31. Betrachtung

Von der Beharrlichkeit

 

2. Punkt

Nun wollen wir sehen, wie man die Welt besiegen müsse. Der Teufel ist ein großer Feind, noch schlimmer aber ist die Welt. Bediente sich der böse Feind nicht der Welt und der bösen Leute, worunter man die Welt versteht, er würde nimmermehr die Siege davon tragen, deren er sich gegenwärtig erfreut. Der Erlöser gibt uns die Warnung, daß wir nicht so sehr von den Teufeln, als vor den Menschen auf der Hut sein sollen: Hütet euch aber vor den Menschen. (Mt 10,17) Die Menschen sind oft schlimmer als die Teufel, denn die Teufel fliehen beim Gebete und bei Anrufung der heiligsten Namen Jesu und Maria; wenn aber die schlechten Gesellen irgend einen zur Sünde reizen, so fliehen diese nicht, wenn er ihnen auch ein geistliches Wort erwidert, ja sie versuchen und verlachen ihn umsomehr, indem sie ihn einen gemeinen, ungebildeten Menschen schelten, der zu nichts taugt, und können sie wider ihn sonst nichts vorbringen, so nennen sie ihn wenigstens einen Heuchler, der die Rolle eines Heiligen spielen will. Und schwache Seelen, um diesen Vorwürfen und diesem Hohngelächter zu entgehen, sind dann unglücklich genug, um diesen Dienern des Luzifers sich beizugesellen, und zum Ausgespienen wieder zurückzukehren. - Mein Bruder! sei überzeugt, daß du, wenn du tugendhaft leben willst, von den Übelgesinnten ohneweiters werdest verspottet und verachtet werden. Die Gottlosen haben einen Abscheu vor jenen, die den rechten Weg wandeln. (Spr 29,27) Wer ein schlechtes Leben führt, kann nicht einmal den Anblick der Frommen ertragen, und warum? Weil ihm ihr Wandel ein beständiger Vorwurf ist, und daher möchte er, daß es alle wie er machten, um nur nicht den peinlichen Vorwurf zu haben, welchen der gute Wandel der anderen ihm verursacht.

Es gibt keinen Ausweg, sagt der Apostel, wer Gott dient, der muß allein von der Welt verfolgt werden: Alle, die in Jesus Christus ein frommes Leben führen wollen, werden Verfolgung erleiden. (2 Tim 3,12) Alle Heiligen sind verfolgt worden. Wer ist heiliger als Jesus Christus? Und doch verfolgte ihn die Welt so sehr, daß er durchstochen an einem Kreuze starb.

Dagegen ist kein Mittel vorhanden; denn die Grundsätze der Welt sind jenen Jesu Christi gerade entgegengesetzt. Was von der Welt geschätzt wird, das wird von Christus Torheit genannt: Denn die Weisheit dieser Welt ist bei Gott Torheit. (1 Kor 3,9) Im Gegenteile nennt die Welt Dummheit, was von Jesus Christus geschätzt wird, als da sind die Kreuze, Schmerzen, Verachtungen: Denn das Wort vom Kreuze ist jenen, die zu Grunde gehen, eine Torheit. Trösten wir uns aber, wenn die Bösen uns fluchen und schmähen, mit dem Gedanken, daß Gott uns segne und lobe. Jene werden fluchen, und du wirst segnen. (Ps 108,28) Ist es etwa nicht genug, wenn wir von Gott, von Maria, von allen Engeln, von den Heiligen und allen rechtschaffenen Menschen gelobt werden? Lassen wir also die Sünder reden, was sie wollen und fahren wir nur fort, Gott Freude zu machen, der gegen jenen ungemein dankbar und treu ist, der ihm dient. Je mehr Widerstand und Widerspruch, die Übung des Guten uns kostet, desto größer wird Gottes Wohlgefallen und unser Verdienst sein. Stellen wir uns vor, als wäre auf der Welt niemand außer Gott und wir. Verspotten uns die Bösen, so wollen wir sie dem Herrn anempfehlen und Gott für jene Erleuchtung danken, die er uns gibt, jenen Elenden aber verweigert, und wollen unseren Weg ruhig fortgehen. Schämen wir uns nicht, als Christen uns zu zeigen; denn würden wir uns Jesu Christi schämen, so würde auch er, seiner Beteuerung gemäß, am Tage des Gerichtes unser sich schämen: Denn wer meiner und meiner Worte sich schämt, dessen wird des Menschen Sohn sich auch schämen, wenn er in seiner Herrlichkeit kommen wird. (Lk 9,26)

