ZEHNTE ROSE

Durch den Rosenkranz erlangte Wunder

Als der heilige Dominikus in Carcassonne diese Andacht predigte, zog ein Irrlehrer die Wunder und die fünfzehn Geheimnisse des heiligen Rosenkranzes ins Lächerliche, was die Bekehrung der Irrgläubigen verhinderte. Um diesen Gottlosen zu strafen, ließ Gott zu, daß fünfzehntausend Teufel seinen Körper in Besitz nahmen. Seine Familie aber führte ihn vor den Heiligen, damit er ihn von den bösen Geistern befreie. Er begann zu beten und ermahnte die Versammelten, mit ihm laut den Psalter zu beten, und siehe da, bei jedem Ave Maria bewirkte die heiligste Jungfrau, daß je hundert Teufel in Form von glühenden Kohlen den Körper des Irrlehrers verließen. Nachdem er befreit war, schwur er seinen Irrtümern ab, bekehrte sich und ließ sich in die Bruderschaft des heiligen Rosenkranzes aufnehmen samt mehreren seiner Partei, die angesichts dieser Strafe und der Kraft des heiligen Rosenkranzes bekehrt worden waren.

Der gelehrte Karthagena aus dem Orden des heiligen Franziskus sowie mehrere andere Autoren berichten folgendes. Als im Jahre 1475 der ehrwürdige Prior Jakob Sprenger O.Pr. und seine Ordensgenossen mit großem Eifer an der Wiederherstellung der Rosenkranzbruderschaft in der Stadt Köln arbeiteten, versuchten zwei berühmte Prediger aus Eifersucht über die großen Erfolge, die Andacht des heiligen Rosenkranzes in ihren Predigten herabzusetzen. Und weil sie begabt waren und großes Ansehen genossen, hielten sie viele Leute davon ab, in die Bruderschaft einzutreten.

Der eine dieser Prediger bereitete eine eigene Predigt vor, um das Ziel seines verderblichen Planes besser zu erreichen, und kündigte sie auf einen Sonntag an. Als die Stunde gekommen war, erschien kein Prediger; man wartete, suchte ihn und fand ihn endlich; er war ohne Beistand plötzlich gestorben.

Der andere Prediger redete sich ein, dieser Unfall sei ganz natürlich und entschloß sich, an seiner Stelle alles aufzubieten, um die Rosenkranzbruderschaft abzuschaffen. Als der Tag und die Stunde der Predigt gekommen war, schlug Gott diesen Prediger mit einer Lähmung, die ihm den Gebrauch der Sprache raubte. Er erkannte seine Schuld und die seines Genossen, nahm in seinem Herzen Zuflucht zur seligsten Jungfrau und versprach ihr, mit derselben Kraft allüberall den Rosenkranz zu predigen, wie er ihn bisher bekämpft hatte. Er bat sie, ihm dafür die Gesundheit und die Sprache wieder zu verleihen, was die gütigste Mutter ihm gewährte, und plötzlich geheilt, erhob er sich wie ein zweiter Saulus, aus einem Verfolger in einen Verteidiger des heiligen Rosenkranzes umgewandelt. Er leistete öffentliche Genugtuung für seine Schuld und predigte mit großem Eifer und Beredsamkeit die Vortrefflichkeit des heiligen Rosenkranzes.

Ich zweifle nicht daran, daß die Freigeister und Kritiker unserer Zeit, welche die Erzählungen dieser kleinen Abhandlung lesen werden, sie in Zweifel ziehen, wie sie es immer getan haben, obwohl ich nichts anderes tat, als sie zum Teil von sehr bewährten Autoren unserer Zeit und zum Teil aus einem Buche zu übernehmen, das vor kurzem von P. Antonius Thomas O.Pr. unter dem Titel "Der geheimnisvolle Rosenstrauch" herausgegeben wurde.

Wie bekannt, gibt es drei verschiedene Arten, einem Berichte Glauben zu schenken. Den Erzählungen der Heiligen Schrift schulden wir göttlichen Glauben; den Profangeschichten, die der Vernunft nicht widersprechen und von zuverlässigen Schriftstellern geschrieben sind, menschlichen Glauben; den frommen Erzählungen, die von bewährten Autoren berichtet werden und auf keine Weise weder der Vernunft, noch dem Glauben, noch den Sitten widersprechen, wären sie auch manchmal außerordentlich, frommen Glauben.

Ich gestehe, daß man weder zu leichtgläubig noch zu kritisch sein darf und in allem den Mittelweg einthalten muß, um den Kern der Wahrheit und der Tugend zu finden; aber ich weiß auch, daß, gleichwie die Liebe alles, was dem Glauben und den Sitten nicht zuwider ist, leicht glaubt: Caritas omnia credit: "Die Liebe glaubt alles" (1 Kor 13,7). So neigt der Stolz dazu, fast alle noch so sehr begründeten Geschichten zu leugnen, unter dem Vorwande, sie stehen nicht in der Heiligen Schrift.

Es ist dies der Fallstrick Satans, in den die Irrlehrer gefallen sind, welche die Überlieferung leugnen, und in den die Kritiker unserer Zeit alle unvermerkt fallen, indem sie nicht glauben, was sie nicht verstehen oder was ihnen nicht einleuchtet, ohne irgendeinen anderen Grund dafür zu haben, als den Stolz und Dünkel ihres Geistes. (Der heilige Verfasser nennt mit obiger Lehre eines der Merkmale, woran man erkennt, ob eine Seele vom Geiste Gottes oder vom bösen oder menschlichen Geiste geleitet ist.)