28. Betrachtung

Gewissensbisse der Verdammten

 

3. Punkt

Der dritte Gewissensbiß des Verdammten wird die Erkenntnis des großen Gutes sein, das er verloren hat. Der heilige Johannes Chrysostomus sagt, die Verdammten werden mehr wegen des Verlustes des Himmels gequält, als selbst durch die ärgsten Peinen der Hölle. Mehr werden sie wegen des Himmels, als der Hölle wegen gepeiniget werden. Die unglückliche Königin Elisabeth, Königin von England, sprach: Gott gestatte mir vierzig Jahre zur Regierung, so leiste ich ihm Verzicht auf seinen Himmel. Die Elende erhielt wirklich zur Regierung vierzig Jahre; allein was wird sie nun sagen, da sie bereits diese Welt verlassen hat? Gewiß ist sie nicht mehr so gesinnt. O, wie betrübt und voll Verzweiflung wird sie jetzt sein, wenn sie bedenkt, daß sie wegen vierzig Jahre eines irdisehen Reiches zwischen Furcht und Angst nun das Reich des Himmels auf ewig verloren hat!

Es wird aber den Verdammten in der Ewigkeit dies am meisten betrüben, daß er einsieht, er habe den Himmel und das höchste Gut, welches Gott ist, nicht etwa durch widriges Schicksal oder aus Mißgunst eines anderen, sondern aus eigener Schuld verloren. Er wird einsehen, daß er für den Himmel geschaffen wurde; er wird einsehen, daß Gott ihm die Wahl ließ, das ewige Leben oder den ewigen Tod sich zu erwerben: Vor dem Menschen ist Leben und Tod, und was ihm gefällt, wird ihm gegeben werden. (Eccl 15,18) Er wird also einsehen, daß es in seiner Macht gestanden habe, ewig glücklich zu werden, wenn er anders gewollt hätte; und er wird einsehen, daß er sich in diesen Abgrund von Qualen hat stürzen wollen, aus dem er nie wird herauskommen können, und aus dem ihn auch niemand zu befreien suchen wird. Er wird ferner so viele aus seinen Gefährten selig sehen, die in den nämlichen und vielleicht in noch größeren Gefahren zu sündigen waren, die aber dennoch selig geworden sind, weil sie sich zu enthalten wußten, indem sie sich Gott anempfahlen, oder, wenn sie jemals gefallen sind, sogleich sich zu erheben und Gott zu ergeben verstanden; er aber, weil er des Sündigens kein Ende machen wollte, ist unglückselig in die Hölle gekommen, um dort unterzugehen in einem Meere von Qualen, ohne alle Hoffnung irgend einer Hilfe.

Mein Bruder, warst du etwa vorher ebenfalls so töricht, das Paradies und Gott eines elenden Vergnügens wegen zu verlieren, so verbessere nun alsbald deinen Fehler, da es Zeit ist. Fahre nicht fort, töricht zu sein, und zittere, daß du nicht etwa deine Torheit in Ewigkeit beweinen müssest. Wer weiß, ob diese Betrachtung, die du liesest, nicht der letzte Zuruf Gottes an dich ist? Wer weiß, wenn du nicht jetzt das Leben änderst, wenn du noch eine Sünde begehest, ob dich Gott nicht verlasse und dich in die Hölle verstoße, damit du ewig unter jener Schar von Toren leidest, die jetzt in der Hölle sind und ihren Irrtum zwar bekennen: „Also haben wir geirrt!" - aber sie bekennen aus Verzweiflung, indem für ihren Fehler keine Abhilfe mehr stattfindet. Wenn dich der Teufel neuerdings zur Sünde anreizt, erinnere dich an die Hölle, fliehe zu Gott und zur allerseligsten Jungfrau; gedenke ernstlich an die Hölle, und dieser Gedanke wird dich vor der Hölle bewahren: Gedenke an deine letzten Dinge und du wirst in Ewigkeit nicht sündigen (Eccl 7,14), denn der Gedanke an die Hölle wird dich antreiben, bei Gott Hilfe zu suchen.

 

Anmutungen und Bitten

Ach, mein höchstes Gut, wie oft habe ich dich wegen eines eitlen Nichts verloren und verdient, auf ewig zu Grunde zu gehen! Doch ich tröste mich, da ich höre, was dein Prophet sagt: Das Herz derjenigen, die den Herrn suchen, soll sich erfreuen. (Ps 104,3) Ich darf also die Hoffnung nicht aufgeben, dich, meinen Gott, wieder zu finden, wenn ich dich nur von Herzen suche. Ja, mein süßester Herr! nun sehne ich mich nach deiner Gnade mehr, als nach jedem anderen Gute. Gern will ich alles, auch das Leben verlieren, ehe ich mich wieder deiner Liebe beraubt sehen sollte. Ich liebe dich, mein Schöpfer, über alles, und weil ich dich liebe, so reuet es mich, dich beleidiget zu haben. Du, o mein Gott, den ich verloren und verachtet habe, verzeihe mir sogleich und laß dich wieder von mir finden, denn nimmermehr will ich dich verlieren. Nimmst du mich neuerdings in deine Freundschaft auf, so will ich alles verlassen und meine Liebe nur dir allein zuwenden; also hoffe ich von deiner Barmherzigkeit. Ewiger Vater, erhöre mich Jesu Christo zu Liebe; vergib mir und verleihe mir die Gnade, nicht mehr von dir zu scheiden; denn wenn ich dich abermals freiwillig verlieren sollte, so habe ich die Ursache, zu befürchten, von dir gänzlich verlassen zu werden. O Maria, o Mittlerin der Sünder! laß mich mit Gott Frieden schließen; und halte mich dann fest unter deinem Schutzmantel, damit ich dich ja nicht mehr verliere.