26. Betrachtung

Von der Pein der Hölle

 

3. Punkt

Allein alle diese Qualen sind nichts gegen die Pein des Verlustes. Nicht die Hölle, nicht die Finsternisse, nicht der Gestank, noch das Geschrei und das Feuer machen die Hölle aus; die Pein, welche die Hölle eigentlich zur Hölle macht, ist der Schmerz, daß man Gott verloren habe. Der heilige Bruno sagt: „Qualen mögen auf Qualen gehäuft werden, wenn sie nur Gottes nicht beraubt werden." (Serm. de jud. fin.) Und der heilige Johannes Chrysostomus: „Zähltest du auch tausend Höllenstrafen auf, so wirst du dennoch keine nennen, welche diesem Schmerz gleichkommt." (Hom 49 ad Pop.) Und der heilige Augustinus fügt bei: Könnten die Verdammten des Angesichtes Gottes sich erfreuen, so würden sie gar keine Pein fühlen, „und selbst die Hölle würde in ein Paradies umgeschaffen werden." (S. Aug tom. 9. de tripl. hab.) Um von dieser Pein nur einigen Begriff zu haben, denke man sich zum Beispiel, jemand habe einen Edelstein verloren, der hundert Taler wert war. Dieser Verlust ist ihm wohl sehr unangenehm; hätte er aber zweihundert gegolten, so wäre sein Verdruß doppelt so groß; hätte er vierhundert gekostet, so wäre sein Schmerz um so größer. Kurz, je höher der Wert des Verlorenen steigt, desto mehr wächst auch der Schmerz. Was für ein Gut hat wohl der Verdammte verloren? Ein unendliches Gut, welches Gott ist; daher sagt der heilige Thomas, er fühle gewissermaßen unendliche Pein: „Des Verdammten Pein ist unendlich, weil sie der Verlust eines unendlichen Gutes ist." (D. Th. 1. 2. qu. 87. art. 4)

Diese Pein nun fürchten nur die Heiligen: „Dieser Schmerz ist für die Liebenden, nicht für die Verachtenden", spricht der heilige Augustinus. Der heilige Ignatius von Loyola rief aus: „Herr! jede Pein ertrage ich, nur diese nicht, deiner beraubt zu werden." Doch diesen Schmerz erfassen die Sünder nicht, die sich zufrieden stellen, ganze Monate und Jahre lang ohne Gott dahinzuleben, denn die Elenden leben ja in der Finsternis. Allein im Tode werden sie das Gut erkennen, das sie verlieren. Beim Scheiden aus diesem Leben sieht die Seele, wie der heilige Antonius sagt, sogleich ein, daß sie für Gott erschaffen worden sei: „Aber vom Leibe getrennt, erkennet die Seele Gott als ihr höchstes Gut, und daß sie für dasselbe geschaffen sei." Deshalb schwingt sie sich alsogleich empor, um hinzugehen und ihr höchstes Gut zu umfassen; ist sie aber in der Sünde, so wird sie von Gott verstoßen werden. Sieht der Jagdhund einen Hirschen, und hält ihn jemand mit einer Kette zurück, welche Gewalt wendet er nicht auf, um die Kette zu zerreißen und die Beute zu erhaschen? Sondert die Seele sich von dem Leibe, so wird sie natürlicherweise zu Gott hingezogen; allein die Sünde trennet sie von Gott, und er stößt sie weit von sich in die Hölle hinab: Eure Missetaten haben zwischen euch und eurem Gott eine Scheidewand gesetzt. (Jes 59,2) Die ganze Hölle besteht demnach in diesem ersten Worte des Verdammungsurteiles: Weichet von mir, ihr Verfluchten. Gehet hinweg, wird Jesus Christus sagen, ihr sollt, also will ich es, nimmermehr mein Angesicht schauen. „Zählte jemand auch tausend Höllenstrafen auf, so würde er dennoch keine solche nennen, als diese ist, Christo verhaßt zu sein." (Chrys. hom. 24. in Mt) Als David den Absalon verurteilte, nimmermehr vor ihm zu erscheinen, da erschien diese Strafe für Absalon so groß, daß er antwortete: „Saget meinem Vater, er möchte mir entweder erlauben, sein Angesicht wieder zu sehen, oder er soll mich töten lassen." (2 Sam 14,24) Als einst Philipp II. in der Kirche einen Großen seines Reiches unehrerbietig dastehen sah, sagte er zu ihm: „Nimmermehr sollen sie vor mir erscheinen." Dieses schmerzte nun diesen Großen so sehr, daß er nach Hause ging und vor Schmerz starb. Wie wird es erst sein, wann Gott dem Bösen die Strafe ankündigen wird: Hinweg von mir, ich will dich nicht mehr sehen! Ich will mein Angesicht vor ihm verbergen, und alle Übel sollen ihn treffen. (Dtn 31,17) Ihr, wird der Herr am jüngsten Tage zu den Verdammten sprechen, gehört nicht mehr mir zu, und ich bin nicht mehr euer. Nenne seinen Namen nicht: mein Volk; denn ihr seid nicht mein Volk, und ich will nicht euer sein. (Os 1,9)

