27. Betrachtung

Ewigkeit der Hölle

„Und diese werden in die ewige Pein eingehen." (Mt 25,46)

 

1. Punkt

Wäre die Hölle nicht ewig, so wäre sie keine Hölle. Das Leiden, welches nicht lange dauert, ist kein großes Leiden. Diesem Kranken schneidet man ein Geschwür weg, jenem brennt man den Krebs aus: der Schmerz ist zwar groß, jedoch weil er bald aufhört, so ist die Qual nicht übergroß. Wie schmerzlich aber wäre es, wenn dieses Schneiden oder dieses Brennen eine Woche oder einen Monat dauern würde. Ist der Schmerz aber sehr langwierig, so wird er, sei er auch noch so unbedeutend, wie z. B. ein geringes Augenweh oder ein geringer Zahnschmerz, dennoch unerträglich. Was rede ich aber von Schmerzen? Sogar ein lustiges Schauspiel oder ein schönes Musikstück, wenn es zu lange oder wohl gar einen Tag lang währt, würde man aus Überdruß nicht ertragen können. Und wie, wenn es einen Monat, ein Jahr lang anhielte? - Bedenke, wie wird es erst in der Hölle sein, wo man nicht etwa fortwährend das nämliche lustige Schauspiel oder dieselbe schöne Musik hört, wo nicht bloß ein Augen- oder Zahnweh tobt, wo man nicht bloß den Schmerz eines Schnittes oder glühenden Eisens empfindet, sondern wo alle Qualen und Schmerzen zuhause sind? Und wie lange? Durch die ganze Ewigkeit! - Sie werden Tag und Nacht, von Ewigkeit zu Ewigkeit gequält werden. (Offb 20,10)

Diese Ewigkeit ist eine Glaubenswahrheit: es ist nicht etwa eine bloße Meinung, sondern eine uns von Gott in sehr vielen Schriftstellen bezeugte Wahrheit; Weichet von mir, ihr Verfluchten! ins ewige Feuer. (Mt 25,41) Und diese werden in die ewige Pein eingehen. (Mt 46) Sie werden mit dem ewigen Verderben bestraft werden. (2 Thess 1,9) Ein jeder wird mit Feuer gesalzen werden. (Mk 9,48) So wie das Salz dazu dient, die Dinge aufzubewahren, eben so leistet das Feuer der Hölle den Dienst des Salzes, indem es die Verdammten quält und sie zugleich beim Leben erhält. „Dort zehrt das Feuer, sagt der heilige Bernardus, damit es immer erhalte." (Medit. cap. 3) Wäre nicht jener töricht zu nennen, der, um sich einen Tag lang unterhalten zu können, sich verurteilen ließe, auf zwanzig oder dreißig Jahre in eine Gruft eingesperrt zu werden? Währte die Hölle nur hundert Jahre, doch was sage ich hundert? dauerte sie nur zwei oder drei Jahre, so wäre es dennoch eine große Torheit, sich eines geringen Vergnügens wegen auf zwei oder drei Jahre zum Feuer verdammen zu lassen. Allein es handelt sich hier nicht um dreißig, nicht um hundert, auch nicht um tausend, noch um zehntausend Jahre; es handelt sich um eine Ewigkeit, es kommt darauf an, auf immer dieselben erschrecklichen Peinen zu leiden, die nie enden, nie einen Augenblick vermindert werden. Fürwahr, recht hatten die Heiligen, wenn sie, so lange sie lebten und somit auch in Gefahr schwebten, verdammt zu werden, weinten und zitterten. Der selige Einsiedler Isaias, obwohl er unter Fasten und Bußwerken in einer Wüste lebte, rief oft unter häufigen Tränen: o mich Armseligen! der ich noch immer in der Gefahr bin, verdammt zu werden. „Wehe mir Armseligen, noch immer bin ich nicht sicher vor dem höllischen Feuer."

 

Anmutungen und Bitten

Ach mein Gott! hättest du mich, wie ich es oftmals verdiente, in die Hölle verstoßen, mich aber nochmals durch deine Barmherzigkeit wieder herausgezogen: welch einen großen Dank wäre ich dir dafür schuldig! und welch ein heiliges Leben würde ich alsdann begonnen haben! Und jetzt, da du mich vor diesem Sturze bewahret hast, was will ich tun? Soll ich dich etwa neuerdings beleidigen und zum Zorne reizen, damit du mich wirklich in jenes Gefängnis verstoßest, worin die gegen dich rebellischen Menschen brennen und so viele brennen wegen weit geringeren Sünden, als ich begangen habe? Ach mein Erlöser! so machte ich es vormals: Anstatt die Zeit, die du mir gabst, zur Beweinung meiner Sünden zu benützen, brachte ich sie zu, um dich zu erbittern. Dank deiner unendlichen Güte, daß sie mich so lange erduldete! Wäre sie nicht grenzenlos, wie hätte sie mich so lange ertragen können ? Ich danke dir demnach, daß du mich bisher mit so großer Geduld erwartet hast, und zolle dir meinen Dank besonders für das Licht, das du mir jetzt gibst, um meine Torheit zu erkennen und jene Unbilden, die ich dir zufügte, indem ich dich mit so vielen Sünden entehrte. Mein Jesu! ich verfluche und bereue dieselben von ganzem Herzen; vergib mir doch um deines Leidens willen und hilf mir mit deiner Gnade, damit ich dich nicht mehr beleidige. Mit Recht zittere ich jetzt davor, daß du, sofern ich nochmals eine Todsünde beginge, mich verlassen dürftest. Ach mein Herr! ich flehe zu dir: durchdringe mich mit deiner Furcht, besonders dann, wenn der böse Feind mich neuerdings versuchen will, dich zu beleidigen. Mein Gott! ich liebe dich und ich will dich nicht mehr verlieren, hilf mir mit deiner Gnade. Komm auch du mir zu Hilfe, o allerheiligste Jungfrau Maria! und mache, daß ich in meinen Anfechtungen mich immer zu dir flüchte, um Gott nicht mehr zu verlieren. Maria! du bist meine Hoffnung.