36. Betrachtung

Von der Gleichförmigkeit mit dem Willen Gottes

 

3. Punkt

Wer mit dem göttlichen Willen vereint ist, genießt schon auf dieser Welt einen beständigen Frieden: Nichts wird den Gerechten betrüben, was immer ihm auch widerfährt. (Spr 12,21) So ist es; denn eine Seele kann keine größere Freude haben, als wenn sie alles das, was sie will, in Erfüllung gehen sieht. Wer nichts anders will, als was Gott will, hat immer das, was er will; denn alles, was geschieht, geschieht nach dem Willen Gottes. Werden die ergebenen Seelen, spricht Salvianus, gedemütiget, so ist es ihnen lieb; leiden sie Armut, so wollen sie arm sein; mit einem Worte, es ist ihnen alles recht, was geschieht, und deshalb führen sie ein glückliches Leben: „Werden sie gedemütiget, so wollen sie dies, sind sie arm, so erfreuen sie sich der Armut; folglich sind sie selig zu nennen." In Hitze oder Kälte, in Regen oder Wind, spricht der, wer mit dem Willen Gottes vereint ist, ich will diese Hitze, diese Kälte, diesen Regen etc., weil es Gott so will. Tritt ein Verlust ein oder eine Verfolgung, meldet sich eine Krankheit an oder naht der Tod, so sagt der Gottergebene: ich will armselig, verfolgt, krank sein, auch der Tod ist mir willkommen, weil es Gott so will. Wer in Gottes Willen ruht, und sich alles Wohlgefallen läßt, was der Herr tut, der ist gleichsam über den Wolken; er sieht zwar die Stürme, die da unten toben, aber er wird weder verletzt, noch verwirrt. Dies ist, wie der Apostel sagt, jener schöne Friede, der allen Verstand übertrifft (Phil 4,7), welcher alle Ergötzlichkeiten der Welt übersteigt und standhält, so daß er keinen Wechsel erleidet. Ein Narr verändert sich wie der Mond, der Weise bleibt in der Weisheit wie die Sonne (Eccl 27,12) Der Tor, das ist der Sünder, verändert sich wie der Mond, welcher heute zunimmt und morgen abnimmt; heute sieht man ihn lachen, morgen weinen, heute ganz munter, morgen betrübt und wütend; kurz, er verändert sich, je nach dem Wechsel von Glück oder Unglück, das ihm begegnet. Der Gerechte aber ist wie die Sonne, immer gleich und einförmig in seiner Ruhe bei allem, was geschieht; denn sein Friede steht fest in der Ergebung in den göttlichen Willen: Friede den Menschen auf Erden, die eines guten Willens sind. (Lk 2,14) Wenn die heilige Maria Magdalena von Pazzis von dem Willen Gottes reden hörte, fühlte sie sich so sehr getröstet, daß sie aus Liebe entzückt außer sich geriet. Es wird zwar bei den mannigfaltigen Widerwärtigkeiten dieses Lebens einige Unruhe in dem unteren Teile der Seele sich fühlen lassen, jedoch in dem oberen Teile wird beständig Ruhe herrschen, so lange unser Wille mit dem göttlichen Willen vereint ist: Eure Freude wird euch von niemanden genommen werden. (Joh 16,22) Wie groß aber ist die Torheit derjenigen, die sich dem Willen Gottes widersetzen! Was Gott verlangt, muß ohneweiters erfüllt werden: denn wer widersteht seinem Willen. (Röm 9,16) Daher müssen diese Unglückseligen das Kreuz tragen, aber ohne Verdienst und ohne Ruhe: Wer hat sich ihm widersetzt und Friede gehabt? (Job 9,4)

Und was will denn Gott anders, als unser Bestes? Denn eure Heiligung ist Gottes Wille. (1 Thess 4,3) Er will uns heilig machen, um uns in diesem Leben zufrieden und im anderen selig zu sehen. Wir sollen wissen, daß die Kreuze, die Gott über uns schickt, alle zu unserem Guten mitwirken. (Röm 8,28) Auch die allgemeinen Bedrängnisse dieser Welt kommen nicht zu unserem Unglücke, sondern damit wir uns bessern und die ewige Glückseligkeit uns erwerben. Wir sollen glauben, daß es zu unserer Besserung, nicht zu unserem Verderben geschehen sei. (Jdt 8,27) Gott liebt uns sehr, daß er das Glück eines jeden von uns nicht nur wünscht, sondern auch darum besorgt ist: Der Herr sorgt für mich. (Ps 39,18) Und was könnte wohl der Herr uns versagen, nachdem er seinen eigenen Sohn uns geschenkt hat? Er hat seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle dargegeben: Wie, hat er denn nicht mit ihm uns alles gegeben? (Röm 8,32) Überlassen wir uns also immerhin der Hand eines Gottes, der stets für unser Wohl besorgt ist, so lange wir in diesem Leben uns befinden. Werfet alle eure Besorgnisse auf ihn, denn er sorget für euch. (1 Petr 5,7) „Denke du an mich, sprach der Herr zur heiligen Katharina von Siena, und ich werde jederzeit an dich denken." Sagen wir oft mit der heiligen Braut: Mein Geliebter ist mein, und ich bin sein. (Hld 2,16) Mein Geliebter denkt auf mein Wohl, und ich will bedacht sei, nur ihm zu gefallen und mich mit seinem heiligen Willen zu vereinigen. „Wir sollen nicht bitten", lehrte der Abt Nilus, „daß Gott tue, was wir wollen, sondern daß wir tun, was er will."

