35. Betrachtung

Von dem liebevollen Aufenthalte Jesu auf den Altären des allerheiligsten Sakramentes

 

3. Punkt

Jesus gibt im heiligen Sakramente allen Gehör, um allen seine Gnade mitzuteilen. Der heilige Augustinus sagt, der Herr habe ein größeres Verlangen, uns seine Gnaden mitzuteilen, als wir haben, selbe zu empfangen: „Er will dir mehr Gutes tun, als du zu erhalten verlangst." Die Ursache hievon ist, weil Gott eine unendliche Güte ist, und da die Güte ihrer Natur nach freigebig ist, so wünscht sie ihre Güter allen mitzuteilen. Gott beklagt sich, wenn die Seelen nicht zu ihm kommen und um Gnade bitten. Bin ich denn für Israel zur Einöde geworden oder zu einem Lande, das nur Spätfrüchte trägt? Warum hat denn mein Volk gesagt: wir weichen ab, wir wollen zu dir nicht mehr kommen? (Jer 2,31) Warum, klagt hier der Herr, wollt ihr nicht mehr zu mir kommen? Habt ihr mich etwa als ein unfruchtbares oder spätes Land befunden, da ihr mich um Gnaden gebeten? Der heilige Johannes sah den Herrn mit einer Brust voll Milch, voll Barmherzigkeit nämlich, und mit einem goldenen Gürtel, der Liebe nämlich, umgürtet - Sinnbilder, die sein Verlangen bezeichneten, uns seine Gnaden mitzuteilen. (Offb 1,25) Jesus Christus ist zwar immer bereit, uns Gutes zu erweisen, sagt der Jünger, allein im allerheiligsten Sakramente spendet er seine Gnaden im größten Überflusse aus. Und der selige Suso sagte, im Sakramente höre Jesus unsere Bitten am liebsten an. P. Balthasar Alvarez sah ebenfalls Jesum in dem allerheiligsten Sakramente mit Händen ganz voll Gnaden, bereit, sie unter die Menschen auszuteilen, allein es fand sich niemand, der sie verlangte.

O glücklich jene Seele, die am Fuße eines Altares verweilet und Jesum Christum um Gnaden bittet! Die Gräfin Feria, die zu St. Clara Klosterfrau wurde, hielt sich, so oft sie nur konnte, vor dem allerheiligsten Sakramente auf, und wurde deshalb die Braut des heiligen Sakramentes genannt, aus welchem sie fortwährend große Gnadenschätze zog. Als man sie einst fragte, was sie denn so viele Stunden lang vor dem Hochwürdigsten täte, antwortete sie: „Ich möchte hier die ganze Ewigkeit hindurch verbleiben. Und was tut man wohl vor dem allerheiligsten Sakramente? Was tut ein Armer vor einem Reichen? Was ein Kranker vor einem Arzte? Gütiger Gott! und man fragt, was man hier tue? Man sagt Dank, man liebt und lobt, man bittet und begehrt." O welch einen reichlichen Stoff geben diese letzten Worte, um sich mit Nutzen vor dem allerheiligsten Sakramente aufzuhalten.

