24. Betrachtung

Von dem besonderen Gerichte

 

3. Punkt

Mit einem Worte: will die Seele ihr ewiges Heil erlangen, so muß sie so beschaffen sein, daß beim Gerichte ihr Leben dem Leben Jesu Christi gleichförmig befunden wurde. Denn die er vorgesehen hat, die hat er auch vorherbestimmt, daß sie dem Bilde seines Sohnes ähnlich werden. (Röm 8,29) Dies ist es, was den heiligen Job zittern machte: Was werde ich tun, wenn Gott zu richten aufstehen wird, und was werde ich ihm erwidern, wenn er Rechenschaft fordern wird? Philipp II. gab einem von seinen Dienern, der ihn belog, einen Verweis und sagte: „So täuschest du mich?" Dieser Arme ging nach Hause und starb vor Schmerz. Was wird der Sünder tun, was wird er Jesu Christo antworten können? Er wird es wie jener im Evangelium machen, der ohne Hochzeitskleid kam und schwieg, indem er nichts zu antworten wußte: Er verstummte. (Mt 22) Die Sünde selbst wird ihm den Mund verstopfen: Die Boshaften werden ihren Mund verschließen. (Ps 106,42) Der heilige Basilius sagt, dem Sünder werde dazumal die Beschämung viel peinlicher sein als selbst das höllische Feuer. „Furchtbarer als Feuer wird ihre Beschämung sein."

Siehe, nun wird endlich der Richter das Urteil aussprechen: Gehe hinweg von mir, du Verfluchter, in das ewige Feuer. „O, welche fürchterliche Stimme wird dies sein! O wie schrecklich wird dieser Donner erschallen!" also ruft der Karthäuser. Der heilige Anselmus sagt: „Wer bei solchem Donnerworte nicht zittert, der schläft nicht nur, nein, der ist schon tot." Und Eusebius fügt bei, der Schrecken der Sünder werde bei Anhörung des Verdammungsurteils so groß sein, daß sie, wenn sie sterben könnten, neuerdings sterben würden: „Ein so gewaltiger Schrecken wird die Bösen überfallen, wenn sie den Richter das Urteil werden vortragen hören, daß sie, wären sie nicht unsterblich, neuerdings sterben würden." Alsdann, sagt der heilige Thomas von Villanova, alsdann gibt es keinen Platz mehr zum Gebete und keine Fürbitter, zu denen man sich wenden könnte: „Dort ist kein Ort zu bitten; kein Fürbitter wird helfen, kein Freund, kein Vater." Zu wem werden sie also sich dann flüchten? Etwa zu Gott, den sie so verachtet haben? Soll der Verachtete nun Hilfe leisten? „Nicht jener Gott, den du verachtetest!" (S. Basil. Orat. 4. de Poenit) Vielleicht zu den Heiligen? oder zur allerseiigsten Jungfrau Maria? Nimmermehr, denn alsdann werden die Sterne, worunter die heiligen Fürbitter verstanden werden, vom Himmel fallen; und der Mond, welcher Maria bezeichnet, wird nicht mehr sein Licht geben. (Mt 24) „Maria wird von der Pforte des Himmels fliehen." (S. Aug. Serm. 3 ad fratres.)

O Gott! ruft der heilige Thomas von Villanova aus, mit welcher Gleichgültigkeit hören wir vom Gerichte reden, als könnte das Verdammungsurteil uns gar nicht treffen oder als dürften wir gar nicht gerichtet werden. „Ach, wie gleichgültig sprechen und vernehmen wir dies, als ginge uns dies Urteil nicht einmal an oder als hätte dieser Tag gar nicht zu kommen." (Conc. 1. de Judic) Und welche Torheit ist es, setzt der nämliche Heilige bei, bei einer so gefährlichen Sache untätig zu bleiben. Wie töricht ist diese Sicherheit in einer so entscheidenden Sache! Sage nicht, mein Bruder, warnet der heilige Augustinus: Wie? soll mich Gott wirklich in die Hölle verstoßen, soll Gott mich wirklich verdammen wollen? Sage dies ja nicht, spricht der Heilige, denn auch die Juden glaubten nicht, vertilgt zu werden, und so viele Verdammte ließen sich auch nicht überzeugen, daß sie in die Hölle würden verstoßen werden; und es kam dennoch die Strafe: Das Ende kommt, es kommt das Ende ... Nun will ich meinen Grimm über dich kommen lassen und dich richten. (Ez 7) Und so wird es auch dir ergehen, sagt der heilige Augustinus: „Es wird der Tag des Gerichtes kommen, und du wirst wahr finden, was Gott angedroht hat." Jetzt ist noch Zeit zur Wahl, welchen Urteilsspruch wir erfahren wollen. „In unserer Macht ist es, bezeugt der heilige Eligius, wie wir gerichtet werden sollen." Was haben wir also zu tun? Dieses: Unsere Rechnung noch vor dem Gerichtstage in Richtigkeit zu bringen. Vor dem Urteile sollst du dir die Gerechtigkeit bereiten. (Eccl 18,19) Kluge Handelsleute durchgehen und berichtigen gar oft ihre Rechnungen, damit sie ja nicht in die Lage geraten, ihre Zahlungen einstellen zu müssen; dies ist ein Gedanke des heiligen Bonaventura. „Vor dem Gerichte kann der Richter noch besänftiget werden, nimmermehr aber nach erfolgtem Urteile", sagt der heilige Augustinus. Sprechen wir also zum Herrn, wie der heilige Bernardus sprach: „Als schon gerichtet, nicht aber um erst gerichtet zu werden, will ich vor dir erscheinen." Mein Richter! noch während meines Lebens will ich von dir mich verurteilen und strafen lassen, wo die Zeit der Barmherzigkeit ist; da kannst du mir noch verzeihen; denn nach dem Tode wird die Zeit der Gerechtigkeit eintreten.

 

Anmutungen und Bitten

Mein Gott! besänftige ich dich nicht jetzt schon, so wird alsdann keine Zeit mehr sein, dich zu versöhnen. Wie aber werde ich dich besänftigen, da ich so oft elender tierischer Genüsse wegen deine Freundschaft verachtet habe? Ich habe mit Undank deine unermeßliche Liebe vergolten! Welche würdige Genugtuung kann je ein Geschöpf für die seinem Schöpfer zugefügten Beleidigungen leisten? Ach mein Herr! ich danke dir, denn deine Barmherzigkeit hat mir schon die Weise, dich zu versöhnen und zu befriedigen, an die Hand gegeben. Ich opfere dir auf das Blut und den Tod deines Sohnes Jesu, und siehe schon sehe ich deine Gerechtigkeit versöhnt und überflüssig befriediget. Doch von meiner Seite forderst du Reue. Ja, mein Gott, ich bereue von ganzem Herzen alle Unbilden, die ich dir antat. O mein Erlöser! ich bitte dich, halte jetzt schon über mich Gericht; denn ich verfluche alle dir zugefügten Unbilden, über jedes Übel; und ich liebe dich über alles von meinem ganzen Herzen und nehme mir vor, dich stets zu lieben und lieber zu sterben, als dich wieder zu beleidigen. Du versprachst ja dem zu vergeben, welcher Reue hat; wohlan also! richte mich jetzt und sprich mich los von meinen Sünden. Willig nehme ich die Strafe an, welche ich verdiene; nur nimm mich wieder in deine Gnade auf und erhalte mich darin bis zum Tode. Also hoffe ich.  O Maria, meine Mutter! ich danke dir für so viele Erbarmungen, die du mir erflehet hast; ach, fahre fort, bis an mein Ende mich zu beschützen.