36. Betrachtung

Von der Gleichförmigkeit mit dem Willen Gottes

 

2. Punkt

Wir müssen uns ergeben nicht nur in jenen Widerwärtigkeiten, die uns geradezu von Gott kommen, als da sind die Krankheiten, Trostlosigkeiten des Geistes, Verlust des Vermögens oder der Verwandten, sondern auch in jenen, die uns zwar von Gott zukommen, allein mittelbar, nämlich mittelst der Menschen, wie z. B. die Beschimpfungen, die Verachtungen oder ungerechtes Verfahren wider uns und alle anderen Arten von Verfolgungen. In einem solchen Falle, wenn wir von jemandem am Vermögen oder an der Ehre verletzt werden, sollen wir uns erinnern, daß Gott zwar die Sünde unseres Beleidigers nicht wolle, wohl aber unsere Armut und unsere Demut. Gewiß ist es, daß alles was sich zuträgt, durch den göttlichen Willen geschehe: Ich bin der Herr, ich mache das Licht und erschaffe Finsternis, ich mache Frieden und erschaffe das Übel. (Jes 45,6,7), und früher sagte der Sohn Sirachs: Gutes und Böses, Leben und Tod... kommen von Gott. (Eccl 11,14) Kurz, alles kommt von Gott, das Gute sowohl, als das Übel. Dergleichen Vorfälle heißen zwar Übel, weil wir sie so nennen, und wir sie auch selbst zu Übeln machen; denn würden wir sie nehmen, wie wir sollten, nämlich mit Gelassenheit und Ergebung aus der Hand Gottes sie annehmen, so würden sie für uns keine Übel, sondern Güter werden. Die Edelsteine, wodurch die Kronen der Heiligen reich geschmückt werden, sind eben die Trübsale, die sie für Gott mit dem Gedanken annehmen, daß alles von seinen Händen komme. Als der heilige Job die Nachricht erhielt, die Sabäer hätten seine Güter geraubt, was antwortete er? Der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen. (Job 1,21) Er sagte nicht etwa: Der Herr hat mir diese Güter gegeben und die Sabäer haben sie mir genommen; sondern: „Der Herr hat sie mir gegeben und der Herr hat sie mir genommen." Und deshalb pries er ihn, im Glauben, daß alles nach seinem Willen geschehen sei. Wie es dem Herrn gefallen hat, so ist es geschehen, der Name des Herrn sei gebenedeit. (ibid.) Als die heiligen Blutzeugen Epitectus und Atho mit eisernen Haken und brennenden Fackeln gemartert wurden, riefen sie nichts anderes, als: „Herr, dein Wille geschehe an uns!" Und da sie starben, waren dies ihre letzten Worte: „Sei gepriesen, o ewiger Gott! denn du verleihest uns die Gnade, daß an uns dein heiliges Wohlgefallen erfüllt werde." Cäsarius erzählt (lib. 10. cap. 6), ein Mönch habe viele Wunder gewirkt, obwohl er kein strengeres Leben führte, als die anderen Mönche. Da der Abt hierüber sich verwundernd ihn einst fragte, was er denn für Werke der Frömmigkeit übte, antwortete er, er sei unvollkommener als die anderen, doch habe er darauf sein besonderes Augenmerk gerichtet, in allem dem göttlichen Willen sich gleichförmig zu machen. „Warst du", fuhr der Oberer fort, „über den Schaden, den uns vor einigen Tagen unser Feind in unserem Gütchen anrichtete, nicht verdrießlich?" „Nein, mein Vater", sagte er, „ja, ich danke vielmehr dem Herrn dafür, indem er alles zu unserem Nutzen tut und zuläßt." Hieraus erkannte der Abt die Heiligkeit dieses guten Ordensmannes.

Laßt uns das nämliche tun, wenn uns Widerwärtigkeiten zustoßen; laßt sie uns alle annehmen aus der Hand Gottes, nicht nur mit Geduld, sondern auch mit Freude, nach dem Beispiele der Apostel, die sich freuten, wenn sie Jesu Christi wegen Mißhandlungen erfuhren: Sie gingen fröhlich vor dem Rate hinweg, weil sie würdig geachtet wurden, für den Namen Jesu Schmach zu leiden. (Apg 5,41) Und welch größere Freude gibt es wohl für uns, als ein Kreuz tragen und dabei wissen, daß wir durch dessen geduldige Übernahme Gott ein Wohlgefallen verursachen? Wollen wir also in einem beständigen Frieden leben, so suchen wir von nun an vor allem, uns mit dem göttlichen Willen zu vereinigen, indem wir bei allem, was uns widerfährt, immer sagen: Ja, Vater, also hat es dir gefallen. (Mt 11,26) Herr, so hat es dir gefallen, also geschehe es. Auf dieses Ziel hin müssen wir alle unsere Betrachtungen, Kommunionen, Besuchungen und Gebete richten und Gott bitten, er möchte mit seinem Willen uns gleichförmig machen. Opfern wir uns stets fort auf, indem wir sprechen: Mein Gott, hier sind wir, tue uns, was gefällig ist. Die heilige Theresia opferte sich Gott den Tag über fünfzig Mal auf: er wolle mit ihr nach seinem Wohlgefallen verfügen.

 

Anmutungen und Bitten

Ach mein göttlicher König, mein geliebter Erlöser, komme und herrsche du allein von nun an in meiner Seele! Nimm meinen ganzen Willen, so daß er nichts wünsche, nichts wolle, als was du willst. Mein Jesu, bisher habe ich dich so sehr beleidiget dadurch, daß ich mich deinem heiligen Willen widersetzte; dies schmerzt mich mehr, als wenn mir was immer für ein anderes Unglück begegnet wäre; es reuet mich, es ist mir von ganzem Herzen leid. Ich verdiene Züchtigung, ich weigere mich nicht dagegen, ich nehme sie an; aber verschone mich nur mit der Strafe, mir deine Liebe zu entziehen, und dann verfüge mit mir, wie es dir beliebt. Ich liebe dich, mein lieber Erlöser, ich liebe dich, mein Gott; und weil ich dich liebe, so will ich alles tun, was du willst. O Wille Gottes, du bist meine Liebe! O Blut meines Jesu, du bist meine Hoffnung! Von dir hoffe ich, daß ich von heute an künftighin immer mit dem göttlichen Willen vereint sein werde; er wird mein Führer, mein Verlangen, mein Leben und meine Ruhe sein. In diesem will ich immerdar leben und ruhen: Ich will im Frieden schlafen und ruhen: Immer werde ich bei allem, was mir widerfährt, sagen: Mein Gott, ich will nur, was du willst; an mir geschehe stets dein Wille: Dein Wille geschehe. Mein Jesu, verleihe mir um deiner Verdienste willen die Gnade, immer diesen Spruch der Liebe zu wiederholen: dein Wille geschehe, dein Wille geschehe! O Maria, meine Mutter, du Glückselige, die du allezeit und in allen Dingen den göttlichen Willen erfülltest; erflehe mir, daß ich ihn von nun an auch vollziehe. Meine Königin, erlange mir doch um deiner Liebe zu Jesu Christo willen diese Gnade, ich hoffe es von dir.