35. Betrachtung

Von dem liebevollen Aufenthalte Jesu auf den Altären des allerheiligsten Sakramentes

„Kommet zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid,

und ich will euch erquicken"

(Mt 11,28)

 

1. Punkt

Nachdem unser liebevoller Heiland das Werk unserer Erlösung durch seinen Tod vollendet hatte und von dieser Welt scheiden wollte, so wollte er uns in diesem Tale der Zähren nicht allein lassen. Der heilige Petrus von Alcantara sagt, daß keine Zunge die Liebe zu erklären vermag, die Jesus zu einer jeden Seele trägt; und darum, damit sie während seiner Abwesenheit ja nicht auf ihn vergesse, habe dieser Bräutigam beim Abschiede aus diesem Leben dieses allerseligste Sakrament, worin er selbst gegenwärtig ist, hinterlassen; denn er wollte, um das Andenken an ihn stets rege zu erhalten, kein anderes Unterpfand geben, als sich selbst. Diese Liebe zu Jesu Christo verdient daher von unserer Seite die größte Erwiderung; und deshalb auch wollte er, daß in diesen unseren letzten Zeiten ein Fest zu Ehren seines allerheiligsten Herzens eingesetzt wurde, wie er seiner Dienerin, der ehrwürdigen Schwester Margaretha Maria Alacoque, offenbarte, damit wir seinem liebevollen Aufenthalte auf unseren Altären durch unsere Gemütserhebungen und Andachtsübungen einige Vergeltung leisteten und zugleich jene Geringschätzung einigermaßen gut machten, die er in diesem Geheimnisse der Liebe von den Ketzern und gottlosen Katholiken erlitten hat und noch immer erleidet.

Jesus hinterließ sich im allerheiligsten Sakramente:

1.  um sich von allen finden zu lassen;

2.  um allen Gehör zu geben;

3.  um allen Gnaden zu erweisen.

Erstens verweilet er auf mehreren Altären, damit alle ihn finden könnten, die ihn zu finden verlangen. In jener Nacht, in welcher unser Heiland von seinen Jüngern Abschied nahm, um in den Tod zu gehen, weinten diese vor Betrübnis, indem sie dachten, nun von ihrem lieben Meister getrennt leben zu müssen; allein Jesus tröstete sie, indem er ihnen sagte (und dasselbe sagte er damals auch zu uns): Meine Kinder, ich gehe, für euch zu sterben, um euch jene Liebe zu beweisen, die ich zu euch trage; aber auch sterbend will ich euch nicht allein lassen; sondern so lange ihr auf der Welt sein werdet, will ich bei euch bleiben in dem allerheiligsten Sakramente des Altars. Ich hinterlasse euch meinen Leib, meine Seele, meine Gottheit und mein ganzes Wesen. Wahrlich, so lange ihr auf der Welt sein werdet, will ich mich nicht von euch trennen. Sehet, ich bin bei euch bis an das Ende der Welt. (Mt 28,20) „Der Bräutigam", schrieb der heilige Petrus von Alcantara, „wollte seiner Braut während seiner so langen Abwesenheit irgend eine Gesellschaft hinterlassen, damit sie nicht allein wäre, und deshalb hinterließ er dies heilige Sakrament, worin er selbst zurück blieb; fürwahr die beste Gesellschaft, die er hinterlassen konnte!" Es ersannen sich die Heiden unzählig viele Götter, aber doch niemals konnten sie sich einen so liebreichen Gott vorstellen, als unser Gott ist, der uns so nahe wäre und mit so großer Liebe uns beistände: Es ist kein anderes Volk so groß, das seine Götter so nahe hätte, wie unser Gott uns gegenwärtig ist. Diese Stelle des Buches Deuteronomium. (Kap. 47) wendet in demselben Sinne unsere heilige Kirche an auf das Fest des allerheiligsten Fronleichnams. (Resp. 2 Noct. 3)

Siehe da, Jesus Christus befindet sich auf unseren Altären, gleich als in eben so vielen Liebesgefängnissen verschlossen. Es nehmen ihn die Priester aus dem Tabernakel heraus, sie setzen ihn aus oder geben ihn in der heiligen Kommunion; sie schließen ihn wieder ein und Jesus ist es zufrieden, er will daselbst verbleiben Tag und Nacht. Aber, o mein Heiland! wozu nützt es dir, auch während der Nachtzeit in so vielen Kirchen zu weilen, wo die Leute die Tore verriegeln und dich allein lassen. Genügte es dir denn nicht, in den Tagesstunden dort gegenwärtig zu sein? Nein, er will auch zur Nachtzeit daselbst verbleiben, wenn auch allein, und wartet den Morgen ab, damit jeder, der ihn sucht, ihn alsogleich finde. Es ging die heilige Braut im hohen Liede herum, ihren Geliebten zu suchen, und fragte jeden, der ihr begegnete: Habt ihr den nicht gesehen, welchen meine Seele liebt? (Hld 3,3) Und da sie ihn fand, erhob sie ihre Stimme und sagte: Mein Bräutigam, laß mich doch wissen, wo du bist: Sage mir, wo du weilest, wo du im Mittagsschatten weilest? (Hld 1,7). Damals fand ihn die Braut nicht, denn er war noch nicht im allerheiligsten Sakramente; will aber jetzt eine Seele Jesum Christum finden, so darf sie nur in ihre Pfarrkirche oder in eine Klosterkirche gehen und sie wird dort ihren Geliebten finden, der sie schon erwartet. Es gibt kein Dorf, so elend es auch sein mag, kein Kloster von Ordensleuten, worin nicht das allerheiligste Sakrament aufbewahret würde; und an allen diesen Orten läßt es der König des Himmels sich gefallen, in einem aus Holz oder Stein verfertigten Tabernakel sich einzuschließen, und weilt oft da so ganz allein, daß auch nicht einmal eine Öllampe daselbst brennt. Dies aber, o Herr! sagt der heilige Bernardus, geziemt sich nicht für deine Herrlichkeit. Und Jesus gibt zur Antwort: es möge immerhin sein; doch gezieme es sich auch nicht für meine Herrlichkeit, so geziemt es sich doch für meine Liebe.

