12. Betrachtung

Wichtigkeit des Heiles

 

2. Punkt

Das Geschäft des ewigen Heils ist nicht nur das wichtigste, sondern es ist das einzige, das wir in diesem Leben haben: Nur Eines ist notwendig. Der heilige Bernardus beweint die Torheit der Christen, welche das Tändeln der Kinder Tändelei, und ihre eigenen weltlichen Angelegenheiten Geschäfte nennen: „Die Spiele der Kinder nennt man Tändelei, die Spiele aber der Erwachsenen heißt man Geschäfte." Diese Torheiten der Erwachsenen sind die größten Torheiten. Und was hilft es, sagt der Herr, wenn man die ganze Welt gewinnt und die Seele verliert? Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, an seiner Seele aber Schaden leidet? (Mt 16,26) Wirst du selig, mein Bruder, so liegt nichts daran, ob du auf dieser Erde arm, betrübt und verachtet warst; erlangst du die Seligkeit, so wirst du nicht mehr Schmerzen leiden, und in alle Ewigkeit glücklich sein. Wenn du aber sie verfehlst und verdammt wirst - was wird es dir in der Hölle nützen, alle Unterhaltungen der Welt mitgemacht zu haben, reich, und in Ansehen gewesen zu sein? Mit dem Verluste der Seele, verliert man Unterhaltungen, