21. Betrachtung

Unglückliches Leben des Sünders und glückliches Leben desjenigen, der Gott liebt.

„Für die Gottlosen ist kein Friede, spricht der Herr." (Jes 48,22)

„Die dein Gesetz lieben, haben großen Frieden." (Ps 118,126)

 

1. Punkt

Jeder Mensch, der in diesem Leben sich befindet, strebt nach Ruhe. Es strebt jener Handelsmann, jener Soldat, jener, der da mit einem Rechtsstreite beschäftigt ist, daß er durch diesen Gewinn, durch diese Stelle, durch diesen Rechtshandel sein Glück mache und somit Ruhe finde. O ihr armen Weltkinder, die ihr den Frieden suchet bei der Welt, welche ihn nicht geben kann! Gott allein kann uns den Frieden verschaffen: Gib deinen Dienern, bittet die heilige Kirche, jenen Frieden, den die Welt nicht geben kann. Nein, mit allen ihren Gütern vermag die Welt es nicht, das Herz des Menschen zufrieden zu stellen; denn nicht für diese Güter ist der Mensch erschaffen, sondern für Gott; und deshalb kann ausschließlich nur Gott ihn befriedigen. Die Tiere, die zur Sinneslust geschaffen sind, finden den Frieden in den Gütern der Erde. Gib einem Lasttier ein Büschlein Heu, gib einem Hunde ein Stück Fleisch und siehe, sie sind zufrieden und wünschen nichts mehreres. Die Seele aber, nur zur Liebe und zur Vereinigung mit Gott erschaffen, wird trotz aller erdenklichen sinnlichen Vergnügungen ihre Ruhe nie finden; nur Gott allein ist fähig, sie vollkommen zufrieden zu stellen.

Der Reiche, welcher (wie der heilige Lukas 12,19 erzählt) von seinen Feldern eine gute Ernte gewonnen hatte und sodann bei sich sagte: Meine Seele, du hast einen großen Vorrat an Gütern auf viele Jahre; ruhe nun, iss und trink - wurde ein Tor genannt. „Du Tor", sagt mit Recht der heilige Basilius, „hast du vielleicht die Seele von einem Schweine oder von irgend einem Tiere, daß du deine Seele mit Essen und Trinken oder mit Sinneslust zu ersättigen meinest? Ruhe nun, iss und trink." Der Mensch kann, wenn er auch die Güter dieser Erde vollauf hätte, doch nicht satt werden: „Aufgeblasen zwar, doch nicht gesättiget kann er werden", sagt der heilige Bernardus. Und der nämliche Heilige schreibt über jenes Evangelium: Siehe, wir haben alles verlassen ... Er habe mehrere Narren mit verschiedenen Torheiten gesehen. Er sagt, alle diese hätten großen Hunger gelitten, einige aber sättigen sich mit Erde - das Bild der Geizigen; andere mit Luft - das Bild der Ehrsüchtigen; die einen verschluckten an einem Ofen die Feuerfunken, die da aufsprühten - das Bild der Jähzornigen; die andern endlich tranken bei einem stinkenden See aus diesem faulen Wasser - das Bild der Wollüstigen. Der Heilige wendete sich hierauf zu ihnen und sprach: „O ihr Narren! wißt ihr nicht, daß diese Dinge euern Hunger eher vermehren als stillen?" Und fürwahr; die Güter dieser Erde reizen vielmehr den Hunger, als daß sie ihn zu stillen vermöchten. Die irdischen Güter sind nur Scheingüter und können daher dem Menschen nicht Genüge leiste: Ihr habt gegessen und euch nicht ersättiget. (Hag 1,6) Je mehr daher der Geizige gewinnt, desto mehr sucht er zu erwerben. Der heilige Augustinus sagt: Eine größere Menge Geld stopft den Rachen des Geizes nicht, sondern reißt ihn um so weiter auf. Je mehr der Wüstling im Unflate sich wälzt, desto mehr bekommt er Ekel und Hunger zugleich, und wie können auch Kot und sinnlicher Unflat das Herz befriedigen? Ebenso ergeht es dem Ehrgeizigen, der mit Rauch sich sättigen will; denn der Ehrsüchtige sieht immer mehr auf das, was ihm fehlt, als auf das, was er hat. Alexander der Große vergoß nach der Eroberung so vieler Reiche Tränen, und warum? - weil er die Herrschaft über die andern noch nicht besaß. Könnten die Güter dieser Welt den Menschen befriedigen, so wären die reichen Leute oder die Herrscher vollkommen glücklich: doch die Erfahrung zeigt das Gegenteil. Salomon, der da bezeugt, daß er seinen Sinnen ganz und gar nichts versagt habe: Und alles, was meine Augen nur wünschten, habe ich ihnen gewährt (Eccl 2,10), sagt dessenungeachtet: Eitelkeit über Eitelkeit, und alles ist Eitelkeit. (Ibid. 1,2) Er will sagen: Alles, was auf der Welt ist, ist lauter Eitelkeit, lauter Lüge, lauter Torheit.

 

Anmutungen und Bitten

Ach mein Gott! was habe ich zum Lohne von jenen Beleidigungen, die ich vor dir verübte, als Pein, Bitterkeit und eine Schuldenlast für die Hölle? Doch ist mir diese Bitterkeit, die ich darob empfinde, nicht unlieb, ja sie tröstet mich vielmehr, denn sie ist ein Geschenk deiner Gnade und läßt mich einsehen, daß du mir verzeihen wollest, eben weil du sie in mir erweckest. Was mich schmerzt, besteht darin, daß ich dich, meinen Erlöser, erzürnte, der du mich so sehr liebtest. Ich hätte verdient, mein Herr, von dir verlassen zu werden; allein, statt mich zu verlassen, sehe ich, daß du Verzeihung mir anbietest, ja du bist sogar der erste, der um Frieden bittet. Ja, mein Jesus, ich will Frieden schließen, und ich sehne mich nach deiner Gnade mehr, als nach jedem anderen Gute. Es reuet mich, mein Jesu, dich beleidiget zu haben, ich möchte vor Schmerz hierüber sterben. Ach, verzeihe mir um jener Liebe willen, die du zu mir hattest, da du am Kreuze deinen Geist für mich aufgabst; nimm mich wieder in dein Herz auf und verändere mein Herz so, daß ich dir in der Folge ebenso viele Freude mache, als ich dir bisher Schmerz verursachte. Dir zu Liebe verzichte ich nun auf alle Vergnügen, welche die Welt mir geben könnte, und ich nehme mir vor, lieber das Leben als deine Gnade zu verlieren. Sage mir nur, was ich tun soll, um dir zu gefallen, denn ich will alles tun. Hinweg mit den Vergnügungen, mit den Ehrenstellen, mit den Reichtümern! Dich allein will ich lieben, mein Gott, mein Ruhm, mein Schatz, mein Leben, meine Liebe, mein Alles! O Herr! stehe mir mächtig bei, auf daß ich dir getreu bleibe. Gib mir die Gnade, dich zu lieben und dann tue mit mir, was du willst. - Maria, meine Mutter, und nach Jesu meine Hoffnung! nimm mich in deinen Schutz und mache mich ganz Gott ergeben.