31. Betrachtung

Von der Beharrlichkeit

„Wer bis ans Ende ausharret, der wird selig werden." (Mt 24,13)

 

1. Punkt.

Der heilige Hieronymus sagt, viele fangen gut an, wenige aber harren aus: „Anfangen ist die Sache vieler, Ausharren aber die Sache weniger.! (Lib. 1. contra Jovin) Gut begann ein Saul, ein Judas, ein Tertullianus; sie endeten aber übel, weil sie im Guten nicht standhaft blieben. „Bei den Christen schaut man nicht auf den Anfang, sondern auf das Ende! (S. Hieron. Ep. ad. Für) Der Herr, spricht der Heilige weiter, fordert nicht allein den Beginn eines guten Lebens, sondern auch das Ende. „Das Ende ist es, welches die Krone erhalten wird." Der heilige Bonaventura sagt, nur der Beharrlichkeit werde die Krone erteilt: „Nur die Beharrlichkeit wird gekrönt." Daher nennt Laurentius Justinianus die Beharrlichkeit die Pforte zum Himmel: „die Himmelstür." Es kann daher niemand in den Himmel eingehen, wer die Pforte, durch welche man eingeht, nicht findet. Mein Bruder, du hast gegenwärtig die Sünde verlassen und hoffest mit Recht Verzeihung derselben. Du bist also ein Freund Gottes; doch wisse, sicher bist du noch nicht. Und wann wirst du denn sicher sein? Wann du bis ans Ende wirst ausgeharrt haben. „Wer bis ans Ende ausharrt, der wird selig werden." Hast du ein frommes Leben bereits begonnen? Nun so danke dem Herrn; allein der heilige Bernardus erinnert dich zum voraus, daß dem, der da anfängt, die Belohnung bloß versprochen, und nur dem erteilt werde, welcher ausharrt: „Den Anfängern wird der Lohn versprochen, den Ausharrenden aber wird er gegeben." (Serm. 6. de modo bene viv) Das Laufen nach dem Kampfpreise ist gut, aber es genügt noch nicht; man muß so lange laufen, bis man ihn erhält. Laufet so, daß ihr ihn erreichet! sagt der Apostel. (1 Kor 9,24)

Nun hast du schon die Hand an den Pflug gelegt, du begannst gut zu leben; jetzt aber fürchte und zittere mehr, als jemals: „Mit Furcht und Zittern wirket euer Heil." (Phil 2,12) Warum? Denn wendest du - wovor Gott dich behüte - dich wieder um und schauest zurück, indem du neuerdings dein böses Leben beginnest, so wird Gott dich vom Himmel als ausgeschlossen erklären: Niemand, der seine Hand an den Pflug legt und zurücksieht, ist zum Reiche Gottes tauglich. (Lk 9,62) Nun fliehest du durch die Gnade des Herrn die bösen Gelegenheiten, empfängst oft die Sakramente, nimmst täglich eine fromme Betrachtung vor. Heil dir! wenn du so fortfährst und wenn dich der Herr also handelnd antreffen wird, wenn er kommt, dich zu richten: Selig ist der Knecht, den sein Herr, wenn er kommen wird, so handelnd antrifft. (Mt 24,46) Glaube aber ja nicht, als wären jetzt, da du dich dem Gottesdienste ergabst, deine Versuchungen schon überstanden, oder gar keine mehr übrig; höre, was der Heilige Geist dir sagt: Mein Sohn, wenn du den Dienst Gottes antreten willst, so bereite deine Seele zur Anfechtung. (Eccl 2,1) Wisse, daß du jetzt mehr als je zu kämpfen dich rüsten mußt; denn deine Feinde, die Welt, der Teufel und das Fleisch, werden sich jetzt mehr als jemals bewaffnen, um dich zu bekriegen, damit sie dich um alles bringen, was du bereits errungen hast. Dionysius, der Karthäuser, sagt, je mehr sich jemand Gott ergibt, umsomehr sucht die Hölle ihn zu bestürmen: „Je mehr sich einer Gewalt antut, um Gott zu dienen, desto heftiger wütet gegen ihn der Widersacher." Dies ist deutlich genug im Evangelium des heiligen Lukas ausgedrückt, wo es heißt: Ist der unreine Geist von dem Menschen ausgegangen, so wandelt er durch dürre Örter und sucht Ruhe; wenn er sie aber nicht findet, so spricht er, ich will in mein Haus, aus dem ich gegangen bin, wiederkehren. Alsdann geht er hin und nimmt sieben andere Geister zu sich, die ärger sind als er, und wenn sie hineinkommen, so wohnen sie allda, und so wird der letzte Zustand desselben Menschen schlimmer als der erste sein. (Lk 11,24,26) Wenn der böse Geist aus einer Seele verbannt wird, da findet er keine Ruhe, und er wendet allen Fleiß an, um wieder hineinzukommen; er ruft auch seine Gefährten zu Hilfe, und gelingt es ihm wieder, hineinzukommen, so wird für diese Seele das zweite Unglück größer sein, als das erste.