Welche Qual ist es doch für ein Kind bei dem Tode seines Vaters oder für eine Gattin beim Tode ihres Gemahles also sagen zu müssen: Mein Vater, mein Gemahl, ich werde dich nicht mehr sehen! - Ach hörten wir jetzt eine verdammte Seele weinen und würden wir sie fragen: warum weinst du denn so sehr? sie würde das Einzige zur Antwort geben: Ich weine, weil ich Gott verloren habe und ihn nicht mehr zu sehen bekomme. Ach, könnte die Elende in der Hölle wenigstens ihren Gott lieben und in seinen Willen sich ergeben! Doch nein; denn vermöchte sie dies zu tun, so wäre die Hölle ja keine Hölle: die Unglückliche kann in den Willen Gottes sich nicht ergeben, weil sie eine Feindin des göttlichen Willens geworden ist. Sie kann nicht mehr ihren Gott lieben; sie haßt ihn und wird ihn auf immer hassen; und dies wird ihre Hölle sein, Gott erkennen als das höchste Gut und sich doch gezwungen sehen, ihn zugleich zu hassen, während sie ihn als unendlich liebenswürdig anerkennt: „Ich bin jener der Liebe Gottes beraubte Bösewicht", antwortete einst der Teufel, als er von der heiligen Katharina von Genua gefragt wurde, wer er wäre. Der Verdammte wird Gott hassen und verfluchen, und indem er über Gott flucht, so flucht er auch über die Wohltaten, die er ihm erwiesen hat, über die Erschaffung, über die Erlösung, über die heiligen Sakramente, vorzüglich über die heilige Taufe und Buße und am allermeisten über das allerheiligste Sakrament des Altars. Hassen wird er sämtliche Engel und Heilige und besonders seinen Schutzengel und seine heiligen Fürbitter und vorzüglich die göttliche Mutter; vor allen aber die drei göttlichen Personen und unter diesen hauptsächlich den Sohn Gottes (der einst für sein Heil gestorben ist); verfluchen wird er seine Wunden, sein Blut, seine Leiden und seinen Kreuzestod.

 

Anmutungen und Bitten

Ach mein Gott! du bist also mein höchstes Gut, mein unendliches Gut und ich habe dich so oft freiwillig verloren? Ich wußte wohl, daß ich dir durch meine Sünden ein großes Mißfallen verursachen und deine Gnade verlieren würde; und dennoch habe ich es getan! Ach, sehe ich dich, o Sohn Gottes! nicht durchbohrt am Kreuze für mich sterben, so hätte ich nicht Mut, von dir Verzeihung zu erbitten und zu erwarten! Ewiger Vater! sieh nicht auf mich, schaue auf diesen deinen geliebten Sohn, der dich für alle um Barmherzigkeit bittet; erhöre ihn und verzeihe mir. Ich sollte bereits schon so viele Jahre in der Hölle sein, ohne Hoffnung dich wieder lieben zu können und deine verlorene Gnade wieder zu erlangen. Mein Gott! ich bereue über alles Übel diese Schmach, die ich dir antat, indem ich auf deine Freundschaft verzichtete, deine Liebe elender irdischer Genüsse wegen verachtete. O wäre ich lieber tausend Mal gestorben! Wie konnte ich doch so blind und töricht sein! Ich danke dir, mein Herr! daß du mir Zeit schenkest, meinem begangenen Übel abzuhelfen. Da ich durch deine Barmherzigkeit noch außerhalb der Hölle mich befinde und dich, meinen Gott, noch lieben kann, so will ich dich lieben. Ich will es nicht mehr verschieben, mich ganz zu dir zu bekehren. Ich liebe dich unendliche Güte! ich liebe dich mein Lehen, mein Schatz, meine Liebe, mein Alles! Erinnere mich, o Herr! immer an die Liebe, die du zu mir getragen und an die Hölle, wo ich sein sollte, damit mich dieser Gedanke stets aneifere, mich in der Liebe zu dir zu üben und immerfort zu dir zu rufen: ich liebe dich! ich liebe dich! ich liebe dich! Maria! meine Königin, meine Hoffnung und Mutter, wenn ich in der Hölle wäre, könnte ich dich nicht mehr lieben. Ich liebe dich, ja ich liebe dich, meine Mutter! und vertraue auf dich und hoffe, daß ich nicht mehr aufhören werde, dich und meinen Gott zu lieben. Hilf mir, o bitte Jesum für mich.