22. Betrachtung

Von der bösen Gewohnheit

 

3. Punkt

Ist einmal das Licht verloren, und das Herz verhärtet, so wird sittlicherweise davon die Folge sein, daß der Sünder ein übles Ende nehme, und hartnäckig in seiner Sünde sterbe. Einem verstockten Herzen wird es am Ende übel ergehen. (Eccl 3,27) Die Gerechten gehen den geraden Weg fort: Richtig ist der Fußsteig der Gerechten zu wandeln. (Jes 26,7) Dagegen gehen die Gewohnheitssünder immer im Kreise umher. Die Gottlosen gehen rings herum. (Ps 11,9) Sie verlassen die Sünden auf einige Zeit und kehren dann wieder zu ihnen zurück. Diesen kündet der heilige Bernardus die Verdammung an: „Wehe dem Menschen! der diesen Unweg fort und fort einschlägt." (Serm. 12, sup. Ps. 90) Es kann aber einer sagen: vor dem Tode will ich mich schon bessern. Allein, das ist eine schwere Sache, daß ein Gewohnheitssünder, wenn er auch ein hohes Alter erreicht, sich bessere, sagt der Heilige Geist: Ein Jüngling wird vom gewohnten Wege nicht abweichen. (Spr 22,6) Hiervon, sagt der heilige Thomas von Villanova, liegt die Ursache darin, weil unsere Kraft sehr klein ist: Eure Stärke wird wie verbrannte Stoppeln sein. (Jes 1,31) Hieraus folgt, daß, wie der Heilige sagt, die der Gnade beraubte Seele nicht anders kann, als neuerdings sündigen: „Dadurch geschieht, daß die Seele, welcher die Gnade entzogen ist, ferneren Sünden nicht lange ausweichen kann." Überdies aber wie töricht wäre einer, wenn er spielen, und freiwillig all das Seine verlieren wollte in der Hoffnung, sich beim letzten Spiele wieder zu erholen. Dies ist die Torheit desjenigen, der in Sünden fortlebt, und sich mit der Hoffnung schmeichelt, in den letzten Tagen seines Lebens alles wieder gutzumachen. Kann wohl der Mohr oder der Leopard die Farbe seiner Haut anders machen? Und wie wird denn der ein gutes Leben führen, welcher lange an das Böse gewohnt war? Wenn ein Mohr seine Haut verändern kann oder ein Parder seine Flecken, so könnt auch ihr Gutes tun, die ihr des Bösen gewohnt seid. (Jer 13,23) Und so kommt es, daß der Gewohnheitssünder sich der Verzweiflung überläßt, und darin sein Leben endet. Wer aber harten Herzens ist, der wird ins Unglück stürzen. (Spr 28, 14)

Der heilige Gregorius spricht folgende Stelle Jobs: Er hat mir eine Wunde über die andere geschlagen und wie ein Riese mich überfallen. (Job 16,15) Also, wird jemand von einem Feinde angegriffen, so ist er beim ersten Schlage, den er bekommt, vielleicht noch fähig, sich zu verteidigen; je mehr Schläge er aber bekommt, desto mehr verliert er an Kräften, bis er endlich unterliegt. So macht es die Sünde; das erste, das zweite Mal bleibt dem Sünder einige Stärke (es versteht sich immer, mittelst der ihm beistehenden Gnade); sündigt er aber sodann fort, so wächst die Sünde an wie ein Riese, um ihn zu überfallen. Wie wird nun der Sünder bei seiner Schwäche und mit Wunden überhäuft dem Tode zu entweichen vermögen? Die Sünde gleicht ferner, wie Jeremias sich ausdrückt, einem großen Steine, der die Seelen niederdrückt: Und sie haben einen Stein auf mich gelegt. (Thren 3,53) Der heilige Bernardus sagt, einem Gewohnheitssünder sei es ebenso schwer, wieder aufzustehen, als es einem Menschen mühsam ist, sich zu erheben, wenn er unter einem großen Steine liegt und nicht so stark ist, ihn fortzuwälzen, um dessen los zu werden. „Schwer steht der auf, den der Stein einer bösen Gewohnheit darniederdrückt."