Bedenket also, welcher Waffen ihr euch bedienen müßt, um vor diesen Feinden euch zu schützen und euch in der Gnade Gottes zu erhalten. Um nicht vom bösen Geiste überwunden zu werden, gibt es kein anderes Verteidigungsmittel als das Gebet. Der heilige Paulus sagt, wir bestehen nicht gegen Menschen, die, wie wir aus Fleisch und Blut, zu streiten, sondern auch gegen die Fürsten der Hölle. Wir haben nicht wider Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern wider Fürsten und Mächte (Eph 6,12) und will nun damit aufmerksam machen, daß unsere Kräfte nicht hinreichen, um solchen Mächten Widerstand zu leisten, sondern daß wir der Hilfe Gottes bedürfen. Mit Gottes Beistand werden wir alles bewirken: Alles vermag ich in dem, der mich stärkt. (Phil 4,13) Also sprach er, und so soll jeder aus uns sprechen. Doch dieser Beistand wird nur dem erteilt, der durch das Gebet ihn verlangt: Bittet und ihr werdet empfangen! Trauen wir nicht unseren Vorsätzen; denn vertrauen wir auf unsere Entschlüsse, so wird es um uns geschehen sein; unsere ganze Zuversicht wollen wir, wenn wir vom Teufel angefochten werden, auf die Hilfe Gottes setzen, indem wir uns alsdann Jesu Christo und der allerheiligsten Jungfrau Maria anempfehlen. Und dies müssen wir vorzüglich tun, wenn wir gegen die Keuschheit versucht werden; denn diese Versuchung ist unter allen die fürchterlichste, und sie ist es, womit der böse Feind die häufigsten Siege davon trägt. Wir haben nicht die Kraft, die Keuschheit zu bewahren; Gott muß sie uns geben. Salomon sagte: Und da ich wusste, daß ich nicht enthaltsam sein könnte, wenn es mir nicht von Gott gegeben würde, so trat ich zum Herrn und bat ihn. (Weish 8,21) In dieser Versuchung muß man also ohne Zaudern zu Jesus Christus und zu seiner heiligsten Mutter seine Zuflucht nehmen, und zwar durch oftmalige Anrufung ihrer hochheiligen Namen. Wer es also macht, wird siegen, wer es nicht so macht, wird verloren sein.

 

Anmutungen und Bitten

Verwirf mich nicht von deinem Angesichte! Ach, mein Gott, verstoß mich nicht von deinem Antlitze! Ich weiß wohl, du werdest mich nie verlassen, es sei denn, ich verlasse dich zuerst; davor zittere ich insbesondere, weil ich meine Schwäche erfahren habe. Herr! du allein mußt mir die Stärke geben, die gegen die Hölle mir nötig ist, welche mich neuerdings in ihrer Gefangenschaft zu haben begehrt. Um Jesu Christi willen bitte ich dich darum. Schließe, o mein Heiland! zwischen mir und dir einen dauerhaften Frieden, der in Ewigkeit nicht mehr gebrochen werden soll. Und darum gib mir deine heilige Liebe. Wer dich nicht liebt, der bleibt im Tode: Wer nicht liebt, ist tot. Vor diesem unglückseligen Tode mußt du mich bewahren, o Gott meiner Seele! Ich war bereits verloren; du weißt es wohl. Ich verdanke es ganz und gar deiner Güte, daß ich wieder in diesen Zustand kam, in dem ich mich befinde, und hoffe, nun in deiner Gnade zu sein. Ach mein Jesu! laß es um deines bitteren, für mich ausgestandenen Todes willen nicht geschehen, daß ich mich abermals zu Grunde richte! Ich liebe dich über alles. Ich hoffe von dieser heiligen Liebe stets mich gefesselt zu sehen, und in diesen Fesseln zu sterben und ewig zu leben. O Maria! du nennst dich die Mutter der Beharrlichkeit; dieses große Geschenk wird von dir ausgeteilt. Von dir verlange ich es und von dir hoffe ich es auch.