24. Betrachtung

Von dem besonderen Gerichte

 

2. Punkt

Betrachte die Anklage und Untersuchung: Man setzte sich zu Gericht und schlug die Bücher auf. (Dan 7,10) Dieser Bücher werden zwei sein: das Evangelium und das Gewissen. Im Evangelienbuche wird man lesen, was der Angeklagte hätte tun sollen; im Gewissen, was er getan hat. „Jeder wird da sehen, was er getan hat", sagt der heilige Hieronymus. Auf der Waage der göttlichen Gerechtigkeit wird man alsdann nicht die Reichtümer, die Würden und den Adel der Personen abwägen, sondern nur ihre Werke: Du bist auf der Waage gewogen, sagte Daniel zum König Belschazzar, und zu leicht befunden worden. (Dan 5,27) P. Alvarez bemerkt bei dieser Stelle: „Nicht Gold, nicht Reichtum kommt auf die Waage, nur der König wird gewogen." Hierauf werden die Kläger kommen und zuerst der Teufel. In einem Augenblicke, sagt der heilige Augustinus, wird der Teufel vor dem Richterstuhle Christi stehen und die Worte unserer Versprechungen aufsagen. „Er wird uns ins Angesicht vorwerfen, was wir alles taten, an welchem Tage, zu welcher Stunde wir sündigten." (S. Aug. Cont. Jud. tom. 6) Er wird die Worte deiner Versprechungen aufsagen, das heißt, er wird alles das, was wir Gott versprochen und nicht gehalten haben, alle Fehler anführen, indem er Tag und Stunde bezeichnet, wo wir sie begingen. Darauf wird er, wie der heilige Cyprianus schreibt, zum Richter sich wendend, sprechen: „Ich habe für sie weder Backenstreiche, noch Geißelschläge ausgestanden. Herr! ich habe für diesen Verbrecher gar nichts gelitten; dich aber, der du zu seiner Rettung gestorben bist, verließ er, um mein Leibeigener zu werden, daher gehört er mir zu." Auch die heiligen Schutzengel werden Ankläger sein, wie Origenes sagt: „Jeder von den Engeln legt Zeugnis wider ihn ab, wie viele Jahre er für ihn gearbeitet, wie er aber diese ihre Ermahnungen verachtet habe." (Orig. Hom. 66) So haben sie denn alle ihre Freunde verachtet und sind ihre Feinde geworden. (Thren 1,2) Es werden Klagen führen sogar die Wände, zwischen welchen der Verbrecher wird gesündiget haben. Denn es werden die Steine aus der Mauer rufen. (Hab 2,11) Kläger wird selbst ihr eigenes Gewissen sein: Indem ihr Gewissen sie überführt an dem Tage, da Gott richten wird. (Röm 2) Ja selbst die Sünden werden sprechen und sagen: „Du hast uns gemacht, wir sind dein Werk, wir werden dich nicht verlassen." (Lib. Medit. Cap. 2) Endlich, wie der heilige Chrysostomus sagt, werden dich anklagen die Wunden Christi. „Die Nägel werden über dich Klage führen, die Wunden werden wider dich sprechen, das Kreuz Christi wird wider dich reden." (Chrys. Hom. in Matth.) Hierauf wird man zur Untersuchung schreiten.

Der Herr sagt: Ich will Jerusalem mit Laternen durchsuchen. (Zef 1,12) Das Licht, sagt Mendozza, dringt durch alle Winkel des Hauses, und Cornelius a Lapide sagt bei Erklärung des Wortes „Licht", Gott werde alsdann dem Angeklagten vor Augen stellen die Beispiele der Heiligen und alle Erleuchtungen und Einsprechungen, die er im Leben ihm erteilt und die ganze Reihe der Jahre, die er ihm verliehen hat, um Gutes zu tun: Er hat die Zeit wider mich aufgerufen. (Thren 1,15) Da wirst du Rede stehen müssen für jeden Blick deines Auges: „Man wird sogar für jeden Blick deines Auges von dir Rechenschaft fordern;" also der heilige Anselmus. Er wird die Kinder Levi reinigen und sie läutern. (Mal 3,3) Wie man das Gold läutert, indem man die Schlacken davon absondert, so werden auch sogar die guten Werke, die Beichten, die Kommunionen usw. untersucht werden: Zur bestimmten Zeit werde ich die Gerechtigkeit richten. (Ps 74,3) Kurz, beim Gerichte wird, wie der heilige Petrus sagt, kaum der Gerechte selig werden: Wenn der Gerechte kaum selig wird, wo wird der Gottlose und Sünder erscheinen? (1 Petr 4,18) Und muß man wegen eines jeden müßigen Wortes Rechenschaft geben, welche Verantwortung wird man erst aushalten müssen für so viele böse Gedanken, in die man einwilligte, für so viele unzüchtige Worte, die man aus dem Munde ließ? Der heilige Gregorius sagt: „Wenn für ein müßiges Wort Rechenschaft gefordert wird, um wieviel mehr für ein unkeusches?" Jene Menschen aber, die in ihrem Leben viel Ärgernis gegeben und dadurch die Seelen dem Herrn geraubt haben, gehen besonders jene Drohworte an, die Gott beim Propheten spricht: Ich will sie anfallen wie eine Bärin, der man ihre Jungen geraubt. (Os 13,8) Ist dann deutlich von den Werken die Rede, so wird der Richter sagen: Gebt ihm von der Frucht seiner Hände (Spr 31), bezahlt ihn nach den Werken, die er verrichtete.

 

Anmutungen und Bitten

Ach mein Jesu! wolltest du nach den Werken, die ich verübte, mir vergelten, so gehörte mir nichts anderes zu, als die Hölle. O Gott, wie oft schrieb ich mir selbst das Urteil meiner Verdammung zu jenem Orte der Qualen! Ich sage dir Dank für die Geduld, die du hattest, indem du so lange mich ertragen hast. O Gott! müßte ich jetzt vor deinem Richterstuhle erscheinen, welche Rechenschaft würde ich dir über mein Leben ablegen können? Gehe mit deinem Diener nicht ins Gericht. Ach Herr, warte noch ein wenig auf mich, sprich das Urteil noch nicht über mich. Wolltest du mich jetzt schon richten, was würde mit mir geschehen? Warte mir zu. Da du mir so viele Erbarmungen erwiesen hast, so erweise mir noch diese, gib mir einen heftigen Schmerz über meine Sünden. Ich bereue es, o höchstes Gut! dich so oft verachtet zu haben. Ich liebe dich über alles. Ewiger Vater, verzeihe mir, Jesu Christo zu Liebe, und verleihe mir um seiner Verdienste willen die heilige Beharrlichkeit. Mein Jesu! ich hoffe alles von deinem Blute. O heiligste Jungfrau Maria! auf dich setze ich meine Zuversicht. Du, unsere Fürsprecherin, wende deine barmherzigen Augen zu uns. Sieh mich an in meinen Armseligkeiten, und habe Mitleid mit mir.