Jesus Christus beklagte sich einst bei der oben erwähnten Dienerin Gottes, der Schwester Margaretha Alacoque, über die Undankbarkeit, mit welcher die Menschen ihm in diesem Sakramente der Liebe begegnen. Er zeigte ihr sein heiligstes Herz, von Dornen umgeben, mit einem Kreuze oberhalb desselben, auf einem feurigen Throne, wodurch er seinen liebevollen Aufenthalt im heiligsten Sakramente zu verstehen gab, und sprach alsdann also zu ihr: „Siehe dies Herz, welches die Menschen so sehr liebte, und seiner nicht schonte, hat sich in Liebesbeweisen gegen sie erschöpft. Zur Erkenntlichkeit aber vergelten sie mir größtenteils nur mit Undank, und begegnen mir in meinem Sakramente mit Unehrerbietigkeit und Geringschätzung. Am meisten aber schmerzt es mich, daß es darunter Herzen gibt, die sich mir geweiht haben. Die Menschen wollen sich nicht mit Jesu Christo im Sakramente unterhalten, weil sie ihn nicht lieben. Sie sind und sprechen gerne ganze Stunden lang mit einem Freunde, aber der Aufenthalt von einer halben Stunde bei Jesus Christus macht ihnen Langeweile. Da wird jemand sagen: aber warum gibt mir Jesus nicht seine Liebe? Ich aber antworte: Verbannest du nicht die Welt und ihre Gesinnung aus dem Herzen, wie kann da die göttliche Liebe bei dir einkehren? Ach, könntest du in Wahrheit und vom Herzen sagen, was der heilige Philippus Nerius beim Anblicke des allerheiligsten Sakramentes sagte: „Sehet da meine Liebe, sehet meine Liebe!" so würde es dich nicht langweilen, ganze Tage und Nächte vor dem allerheiligsten Sakramente auszuharren! Einer gottliebenden Seele kommen die Stunden vor dem hochheiligen Sakramente wie Augenblicke vor. Der heilige Franciscus Xaverus arbeitete den ganzen Tag für das Heil der Seelen, und worin bestand seine Ruhe zur Nachtzeit? Es war der Aufenthalt vor dem allerheiligsten Sakramente. Der heilige Johannes Franziskus Regis, dieser große Sendungspriester Frankreichs, ging bei Anbruch der Nacht, nachdem er den ganzen Tag mit Predigen und Beichthören zugebracht hatte, in eine Kirche; da er sie einigemal verschlossen fand, hielt er sich bei Kälte und Wind vor der Türe auf, um so wenigstens von ferne seinem geliebten Herrn seinen Besuch zu machen. Der heilige Aloysius von Gonzaga wünschte immer vor dem allerheiligsten Sakramente zu verweilen. Da es ihm aber von seinem Oberen verboten wurde und er im Vorübergehen bei dem Altare von Jesu sich zu einem längeren Aufenthalte fühlte, so war er gezwungen, sich mit Gewalt fortzureißen, um dem Gehorsame nachzukommen. Daher klagte der heilige Jüngling ganz liebreich gegen Jesu: „Gehe von mir, o Herr! gehe von mir", Herr halte mich nicht auf, lasse mich gehen, so erheischt es der Gehorsam. Hast du aber, mein Bruder, diese Liebe zu Jesus Christus noch nicht, so trachte ihn täglich zu besuchen, und er wird dir das Herz mit Liebe entzünden. Fühlst du dich kalt, so gehe zum Feuer, sagte die heilige Katharina von Siena. Und Glück dir, wenn Jesus dir die Gnade verleiht, mit seiner Liebe dich zu entflammen! Alsdann wirst du alle irdischen Dinge sicherlich nicht mehr lieben, du wirst sie vielmehr verachten. Der heilige Franciscus Salesius spricht: „Gerät das Haus in Feuer, so wirft man alle Sachen zum Fenster hinaus."

 

Anmutungen und Bitten

Ach mein Jesu! mache, daß du erkannt, daß du geliebt werdest. Du bist ja in dir selbst so liebenswürdig, daß es nichts weiteren bedarf, um von den Menschen geliebt zu werden, und warum gibt es dennoch gar so wenige Menschen, die dich lieben ? Leider bin ich Elender selbst einer von diesen Undankbaren. Gegen die Geschöpfe konnte ich meine Dankbarkeit zeigen, wenn sie mir irgend ein Geschenk machten oder eine Gefälligkeit erwiesen; nur gegen dich, der du dein ganzes Wesen zum Geschenke mir gemacht, war ich so undankbar, daß ich dich oft schwer beleidigte und durch meine Sünden mit Unbilden überhäufte! Zu meinem Troste jedoch sehe ich, daß du, anstatt mich zu verlassen, mir immerfort noch nachgehst, und meine Liebe verlangst. Ich höre, daß du fortfährst, mir das liebreiche Gebot zu verkündigen: Liebe den Herrn, deinen Gott, aus deinem ganzen Herzen. Wenn du also auch von mir Undankbarem geliebt werden willst, so verlange auch ich, innigst dich zu lieben. Du wünschest meine Liebe, und da ich mit deiner Gnade begünstigt wurde, so will ich nichts anderes, als dich lieben. Ja, ich liebe dich, meine Liebe, mein Alles! Dein für mich vergossenes Blut stärke mich in der Liebe zu dir. Mein geliebter Erlöser, auf dieses Blut setze ich alle meine Hoffnung, und auf die Fürbitte deiner allerheiligsten Mutter, deren Bitten du zu unserem Heile gereichen lassen wollest. O Maria, meine Mutter! bitte Jesum für mich; entzünde alle deine Liebhaber mit der göttlichen Liebe, entzünde auch mich, da ich dich so sehr liebe!