21. Betrachtung

Unglückliches Leben des Sünders und glückliches Leben desjenigen, der Gott liebt.

 

2. Punkt

Allein Salomon sagt nicht nur, daß die Güter dieser Welt eitel seien und durchaus nicht befriedigen, sondern sie sind auch Leiden, die den Geist betrüben: Und siehe, alles ist Eitelkeit und Geistesplage. (Eccl 1,14) Wehe den Sündern! Sie bemühen sich, durch ihre Sünden sich glücklich zu machen, finden aber nur Bitterkeit und Gewissensbisse! Trübsal und Unglück ist auf ihren Pfaden, und den Weg des Friedens erkannten sie nicht (Ps 13,3) Frieden! welchen Frieden? Nein, sagt Gott: Für die Gottlosen ist kein Friede. (Jes 48,22) Fürs erste hat die Sünde zur Folge die Furcht vor der göttlichen Rache. Hat jemand einen Mächtigen zum Feinde, so ißt und schläft er nie ruhig. Und kann wohl jener, der Gott zum Feinde hat, Ruhe haben? Die da Böses üben, sind in Furcht und Sorgen. (Spr 10,29) O, wie zittert der, der in der Sünde ist, wenn er nur donnern hört. Jedes Laub, das sich bewegt, erschreckt ihn. Schreckenstöne erschallen immer in seinen Ohren. (Job 15,21) Er nimmt die Flucht, ohne zu sehen, wer ihn verfolge. Der Gottlose flieht, ohne dass jemand ihm nachsetzt. (Spr 28,1) Und wer verfolgt ihn? Seine eigene Sünde. Nachdem Kain den Abel getötet hatte, sprach er: Jeder also, der mich findet, wird mich töten. (Gen 4.14) Und obgleich der Herr ihn versicherte, daß niemand ihm zu Leibe gehen werde: „Keineswegs - also sagte der Herr zu ihm - soll dies geschehen", so sagt doch die Schrift, daß Kain als Flüchtling in der Welt gewohnt habe; (ibid.) immer streifte er von einem Orte zum anderen herum. Wer war Kains Verfolger? Wer anders als seine Sünde?

Ferner folgt der Sünde der Vorwurf des Gewissens, und dieses ist jener tyrannische Wurm, der immerdar naget. Der elende Sünder geht ins Schauspiel, zum Freudenfest, auf den Spazierweg, aber das Gewissen sagt zu ihm: Du bist in Gottes Ungnade, wo gehst du hin? Die Gewissensbisse sind eine große Marter auch in diesem Leben, daß manche sogar, um davon los zu werden, sogar zu Selbstmördern wurden. Einer von diesen war Judas, der, wie man weiß, aus Verzweiflung sich selbst erhenkte. Man erzähl! Von einem anderen, der, nachdem er ein Kind ermordet hatte, sich in ein Kloster begab, um von seinen Gewissensbissen frei zu werden; allein da er auch im Kloster keine Ruhe finden konnte, überlieferte er sich selbst dem Richter, bekannte sein Verbrechen und ließ sich zum Tode verurteilen.

Was ist eine Seele, die ohne Gott ist? Der heilige Geist sagt es, sie ist ein sturmbewegtes Meer: Die Gottlosen aber sind wie das tobende Meer, das nicht ruhen kann. (Jes 27,20) Ich frage, wenn jemand zu einem Musikfeste, wo es Musik, Tanz und Erfrischungen gibt, gebracht, dort mit Fuß und Kopf abwärts gehangen würde, könnte er sich wohl freuen? So ist jener Mensch, welcher unter und über sich inmitten der Güter dieser Welt sich befindet, aber ohne Gott. Er wird zwar essen, trinken, tanzen, er wird dieses kostbare Kleid tragen, jene Ehren, jene Anstellung, jenen Besitz erlangen, aber dabei niemals die Ruhe genießen. Für die Gottlosen ist kein Friede. Den Frieden erhält man ausschließlich nur von Gott, und Gott gibt ihn seinen Freunden, nicht aber seinen Feinden.

Die Güter dieser Welt, sagt der heilige Vincentius Ferrerius, sind außerhalb des Herzens und nicht innerhalb desselben. Gewässer sind sie, die sich nicht dahin ergießen, wo Durst ist. Jener Sünder mag wohl ein schön gesticktes Kleid am Leibe, einen schönen Diamant am Finger tragen, mit seinem Talente prahlen; sein armes Herz aber wird voll Dornen und Galle sein; und daher wirst du ihn bei allen seinen Reichtümern, Ergötzungen und Belustigungen immer unruhig, bei vorfallenden Verdrießlichkeiten aber in Wut und Zorn entbrennen und einem tollen Hunde gleich finden. Wer Gott liebt, der ergibt sich bei Widerwärtigkeiten dem göttlichen Willen und findet Ruhe; wer aber dem Willen Gottes zuwider dahinlebt, vermag dies nicht und hat sohin kein Mittel, sich zu beruhigen. Dient der Elende dem Teufel, so dient er einem Wüterich, der mit Verdruß und Bitterkeit ihn bezahlt. Nimmermehr können die Worte Gottes vergehen, der da sagt: Weil du dem Herrn deinem Gott nicht mit Freuden gedient hast ... wirst du deinem Feinde dienen ... in Hunger und Durst, in Blöße und aller Not. (Dtn 28,47,48) Was hat nicht dieser Rachgierige noch zu ertragen, nachdem er sich schon gerächt hat, jener Wollüstling, nachdem er seinen Zweck schon erreicht hat, dieser Ehrsüchtige, jener Geizige! O wie viele würden große Heilige werden, wenn sie das für Gott erduldeten, was sie leiden, um in die Hölle sich zu stürzen.

 

Anmutungen und Bitten

O verlorenes Leben! Ach, mein Gott, hätte ich die Beschwerden, die ich ausstand, um dich zu beleidigen, für deinen Dienst auf mich genommen: wie viele Verdienste hätte ich nun für das Paradies. Ach, mein Herr! ach warum verließ ich dich und warum verlor ich deine Gnade ? Einiger vergifteter und kurzer Genüsse wegen, die, da ich sie kaum verkostet hatte, mich verließen und mein Herz mit Dornen und Bitterkeiten erfüllten. O ihr, meine unglücklichen Sünden! ich verwünsche und verfluche euch tausend Mal; ich preise aber, o du mein mildester Herr! deine Barmherzigkeit, die mit so großer Geduld mich ertrug. Ich liebe dich, o mein Schöpfer und Erlöser! der du das Leben für mich gabst; und weil ich dich liebe, so bereue ich von ganzem Herzen, dich beleidiget zu haben. Mein Gott, mein Gott, o warum habe ich dich verloren ? Wofür habe ich dich vertauscht? Jetzt sehe ich wohl ein, das Böse, das ich tat und fasse den ernstlichen Entschluß, lieber alles, auch das Leben zu verlieren, als deine Liebe. Gib mir Licht, o ewiger Vater! um Jesu Christi willen; laß mich erkennen, welch großes Gut du seiest und wie schlecht dagegen jene Güter seien, die der Teufel mir vorspiegelt, um zum Verluste deiner Gnade mich zu bewegen. Ich liebe dich, aber ich wünsche dich noch mehr zu lieben. Mache, daß du mein einziger Gedanke, mein einziges Verlangen, meine einzige Liebe seiest. Alles hoffe ich von deiner Güte durch die Verdienste deines Sohnes. Maria, meine Mutter! ich bitte dich, erlange mir um der Liebe willen, die du zu Jesu Christo trägst, Licht und Stärke ihm zu dienen und ihn bis in den Tod zu lieben.