Wollen wir selig werden, so müssen wir uns ein für allemal auf Leiden gefaßt halten, wir müssen entschlossen sein, Gewalt zu brauchen und ernst mit uns zu verfahren, wenn es uns auch wehe tut: Schmal ist der Weg, der zum Leben führt. (Mt 14,7) Das Himmelreich leidet Gewalt, und die Gewalt brauchen, reißen es an sich. (Mt 11,12) Wer keine Gewalt sich antut, der wird nicht selig. Es gibt keinen Ausweg, denn wir müssen gegen unsere aufrührerische Natur auftreten, wenn wir anders das Gute üben wollen. Vorzüglich anfangs müssen wir uns Gewalt antun, um die bösen Gewohnheiten auszurotten und gute einzupflanzen; ist dann das Gute einmal zur Gewohnheit geworden, so wird die Beobachtung des göttlichen Gesetzes leicht, ja sogar süß werden. Der Herr sprach zur heiligen Brigitta, daß dem, der in Übung der Tugend die ersten Dornstiche mit Mut und Geduld leidet, die Dörner selbst dann zu Rosen werden. Sei also wachsam, mein Christ: Jesus Christus spricht jetzt zu dir, was er zu dem Gichtbrüchigen sagte: Siehe, du bist gesund geworden, sündige nicht mehr, daß dir nicht etwas Schlimmeres widerfahre. (Joh 5,14) Merke wohl, lehrt wieder der heilige Bernardus, fällst du unglücklicherweise wieder, so wisse, daß dein Unglück schlimmer sein werde, als alle deine früheren Fälle: „Höre! ein Fall ist nicht so schlimm, als ein Rückfall." Wehe denen, sagt der Herr, die den Weg Gottes eingeschlagen, und dann davon ablenken. Wehe euch, ihr abtrünnigen Kinder! (Jes 30,1) Diese werden als solche, die sich dem Lichte widersetzen, bestraft. Sie haben sich dem Lichte widersetzt. (Job 24,13) Und die Strafe dieser Empörer, die mit großer Kenntnis von Gott begabt und ihm hernach untreu geworden sind, besteht darin, daß sie blind bleiben und so ihr Leben in ihren Sünden beschließen. Wenn sich aber der Gerechte von seiner Gerechtigkeit abwendet, soll er dann leben? Aller seiner Gerechtigkeiten, die er geübt hatte, wird nicht gedacht werden, in seiner Sünde wird er sterben. (Ez 18,24)

 

Anmutungen und Bitten

Ach mein Gott! Eine solche Strafe habe ich schon öfters verdient, indem ich mittelst deiner Erleuchtung die Sünden zwar verlassen habe, aber dann wieder in selbe zurückgekehrt bin. Ich sage deiner Barmherzigkeit unendlichen Dank, daß sie mich nicht durch gänzliche Beraubung des Lichtes in meiner Blindheit gelassen hat, wie ich es verdient hätte. Ich bin daher, o mein Jesus! überaus verpflichtet und ich wäre dir allzu undankbar, wenn ich dir wieder den Rücken kehren würde. Nein, mein Erlöser! Ich will deinen Erbarmungen in Ewigkeit Lob singen. Ich hoffe in dem mir übrigen Leben und während der ganzen Ewigkeit deiner Barmherzigkeit immer Lob zu singen, dich stets zu lieben und deiner Gnade mich nicht mehr beraubt zu sehen. Meine bisherige große Undankbarkeit gegen dich, die ich jetzt verabscheue und über alles Übel verfluche, soll mir dazu dienen, das dir zugefügte Unrecht stets bitter zu beweinen und in mir die Liebe zu dir desto mehr zu entflammen, indem ich mir jene großen Gnaden vor Augen halte, die du nach so vielen von mir erhaltenen Beleidigungen mir erwiesen hast. Ja, ich liebe dich, unendlicher Liebe würdiger Gott! Von heute an sollst du meine einzige Liebe, mein einziges Gut sein. O ewiger Vater! um der Verdienste Jesu Christi willen bitte ich dich um die endliche Beharrlichkeit in deiner Gnade, und in deiner Liebe. Ich weiß zwar, daß du sie mir immer geben werdest, wenn ich dich darum bitte. Aber deshalb flehe ich zu dir, mein Gott! um die Beharrlichkeit und um die Gnade, solche immerfort zu verlangen. O Maria, meine Fürsprecherin, meine Zuflucht und Hoffnung! erhalte mir durch deine Fürbitte die Standhaftigkeit, Gott stets um die endliche Beharrlichkeit zu bitten. Ich bitte dich, erwirke sie mir Jesu Christo zu Liebe.