15. Betrachtung

Bosheit der Todsünde

 

3. Punkt

Der Sünder beschimpft und entehrt Gott - und betrübt ihn dadurch aufs höchste. Nichts schmerzt so sehr und kränkt das Gefühl so empfindlich, als wenn man sieht, daß eine Person, die man liebt, die erwiesenen Wohltaten mit Undank lohnt. Mit wem nimmt es der Sünder auf? Er beschimpft einen Gott, der ihn erschaffen hat und so sehr geliebt hat, daß er sogar Blut und Leben aus Liebe zu ihm hingegeben hat; und er vertreibt ihn aus seinem Herzen durch Begehung einer Todsünde. In eine Seele, die Gott liebt, komm Gott, um sie zu lieben. Wer mich liebt, den wird mein Vater lieben. Wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen. (Joh 14,23) Bedenke die Worte: Wir werden wohnen. Gott kommt in die Seele, um dort für immer zu wohnen, so daß er sie nie verläßt, wenn nicht die Seele ihn vertreibt. „Er verläßt nicht, außer wenn er verlassen wird," wie der Kirchenrat von Trient sagt. Doch, Herr! du weißt gar wohl, daß dieser Undankbare dich bald vertreiben werde; warum entfernst du dich nicht jetzt schon? Warum willst du denn warten, bis er dich wirklich verstößt? Verlasse ihn, weiche von ihm, bevor er diese so große Unbill dir antut. Nein, sagt Gott, ich will nicht von ihm weichen, bis er nicht selbst mich vertreibt.

Wann also die Seele in die Sünde williget, so sagt sie zu Gott: Herr, weg von mir. Diese (Gottlosen) sprachen zu Gott: Weiche von uns. (Job 21,14) Mit dem Munde zwar sagt man es nicht, wohl aber durch die Tat, sagt der heilige Gregorius. Der Sünder weiß allerdings, daß Gott mit der Sünde nicht wohnen könne; er sieht es ein, daß, wenn er sündiget, Gott weichen müsse; daher sagt er zu ihm: Da du bei meiner Sünde nicht bleiben kannst und du sodann hinweggehest, so soll es denn also geschehen. Und indem er Gott aus seiner Seele vertreibt, so macht er, daß der böse Geist unmittelbar hineinkomme, um von ihr Besitz zu nehmen. Durch eben diese Tür, wo Gott herausgeht, tritt der Feind hinein: Darauf geht er hin und nimmt sieben andere Geister mit sich, welche ärger sind denn er; und wann sie hineingekommen, wohnen sie allda. (Mt 12,45)

Wenn man ein Kind tauft, so sagt man zum bösen Geiste: „Gehe von ihm heraus, du unreiner Geist, und räume dem heiligen Geiste den Platz." Und fürwahr; denn durch den Empfang der Gnade wird diese Seele ein Tempel Gottes. Wisst ihr nicht, dass ihr Tempel Gottes seid? (1 Kor 3,16) Willigt aber der Mensch in die Sünde ein, so bewirkt er gerade das Gegenteil; er sagt zu Gott, der in seiner Seele thront: Gehe von mir heraus, Herr, und räume dem Teufel den Platz. Dasselbe klagte der Herr der heiligen Brigitta, indem er sagte, daß er von dem Sünder gleich einem Könige von seinem eigenen Throne verstoßen würde: „Ich bin wie ein König, den man aus seinem Reiche verstoßen hat; und an meiner Stelle wurde der ärgste Bösewicht erwählet."

Wie sehr würde es dich schmerzen, wenn dir eine grobe Beleidigung von einem solchen angetan würde, dem du schon viele Wohltaten spendetest? Diesen Schmerz hast du deinem Gott verursacht, der sogar sein Leben für dich gab. Der Herr ruft den Himmel und die Erde zu Zeugen an, gleichsam als sollten sie ihn bedauern wegen der Undankbarkeit, welche die Sünder ihm bezeugen: Höret, ihr Himmel, und du Erde vernimm es mit Ohren: Ich habe Kinder auferzogen und erhöhet, sie aber haben mich verachtet (Jes 1,2) Kurz, die Sünder betrüben durch ihre Sünden das Herz Gottes: Sie aber reizten ihn zum Zorne und betrübten seinen Geist (Jes 63,10) Gott ist zwar keines Schmerzes empfänglich; wäre er aber dessen empfänglich, so wäre eine Todsünde hinreichend, ihn durch die Betrübnis darüber zu töten, wie P. Medina (de Poenit) sagt. Die Todsünde würde, wäre es anders möglich, Gott zerstören, denn sie würde in Gott eine unendliche Traurigkeit verursachen; daher tötet, wie der heilige Bernardus sagt, die Sünde an und für sich Gott. Begeht also der Sünder eine Todsünde, so gibt er Gott, sozusagen, Gift, er tut seinerseits alles, um ihm das Leben zu nehmen. Der Sünder hat den Herrn erbittert. (Hebr 10,4) Er tritt nach dem Ausspruch des heiligen Paulus den Sohn Gottes zu Boden: Da er den Sohn Gottes mit Füßen getreten hat (Hebr 10, 20), indem er alles das verachtet, was Jesus Christus, um die Sünde von der Welt zu tilgen, getan und gelitten hat.

 

Anmutungen und Bitten

Also, o mein Erlöser! so oft ich gesündiget habe, verstieß ich dich aus meiner Seele und bemühte mich, dir das Leben zu nehmen, so du je wieder sterben könntest? Nun merke ich, um was du mich fragst: „ Was habe ich dir getan oder womit habe ich dich betrübt? Antworte mir. Was tat ich dir Übles? Sage mir, welches Leid verursachte ich dir denn, daß du so oft mich beleidigtest? " Herr! du gabst mir das Dasein und bist für mich gestorben: dies ist das Üble, das du mir tatest. Was soll ich also antworten ? Ich sage dir, daß ich tausend Höllen verdiene; du hast wohl Ursache, mich dahin zu verstoßen. Doch erinnere dich an jene Liebe, wegen der du für mich am Kreuze gestorben bist; sei jenes aus Liebe zu mir vergossenen Blutes eingedenk und habe Erbarmen mit mir. Doch ich weiß wohl, du willst nicht, daß ich verzweifle; du läßt mich vielmehr wissen, daß du vor der Türe meines Herzens stehest, aus deni ich dich hinwegtrieb, und daß du mittelst deiner Einsprechungen anklopfest, um Einlaß zu finden: Ich stehe an der Tür und klopfe. Und du sagst zu mir, ich solle dir die Türe öffnen: Tu mir auf, meine Schwester. Ja, mein Jesu, ich will die Sünde aus meinem Herzen hinwegschaffen; es reuet mich von ganzem Herzen und ich liebe dich über alles! Komme in mein Herz, mein Geliebter, die Tür ist schon offen; komme nur und gehe ja nicht mehr von mir hinweg. Umfange mich mit deiner Liebe und gestatte nicht, daß ich von dir mich losmache. Nein, mein Gott, wir wollen uns nicht mehr trennen; ich umarme dich und drücke dich an mein Herz; gib mir die heilige Beharrlichkeit. Ach, gib nicht zu, daß ich von dir getrennt werde! Maria, meine Mutter! Komme mir stets zu Hilfe, bitte Jesum für mich, erflehe mir, daß ich seine Gnade nicht mehr verliere.