34. Betrachtung

Von der heiligen Kommunion

 

2. Punkt

Betrachten wir zweitens die große Liebe, welche durch dieses Geschenk uns Jesus Christus bewiesen hat. Das allerheiligste Sakrament ist ein aus Liebe hervorgehendes Geschenk. Nach dem göttlichen Ratschlusse war es nötig, daß der Erlöser, um uns selig zu machen, sterben und durch das Opfer seines Lebens der göttlichen Gerechtigkeit für unsere Sünden genugtun sollte; es war aber nicht notwendig, daß Jesus Christus nach seinem Tode auch als Speise sich uns hinterlassen sollte. Doch die Liebe wollte es also. Aus keiner anderen Ursache, sagt der heilige Laurentius Justinianus, setzte er das heiligste Altarssakrament ein, als bloß zu einem Zeichen seiner übermäßigen Liebe, um jene unermeßliche Liebe uns zu erkennen zu geben, die er zu uns trägt. Und eben dies schrieb der heilige Johannes: Da Jesus wusste, seine Stunde wäre gekommen, wo er aus dieser Welt zu dem Vater übergehen sollte, und weil er die Seinen liebte, so liebte er sie bis ans Ende." (Joh 13,1) Da Jesus wußte, es wäre nun die Zeit seines Abschiedes von dieser Welt herangekommen, so wollte er uns den größten Beweis seiner Liebe hinterlassen, und dies war eben das Geschenk des allerheiligsten Sakraments; diese Bedeutung haben obige Worte: Er liebte sie bis ans Ende, das heißt, „mit einer ganz außerordentlichen Liebe, aufs höchste liebte er uns," wie Teophilactus mit Chrysostomus erklärt.

Man bedenke ferner, daß der Apostel bemerkt, daß die Zeit, da Jesus dies Geschenk hinterlassen wollte, die Zeit seines Todes war: In der Nacht, wo er verraten wurde, nahm er das Brot, dankte, brach es und sagte: Nehmet hin und esset, dies ist mein Leib. (1 Kor 11) In jenen Stunden also, in welchen die Menschen für ihn Geißeln, Dörner und das Kreuz bereiteten, um ihn zu töten, eben damals wollte er, der liebende Heiland! dieses Kennzeichen seiner Liebe uns hinterlassen. Und warum, könnte man fragen, setzte er dieses Sakrament bei seinem Tode und nicht früher ein? Hierauf gibt der heilige Bernardus zur Antwort, er habe dies getan, weil jene Liebesbeweise, die sich Freunde im Tode erteilen, dem Gedächtnisse tiefer eingeprägt bleiben und lieber aufbewahrt werden: „Was am Ende zum Zeichen der Freundschaft geweiht wird, das drückt sich fester dem Gedächtnisse ein und wird höher geschätzt." Jesus Christus, sagt der Heilige, hatte sich uns früher schon auf vielfältige Weise hingegeben: Er gab sich uns zum Gefährten, zum Lehrer, zum Vater, zur Leuchte, zum Muster und zum Schlachtopfer; es erübrigte noch der letzte Grad der Liebe, daß er sich zur Speise uns gäbe, um sich ganz mit uns einzuverleiben, gleichwie die Speise sich mit dem vereint, der sie genießt; und dies tat unser Heiland, indem er sich uns im allerhöchsten Altarssakrament hingab: „Der letzte Grad der Liebe ist es, da er sich zur Speise uns gab, weil er sich uns zur allseitigen Vereinigung dargab, sowie die Speise und der Speisende sich vereinigen." Da unser Erlöser sich nicht begnügte, mit unserer menschlichen Natur im allgemeinen sich zu vereinigen, so wollte er durch dies Sakrament das Mittel auffinden, um auch mit jedem einzelnen von uns sich zu vereinen.