Die Wallfahrer besuchen mit zarter Andacht das heilige Haus von Loretto oder die Orte des heiligen Landes, den Stall von Bethlehem, den Kalvarienberg, das heilige Grab, wo Jesus Christus geboren wurde, wo er gewohnt hat, starb oder begraben wurde. Aber um wie viel größer und zärtlicher soll nicht unsere Andacht sein, wenn wir uns in einer Kirche in Gegenwart Jesu Christi befinden, wo er im allerheiligsten Sakramente gegenwärtig ist? Der ehrwürdige P. Johannes von Avila sagt, er wüßte keinen heiligen Ort zu nennen, der fähig wäre, größere Andachtsgefühle und reichlicheren Trost einzuflößen, als eine Kirche, in welcher Jesus im Sakrament zugegen ist. P. Balthasar Alvarez weinte, wenn er die Paläste der Fürsten voll Menschen, die Kirchen hingegen, wo Jesus Christus thront, verlassen und öde sah: O Gott, wäre unser Herr und Heiland nur in einer einzigen Kirche der Welt, zum Beispiele in der Kirche des heilige Petrus zu Rom leibhaftig zugegen, und ließe er sich daselbst nur an einem Tage des Jahres finden, o wie viele Pilgrime aus allen Ständen, wie viele Vornehme und Herrscher würden dahin strömen, um das Glück zu genießen, an jenem Tage sich dort einzufinden und ihre Huldigungen darzubringen dem König der Könige, der da wieder vom Himmel auf die Erde hernieder steigt! O wie würde man sich bemühen, ihm einen recht herrlichen Tabernakel, glänzend von Gold und Edelgesteinen zu bereiten! Mit welch prächtiger Beleuchtung würde man an jenem Tage den Aufenthalt Jesu Christi feiern! Doch unser liebevoller Erlöser antwortet: Ich will nicht in einer einzigen Kirche, auch nicht an einem einzigen Tage mich aufhalten noch fordere ich einen so großen Aufwand und eine so glänzende Beleuchtung; nein, ich will vielmehr fortwährend, alle Tage und an allen Orten zugegen bleiben, wo meine Getreuen sich befinden, damit alle mit Leichtigkeit mich finden können und zu jeder Stunde, wann sie nur wollen.

Wer hätte wohl je an eine solche Huld gedacht, hätte nicht Jesus Christus selbst diesen Kunstgriff der Liebe erfunden? Wenn damals, als er in den Himmel auffuhr, einige zu ihm gesprochen hätten: Herr! willst du deine Liebe uns klar an den Tag legen, so bleibe uns auf den Altären unter Brotsgestalten, damit wir dort dich besuchen können, wann wir wollen; für welche Kühnheit hätte man solches Begehren mit Recht gehalten? Was aber keiner der Menschen nicht einmal denken konnte, dieses erdachte und tat unser Heiland. Aber ach! Wo bleibt unsere Dankbarkeit für einen solchen Beweis seiner Huld? Käme ein Fürst aus weiter Ferne in der Absicht, den Besuch irgend eines Bauern zu erwarten, welcher Undank wäre es nicht von diesem Bauer, wenn er ihn entweder gar nicht oder nur im Vorbeigehen sehen wollte?

 

Anmutungen und Bitten

O Jesu, mein Erlöser! o Liebe meiner Seele! wie teuer kam dir nicht dein Aufenthalt bei uns in diesem Sakramente zu stehen! Du mußtest vorerst den Tod erleiden, um auf unseren Altären wohnen zu können, und mußtest noch überdies so viele Unbilden in diesem Sakramente erfahren, während du, durch deine Gegenwart zu Hilfe kommen willst. Und wie können wir so träge und nachlässig sein in deinem Besuche, da wir doch wissen, daß dir unsere Besuche so wohlgefällig seien, daß du uns mit deinen Gütern überhäufest, sobald du uns vor dir siehst? Herr! verzeihe mir, denn auch ich war einer dieser Undankbaren. Von nun an, mein Jesu! will ich dich oft besuchen und in deiner Gegenwart so viel als möglich mich aufhalten, um dir zu danken, dich zu lieben und um Gnaden zu bitten, denn deshalb bist du ja in dem Tabernakel verschlossen geblieben, und aus Liebe unser Gefangener geworden. Ich liebe dich, o unendliche Liebe! ich liebe dich, o Gott der Liebe! ich liebe dich, o höchstes Gut, o allerliebenswürdigstes Gut! Mache, daß ich mich selbst und alles vergesse, auf daß ich nur deiner Liebe gedenke und das mir noch übrige Leben ganz nach deinem Wohlgefallen zubringe. Laß mich künftighin kein größeres Vergnügen finden, als zu deinen Füßen mit dir zu besprechen. Entflamme mich ganz mit deiner heiligen Liebe. O Maria! meine Mutter, erlange mir eine große Liebe zum allerheiligsten Sakramente, und siehst du mich nachlässig, so erinnere mich an das Versprechen, das ich jetzt mache, es täglich zu besuchen.