wirksam, alle Gnaden zu erlangen. Wir können ihn sowohl für uns als auch für jene, die uns empfohlen wurden, und für die ganze Kirche beten. Nehmen wir doch Zuflucht zur Andacht des heiligen Rosenkranzes in allen unseren Bedürfnissen, und wir werden unfehlbar erlangen, was wir von Gott für unser Seelenheil erbitten."