12. Betrachtung

Wichtigkeit des Heiles

 

3. Punkt

Ein wichtiges Geschäft, ein einziges Geschäft, ein Geschäft, das, einmal verunglückt, niemals wieder gutgemacht werden kann. Gewiß, es ist der allergrößte Fehler, das Geschäft des ewigen Heiles zu verfehlen. Es gibt keinen Fehler, der so groß ist, als die Vernachlässigung des ewigen Heiles. Gegen alle übrigen Fehler gibt es ein Mittel. Verliert jemand etwas, so kann er es wieder auf einem anderen Wege erhalten; kommt einer um eine Stelle, so kann es ein Mittel geben, sie wieder zu behaupten; sogar wenn jemand das Leben verlöre, so ist, wenn er nur selig wird, für alles geholfen. Kein Mittel aber gibt es mehr für den, welcher verdammt wird. Nur einmal stirbt man, ist die Seele einmal verloren, so ist sie für immer verloren: „Einmal verloren, ewig verloren". Es bleibt nichts übrig, als mit den anderen elenden Toren in der Hölle ewig zu weinen, wo die größte Qual, welche sie leiden, diese ist, daß sie denken, die Zeit, ihrem Elende zu steuern, ist nun vorbei: Die Ernte ist vorbei, und wir sind nicht errettet worden. (Jer 8,20) Fraget jene Weisen der Welt, die jetzt in diesem feurigen Abgrunde sind, fraget sie, welche Gesinnungen sie jetzt haben und ob sie froh seien, auf dieser Welt ihr Glück gemacht zu haben, da sie jetzt zu jenem ewigen Gefängnisse verdammt sind. Höret, wie sie weinen und klagen: „Also waren wir irrig daran!" Was nützt ihnen die Erkenntnis des begangenen Fehlers jetzt, da gegen ihre ewige Verdammnis kein Mittel mehr ist? Welchen Verdruß hätte einer auf dieser Welt gehabt, wenn er seinen Palast, gegen dessen Einsturz er mit geringen Unkosten hätte helfen können, zusammengefallen gefunden und seine Nachlässigkeit erst dann bedacht hätte, wo keine Hilfe mehr möglich war?

Dies ist die größte Pein der Verdammten, indem sie bedenken, daß sie aus ihrer Schuld ihre Seele verloren und verdammt worden sind. O Israel, du hast dich selbst zu Grunde gerichtet, deine Hilfe aber steht bei mir allein (Os 13,9) Die heilige Theresia sagte, wenn jemand aus eigener Schuld ein Kleid, einen Ring, ja auch eine Kleinigkeit verliert, so hat er keine Ruhe; da ißt und schläft er nicht. O Gott! welchen Schmerz wird der Verdammte haben, wenn er in die Hölle eintreten wird, wenn er sich schon in diesem Gefängnisse eingeschlossen befinden, an sein Unglück denken und sehen wird, daß es in alle Ewigkeit kein Mittel mehr für ihn gebe! Also wird er sagen: Ich habe die Seele, den Himmel und Gott verloren! Alles habe ich für immer verloren! Und warum? Aus meiner eigenen Schuld.

Es dürfte aber irgend einer sagen: Wenn ich diese Sünde begehe, warum soll ich denn verdammt werden? Vielleicht werde ich doch selig? Ich aber erwidere: Vielleicht wirst du doch verdammt. Ich sage sogar, du wirst viel gewisser verdammt, indem die Schrift den hartnäckigen Verrätern mit der Verdammung droht, wie du in dieser Hinsicht einer bist: Wehe euch, ihr abtrünnigen Kinder, spricht der Herr. (Jes 30,1) Wehe ihnen, daß sie von mir abgewichen sind. (Os 7,13) Setztest du durch diese Sünde, die du begehest, dein ewiges Heil nicht wenigstens in Gefahr und Ungewißheit? Und darf man dies Geschäft der Gefahr preisgeben? Es ist nicht um ein Haus, um ein Landgut, um eine Stelle zu tun, sagt der heilige Johannes Chrysostomus, es handelt sich um den Sturz in eine qualvolle Ewigkeit, um den Verlust eines ewigen Paradieses: „Um unsterbliche Qualen, um den Verlust des himmlischen Reiches!" Und du willst dies Geschäft, das dein allerwichtigstes ist, einem „vielleicht" preisgeben?

