14. Betrachtung

Das gegenwärtige Leben ist eine Reise in die Ewigkeit.

 

3. Punkt

„Der Mensch wird in das Haus seiner Ewigkeit gehen." „Er wird gehen", sagt der Prophet, „um anzuzeigen, daß jeder in jenes Haus gehe, in das er gehen will; er wird nicht getragen werden, sondern er wird aus freiem Willen dorthin gehen." Gewiß ist es, daß Gott alle selig haben will; allein er will uns zum Selig werden nicht zwingen. „Vor dem Menschen liegt Leben und Tod." Jedem aus uns hält er Leben und Tod vor: was wir wählen werden, wird uns zuteil. Was ihm gefällt, wird man ihm geben. (Eccl 15,19)

Auch Jeremias sagt: der Herr habe uns zwei Wege zum Gehen gegeben, von denen der eine zum Paradiese, der andere zur Hölle führt. Ich lege vor euch den Weg des Lebens und den Weg des Todes. (Jer 21,8) Uns steht die Wahl zu. Wer aber den Weg der Hölle wandeln will, wie wird dieser je zum Paradiese gelangen können? O wichtige Sache! Alle Sünder wollen selig werden, und doch verdammen sie sich von selbst zur Hölle, indem sie sagen: Ich hoffe selig zu werden. „Wer aber," sagt der heilige Augustinus, „ist wohl so töricht, daß er Gift nehmen wollte, in der Hoffnung wieder zu genesen?" Niemand will sich eine Krankheit zuziehen, mit der Hoffnung der Genesung. Und doch ziehen so viele Christen, so viele Toren den Tod sich zu, indem sie sündigen, und sagen: Hernach werde ich schon auf Hilfe bedacht sein. O welcher Trugschluß, wodurch so viele in die Hölle sich stürzten! -

Laßt uns nicht so töricht sein wie diese, bedenken wir, es handle sich um eine Ewigkeit. Wie sehr bemühen sich die Menschen, um sich ein bequemes, schönes und in gesunder Luft befindliches Haus zu bauen, in dem sie ihr ganzes Leben hindurch zu wohnen gedenken? Und warum sind sie dann so unbekümmert, wenn es sich um jenes handelt, in das sie auf ewig kommen werden? „Bei dem Geschäfte, für das wir streiten, handelt es sich um eine Ewigkeit," sagt der heilige Eucharius. Es handelt sich nicht um eine größere oder kleinere Bequemlichkeit, um eine größere oder kleinere Schönheit; es kommt darauf an, ob man in einem Orte voll der Wonne unter den Freunden Gottes, oder aber in einem Abgrunde voll der Qualen unter der schändlichen Brut so vieler Lasterhaften, Ketzer und Götzendiener zu bleiben habe. Und auf wie lange? Nicht auf zwanzig oder vierzig Jahre, sondern die ganze Ewigkeit. O wie wichtig ist diese Angelegenheit! Nicht von kleinem Gewichte ist dies Geschäft, welches wichtiger ist als alles. Als Thomas Morus von Heinrich VIII. zum Tode verurteilt wurde und als sein Weib Louise zu ihm kam, ihn zu bereden, daß er in Heinrichs Willen sich füge, sprach er zu ihr: „Sage mir, Louise, wie du siehst, so bin ich alt: wie viele Jahre könnte ich etwa noch leben?" „Du könntest wohl noch zwanzig Jahre leben!" antwortete sie. -

 „Du machst eine törichte Geschäftsführerin," erwiderte alsdann Thomas; „wegen zwanzig Lebensjahren willst du, daß ich eine ganze glückliche Ewigkeit verlieren und zu einer qualvollen Ewigkeit mich verdammen sollte! O Gott, gib mir Licht!" Wäre die Sache der Ewigkeit etwas Zweifelhaftes, beruhte sie auch nur auf einer wahrscheinlichen Meinung, so müßten wir dennoch allen Fleiß anwenden auf einen guten Lebenswandel, um uns nicht der Gefahr preiszugeben, etwa unglücklich zu werden, falls diese Meinung sich erwahren sollte; doch nein, diese Sache ist nicht zweifelhaft, sondern ausgemacht; keine bloße Meinung ist es, sondern eine Glaubenswahrheit: „Der Mensch wird in das Haus seiner Ewigkeit gehen." Leider ist der Mangel an Glauben die Ursache so vieler Sünden und der Verdammung einer Menge Christen, sagte die heilige Theresia. Beleben wir also fortwährend unseren Glauben, indem wir sprechen: „Ich glaube an ein ewiges Leben." Ich glaube, daß es nach diesem Leben ein anderes Leben gibt, das kein Ende nimmt; und diesen Gedanken immer vor Augen, wollen wir auch die Mittel zur Versicherung unseres ewigen Heiles ergreifen. Wir wollen die heiligen Sakramente oft empfangen; wir wollen täglich an das ewige Leben denken und es ernst erwägen; wir wollen die bösen Gelegenheiten mit Vorsicht fliehen. Und müßten wir auch die Welt verlassen, nun, so verlassen wir sie, denn es gibt ja keine zu große Vorsicht, um uns in Hinsicht jenes so wichtigen Punktes des ewigen Heiles zu versichern. „Die Sicherheit kann da nicht zu groß sein, wo die Ewigkeit gefährdet wird!" schreibt der heilige Bernardus.

 

Anmutungen und Bitten

Es gibt also, o mein Gott! keinen Mittelweg; entweder werde ich immer glücklich oder immer unglücklich sein; entweder in einem Meere von Wonne oder aber in einem Meere von Qualen; entweder fortwährend bei dir im Paradies oder beständig entfernt von dir in der Hölle. Diese Hölle verdiente ich mir - ich weiß es gewiß - so oft schon; ich bin aber auch versichert, daß du dem Reuigen verzeihest und den von der Hölle befreiest, der auf dich seine Hoffnung setzt. Du gibst mir die Versicherung: Er wird mich anrufen, ich werde ihn entreißen und verherrlichen. (Ps 90) Verzeihe mir also, o Herr! jetzt, ich bitte dich, verzeihe mir und befreie mich von der Hölle. Ich bereue es, o höchstes Gut! über alles, dich beleidiget zu haben. Nimm mich nun wieder in deine Gnade auf und gib mir deine heilige Liebe. Wäre ich jetzt in der Hölle, so könnte ich dich nicht mehr lieben; immer müßte ich dich hassen. Ach mein Gott! was tatest du mir etwa Übles, daß ich dich hassen sollte? Du liebtest mich ja bis zum Tode. Du bist einer unendlichen Liebe würdig. O Herr! lasse mich nicht mehr von dir getrennt werden. Ich liebe dich und will dich immer lieben. „ Wer wird mich von der Liebe Christi trennen?" Ach, mein Jesu! nur die Sünde kann mich von dir trennen. Ach, laß dies nicht zu. Lasse mich lieber sterben. Gib nicht zu, daß ich von dir getrennt werde. - Maria, meine Königin und Mutter, hilf mir durch deine Fürbitte, erhalte mir, daß ich eher sterbe, ja tausendmal lieber sterbe, als daß ich von der Liebe deines Sohnes mich trenne.