Der heilige Franciscus Salesius sagte: „Bei keiner anderen Handlung läßt sich der Heiland weder zärtlicher noch liebevoller betrachten, als in dieser, wo er, sozusagen, sich vernichtet und sogar zur Speise wird, um in unsere Seelen einzudringen und sich mit den Herzen seiner Getreuen zu vereinen." Daher spricht der heilige Johannes Chrysostomus: „Jenem Herrn, auf den die Engel ihre Augen nicht zu heften wagen, - diesem wurden wir einverleibt und wurden ein Leib, ein Fleisch mit ihm!" Welcher Hirt, fragt der Heilige, weidet wohl seine Schäflein mit seinem eigenen Blute? Ja sogar Mütter übergeben ihre Kinder den Ammen, um sie auf zunähren. Allein nicht so Jesus: er selbst nährt uns im allerheiligsten Sakramente mit seinem eigenen Blute und vereint sich mit uns: „Welcher Hirt weidet etwa seine Schafe mit seinem eigenen Blute? Und was rede ich von dem Hirten? Es gibt sogar viele Mütter, welche ihre Kinder den Ammen überlassen; dies aber hat er nicht gewollt, sondern er selbst erquickt uns mit seinem eigenen Blute. (Hom 60) Und warum wollte er unsere Speise werden? Weil er uns, erwiderte der Heilige, mit Inbrunst liebte, und darum wollte er sich mit uns vereinigen, und eines mit uns werden: „Sich selbst vermengte er mit uns, damit wir eines würden, denn darnach strebt das heiße Verlangen der Liebenden." (Hom 51) Demnach wollte also Christus das größte aller Wunder wirken: Er gab ein Denkzeichen seiner Wunderwerke, er gab denen Speise, die ihn fürchteten (Ps 110), um sein Verlangen zu stillen, bei uns zu sein, und aus unserem und seinem heiligsten Herzen ein einziges zu machen. O wunderbare Liebe unseres Heilandes! ruft der heilige Laurentius Justinianus aus: Herr Jesu! du wolltest, daß wir deinem Leibe derart einverleibt würden, daß wir einen Leib und eine Seele mit dir hätten, auf daß wir nimmermehr getrennt werden könnten.

Jener große Diener Gottes, Pater de la Colombiere, sprach also: Wenn je etwas meinen Glauben über das Altarsgeheimnis wankend machen könnte, so wäre es nicht so viel die Macht, woran ich zweifeln könnte, als vielmehr die Liebe, die Gott in diesem Sakramente uns zeigt. Wie das Brot zum Leibe Jesu werde, wie Jesus an mehreren Orten zugleich gegenwärtig sei, hierüber sage ich: „Gott ist alles möglich." Fragt ihr mich aber, wie Gott den Menschen so sehr liebe, daß er zu seiner Speise werden wollte, darüber kann ich nur zur Antwort geben: ich verstehe es nicht, und die Liebe Jesu ist so unermeßlich, daß sie sich nicht begreifen lasse. Doch, o Herr! erlaube mir zu bemerken: ein solches Übermaß deiner Liebe, dich zur Speise zu machen, scheint ja deiner Herrlichkeit nicht entsprechend zu sein? Allein der heilige Bernardus erwidert, die Liebe mache den Liebenden seiner eigenen Würde uneingedenk. „Die Liebe kennt keine Würde." Und der heilige Chrysostomus antwortet gleichfalls: die Liebe nehme keine Rücksicht auf Anstand, wann es sich darum handelt, dem Geliebten sich kennbar zu machen; man geht nicht dahin, wohin es sich geziemt, sondern wohin man vom Drange seines Herzens geleitet wird: „Die Liebe nimmt keine Rücksicht und geht, wohin immer sie geleitet wird, und nicht, wohin sie sollte." (Ser 145) Mit Recht nannte daher der englische Lehrer dieses Sakrament ein Sakrament der Liebe, und ein Pfand der Liebe: Das Geheimnis der Liebe; das Unterpfand der Liebe (Opusc 145), und der heilige Bernardus nannte es ebenso folgerecht: die Liebe aller Liebe; und von der heiligen Maria Magdalena von Pazzis wurde der Gründonnerstag, an welchem dies Sakrament eingesetzt wurde, der Tag der Liebe genannt.

 

Anmutungen und Bitten

O unendliche Liebe! mein Jesu, einer unendlichen Liebe würdig! Ach, wann werde ich dich einmal, o mein Jesu! lieben, wie du mich geliebt hast? Du konntest nicht mehr tun, um meine Liebe zu gewinnen, und ich wagte es, dich, unendliches Gut, zu verlassen, um mich zu den niedrigen und elenden Gütern dieser Erde zu wenden. Ach erleuchte mich, o mein Gott! und entdecke mir immer mehr und mehr die Größe deiner Güte, damit ich meine ganze Liebe dir zuwende, und dir allein wohlzugefallen strebe. Ich liebe dich, mein Jesu, meine Liebe, mein Alles! und ich will mich durch dieses Sakrament oft mit dir vereinigen, um von allem mich loszureißen, und nur dich, o mein Leben! zu lieben. Hilf mir, o mein Heiland! durch die Verdienste deines Leidens. Hilf auch du mir, o Mutter Jesu, und auch meine Mutter! bitte ihn, er möchte mich ganz und gar mit seiner heiligen Liebe entzünden.