Also - wird jener Gewohnheitssünder fragen - also ist für mich keine Hoffnung mehr? Höre die Wahrheit: Wenn du selbst mitwirken willst, darfst die Hoffnung nicht aufgeben; wisse aber, sagt ein Schriftsteller, daß man gegen die schwersten Übel auch die bewährtesten Arzneien anwenden müsse: „In schweren Krankheiten muß man mit vorzüglichen Hilfsmitteln den Anfang machen." (Card. Meth. cap. 16) Würde ein Arzt zu einem tödlich Kranken, der keine Arznei nehmen will, weil er die Bedenklichkeit seines Übels nicht erkennt, also sprechen: Freund, nimmst du diese Arznei nicht ein, so bist du des Todes! was würde wohl der Kranke antworten? Ei, würde er sagen, ich bin bereit, alles zu nehmen; es handelt sich ja um mein Leben. Eben diese Worte sage ich zu dir, mein Christ, wenn du an eine Sünde gewohnt bist. Gar schlecht steht es mit dir, du bist einer jener Kranken, „die da selten genesen", wie der heilige Thomas von Villanova spricht; du stehst am Rande der Verdammnis; willst du jedoch wieder hergestellt werden, so gibt es gleichwohl ein Mittel, doch darfst du kein Wunder von der Gnade erwarten. Du mußt dir selbst Gewalt antun, indem du alle Gelegenheit zur Sünde hinwegräumst, der bösen Gesellschaft ausweichest und Widerstand leistest, und dich Gott anempfiehlst, so oft du versucht wirst. Du mußt auch noch folgende Mittel gebrauchen, nämlich: oft beichten, täglich ein geistliches Büchlein lesen, Maria, die allerheiligste Jungfrau, verehren, indem du sie stets bittest, sie möchte dir die Stärke erlangen, nicht wieder zu fallen. Du mußt Gewalt brauchen, sonst erfüllt sich an dir des Herrn Drohung gegen die Verstockten: Ihr werdet in euren Sünden sterben. (Joh 8,21) Und greifest du nicht jetzt zu den Mitteln, da dir Gott dies Licht gibt, so wirst du dir nachher schwerlich heraushelfen können. Höre, wie Gott dir zuruft: Lazarus, komm hervor! O elender, schon verstorbener Sünder! komme hervor aus diesem finsteren Grabe deines so schlechten Lebens. Entsprich und ergib dich Gott alsogleich, und zittere, denen dies könnte der letzte Ruf sein an dich.

 

Anmutungen und Bitten

Ach mein Gott! soll ich noch länger zögern, bis du mich wirklich verläßt und in die Hölle mich wirfst? Ach Herr! warte doch auf mich, ich will das Leben schon ändern und dir mich ergeben. Sage mir, was ich tun soll, ich will es gern vollziehen. O Blut Jesu! hilf mir. O du Fürsprecherin der Sünder, Maria! komme mir z.u Hilfe. Und du, ewiger Vater! erbarme dich meiner um der Verdienste Jesu und Maria willen. Es reuet mich, o Gott unendlicher Güte! dich beleidiget zu haben, und ich liebe dich über alles. Verzeihe mir Jesu Christo zu Liebe und gib mir Liebe zu dir. Flöße mir auch eine große Furcht ein, vor meinem Untergang, wenn ich dich neuerdings beleidigen würde. Licht, mein Gott! Licht und Stärke alles hoffe ich von deiner Barmherzigkeit. Du hast mir ja so viele Gnaden erwiesen, als ich fern von dir dahinlebte, um so mehr darf ich jetzt deinen Beistand erwarten, da ich mit dem Vorsatze zu dir zurückkehre, nichts mehr zu lieben, als dich. Ich liebe dich, mein Gott, mein Leben, mein Alles. Auch dich, o Maria! liebe ich, dir übergebe ich meine Seele, bewahre du sie durch deine Fürbitte von dem Rückfalle in Gottes Ungnade.