Du sagst: „Wer weiß?" Vielleicht werde ich nicht verdammt werden; ich hoffe, Gott werde mir hernach schon verzeihen. Allein unterdessen? Unterdessen verdammst du dich schon selbst zur Hölle. Sage mir, würdest du dich in einen Brunnen stürzen und sagen: Wer weiß? Vielleicht werde ich dem Tode entkommen? Nein. Und wie kannst du dann dein ewiges Heil auf eine so schwache Hoffnung, auf ein „wer weiß?" gründen? O wie viele wurden durch diese unselige Hoffnung verdammt! Weißt du nicht, daß die Hoffnung der hartnäckigen Sünder keine Hoffnung, sondern Betrug und Vermessenheit ist, und Gott nicht zur Barmherzigkeit, sondern nur zu größerem Unwillen anregt? Wenn du jetzt schon sagst, du vermagst nicht der Versuchung und deiner herrschenden Leidenschaft zu widerstehen: wie wirst du dann Widerstand leisten, wenn die Kräfte deiner Seele durch Begehung der Sünde sich nicht verstärkt, sondern geschwächt haben werden? Denn einesteils wird alsdann die Seele mehr verblendet und durch ihre Bosheit verstockter werden, und anderenteils wird der göttliche Beistand fehlen. Oder hoffest du etwa, Gott müsse dir sein Licht und seine Gnaden vermehren, nachdem du deine Sünden vermehrt haben wirst?

 

Anmutungen und Bitten

Ach mein Jesu! erinnere dich immer an den Tod, den du für mich gelitten, und gib mir Vertrauen. Ich fürchte, der böse Geist werde mich beim Anblick so vieler gegen dich begangener Treulosigkeiten zur Verzweiflung bringen. Wie oftmals versprach ich dir, dich nicht mehr beleidigen zu wollen, wenn ich das Licht sah, das du mir gabst, und dann kehrte ich dir wieder den Rücken mit der Hoffnung der Verzeihung ? Warum hast du mich also nicht gestraft, da ich dir so viele Unbilden antat? Weil du mehr barmherzig gegen mich warst, darum tat ich auch mehr Beschimpfungen dir an! Mein Erlöser, gib mir einen großen Schmerz über meine Sünden, ehe ich von dieser Welt scheide. Ich bereue es, o höchstes Gut! dich beleidigt zu haben. Ich verspreche dir, von nun an lieber tausend Mal zu sterben, als dich wieder zu verlassen. Laß mich aber indessen hören, was du zu Magdalena sagtest: „Es werden dir deine Sünden vergeben," und laß mich zugleich einen großen Schmerz über meine Schulden fühlen, ehe es mit mir zum Sterben kommt; denn sonst befürchte ich, daß mein Tod unruhig und unglücklich ausfallen dürfte. Sei mir nicht zum Schrecken, der du in der Zeit der Trübsale meine Zuversicht bist. (Ter 17,17) In diesem Augenblicke sei mir, o mein gekreuzigter Jesus, nicht zum Schrecken. Würde ich sterben, ehe ich meine Sünden beweint, und dich geliebt habe, alsdann würden mir deine Wunden und dein Blut vielmehr Schrecken als Vertrauen einflößen. Ich bitte dich also nicht um irdische Freuden und Güter für mein übriges Leben, sondern um Reueschmerz und Liebe bitte ich dich. Erhöre mich, mein lieber Erlöser, um der Liebe willen, mit der du auf dem Berg Kaivaria für mich dein Leben geopfert hast. Maria, meine Mutter, erlange mir diese Gnade nebst der heiligen Beharrlichkeit bis in den Tod.