Wer es so macht, dessen Leben wird glücklich und sein Tod heilig sein. Wer stirbt ganz ergeben in den göttlichen Willen, der läßt bei den Zurückbleibenden eine moralische Gewißheit von seiner Seligkeit zurück. Wer aber im Leben mit dem göttlichen Willen nicht eins ist, wird es auch im Tode nicht sein, und nicht selig werden. Damit wir uns daher mit dem Willen Gottes stets vereinigt erhalten mögen, so suchen wir uns recht vertraut zu machen mit den Sprüchen aus der heiligen Schrift: Herr, was willst du, daß ich tue? Herr, sage mir, was du von mir begehrest, ich will alles tun. Siehe, ich bin eine Magd des Herrn. Siehe, meine Seele ist deine Dienerin, tue also damit, was dir gefällig ist: ich gehöre dir an und nicht mehr mir. Wann ein etwas bedeutender Unfall sich ereignet, so wollen wir alsogleich sprechen: Ja, Vater, also hat es dir gefallen. (Mt 11,26) Mein Gott, so war es dir gefällig, so geschehe es. Am allerliebsten sei uns die dritte Bitte im Gebete des Herrn: Dein Wille geschehe. Sagen wir sie mit Liebe und wiederholen wir sie oft und vielmal. Glücklich sind wir, wenn wir leben und sterben mit den Worten: Es geschehe dein Wille.

 

Anmutungen und Bitten

O Jesu, mein Erlöser! du hast am Kreuze aus Übermaß der Schmerzen dein Leben geendet, um dadurch die Quelle meines Heiles zu werden: erbarme dich also meiner und mache mich selig: und laß nicht zu, daß eine mit so vielen Leiden und so großer Liebe von dir erlöste Seele dich auf ewig in der Hölle hassen sollte. Du konntest nicht mehr tun, um mich zur Liebe gegen dich zu verpflichten, und wolltest es mir zu verstehen geben, indem du sterbend auf Kalvaria diese liebreichen Worte sagtest: Es ist vollbracht. Wie aber habe ich deine Liebe bisher vergolten? Ich kann wohl mit Recht sagen, daß ich in der Vergangenheit nicht mehr tun konnte, um dich zu beleidigen und dich zum Zorne gegen mich zu reizen. Ich danke dir, daß du mich mit so großer Geduld ertragen hast und mir noch Zeit schenkest, mein Gewissen zu heilen, ehe ich sterbe.

Ja, ich will dich lieben und will dich recht innig lieben, mein Erlöser, mein Gott, meine Liebe und mein Alles! Ich will alles tun nach deinem Wohlgefallen und ich schenke dir meinen ganzen Willen und meine ganze Freiheit, kurz alles, was mein ist. Auch opfere ich dir von dieser Stunde an auch mein Leben und nehme jenen Tod an, den du mir senden wirst, samt allen Schmerzen und Umständen, die ihn begleiten werden. Ich vereinige von nun an dies mein Opfer mit jenem großen Opfer, das du, mein Jesu! am Kreuze dargebracht, da du dein Leben für mich hingegeben! Ich will sterben, um deinen Willen zu tun. Ach, durch die Verdienste deines Leidens schenke mir diese Gnade, daß ich Zeit meines Lebens deinem Willen stets ergeben bleibe, und kommt der Tod, so laß mich ihn mit einer gänzlichen Gleichförmigkeit mit deinem heiligen Wohlgefallen umarmen! Ich will sterben, mein Jesu! um dir wohlzugefallen, ich verlange zu sterben mit den Worten: Dein Wille geschehe. Maria, meine Mutter, also starbst du, ach erflehe mir, daß auch ich also sterbe!

 

Es lebe

Jesus, unsere Liebe!

und

Maria, unsere Hoffnung!