20. Betrachtung

Torheit des Sünders

„Die Weisheit dieser Welt ist vor Gott Torheit." (1 Kor 3,19)

 

1. Punkt

Der ehrwürdige P. Johannes von Avila sagte, die Welt sollte eigentlich nur zwei Kerker haben, einen für die Ungläubigen und den andern für jene, die gläubig sind und dennoch in der Sünde fern von Gott leben; und diese letzteren gehörten eigentlich ins Tollhaus. Das größte Unglück dieser Elenden besteht aber darin, daß sie sich weise und klug wähnen, während sie die törichtesten und dümmsten Leute der Welt sind. Und das Übel ist um so größer, da es dergleichen Menschen unzählbar viele gibt: Die Zahl der Toren ist unendlich. (Eccl 1,15) Diesen macht der Ehrgeiz zum Narren, jenen die Genußsucht, einen Dritten die elende Sucht nach irdischen Gütern. Und solche sind es gerade, die es wagen, die Heiligen - Toren zu nennen deshalb, weil diese die Güte dieser Erde verachten, um die Seligkeit zu erlangen, und das wahre Gut, welches Gott ist. Sie halten es für Torheit: die Verachtungen ertragen, die Unbilden verzeihen; für Unsinn: den sinnlichen Vergnügungen entsagen und seine Sinne abtöten; für Dummheit: auf die Ehren und Reichtümer dieser Welt Verzicht leisten, die Einsamkeit lieben, ein demütiges, zurückgezogenes, verborgenes Leben führen. Aber sie bedenken nicht, daß ihre Weisheit vom Herrn Torheit genannt werde: Die Weisheit dieser Welt ist vor Gott Torheit. (1 Kor 3,19)

Ach! einst werden sie diese Torheit wohl einsehen, aber wann? Da es kein Mittel zur Rettung mehr geben wird; dann werden sie voll Verzweiflung ausrufen: Wir Toren hielten ihr Leben für Unsinn, und ihr Ende ohne Ehre. (Weish 5) Ach wie unglücklich waren wir! Für Torheit hielten wir das Leben der Heiligen, jetzt aber sehen wir, daß wir töricht waren. Sehet, wie sie nun unter die Kinder Gottes sind gerechnet worden und ihren Anteil mit den Heiligen haben. (Ebend. 5) Also sind wir irre gegangen, weil wir vor dem göttlichen Lichte die Augen schließen wollten und das, was uns noch unglücklicher macht, ist, daß es für unsern Fehler kein Mittel gibt, noch geben wird, so lange Gott - Gott sein wird.

Wie töricht also ist es, eines schlechten Nutzens, einer elenden Eitelkeit, eines kurzen Vergnügens wegen Gottes Gnade verlieren! Was läßt sich nicht ein Untertan gefallen, seines Fürsten Gunst zu gewinnen? O Gott! und wegen einer elenden Lust das höchste Gut verlieren, welches Gott ist! - des Paradieses verlustig werden! - auch in diesem Leben um die Ruhe kommen, indem man der Sünde den Eintritt in die Seele gestattet, welche sie durch ihre Gewissensbisse immer peinigen wird! - und freiwillig zu einem ewigen jämmerlichen Zustande sich verurteilen! - welche Torheit! Würdest du wohl jenes verbotene Vergnügen dir erlauben, wenn du deshalb deine Hand zum Verbrennen darreichen oder dich auf ein Jahr in einem Kerker einschließen lassen müßtest? Begingest du wohl diese Sünde, wenn du nach derselben hundert Taler verlieren müßtest? Du glaubst und weißt es, daß du durch deine Sünden Gott und Seligkeit verlierest, dich zum ewigen Feuer verdammest, und - du sündigest dennoch?

 

Anmutungen und Bitten

O Gott meiner Seele! Wie stände es jetzt mit mir, hättest du mich nicht mit so großer Barmherzigkeit ertragen? In der Hölle wäre ich, im Orte jener Toren, wie ich einer war. Ich danke dir, Herr, und bitte dich, verlaß mich nicht in meiner Blindheit. Ich verdiente von deinem Lichte verlassen zu werden, ich sehe aber, deine Gnade hat mich noch nicht verlassen. Ich höre, daß sie mit Zärtlichkeit mir zuruft und mich auffordert, um Verzeihung dich zu bitten und große Dinge von dir zu erwarten, ungeachtet der großen Beleidigungen, die ich dir angetan habe. Ja, mein Erlöser, ich hoffe, daß du mich wieder zu deinem Kinde annehmen werdest. Ich bin es zwar nicht wert, so genannt zu werden, weil ich vor deinen Augen so häufig dir Unbilden zufügte: Vater, ich bin nicht würdig, dein Sohn genannt zu werden; vor dem Himmel und vor dir habe ich gesündiget. Ich höre aber, daß du den verirrten Schäfchen nachgehest und dich erfreuest, die verlorenen Sünder zu umarmen. Mein lieber Vater! ich bereue, dich beleidiget zu haben; ich werfe mich dir zu Füßen und umfange sie und gehe nicht hinweg, ehe du mir Verzeihung und den Segen gibst: Ich werde dich nicht entlassen, du segnest mich denn. Segne mich denn, o mein Vater! und dein Segen bringe mir die Gabe eines heftigen Schmerzes über meine Sünden und eine inbrünstige Liebe zu dir. Dich liebe ich, mein Vater, dich liebe ich mit einem ganzen ungeteilten Herzen. Laß mich ja nicht von dir weichen. Nimm mir alles hinweg, nur deiner Liebe beraube mich nicht. O Maria! Ist Gott mein Vater, so bist du meine Mutter. Segne auch du mich. Ich bin leider nicht würdig, dein Kind zu sein; nimm mich auf zu deinem Diener, doch mache, daß ich ein Diener sei, der dich immer zärtlich liebt und auf deinen Schutz vertraut.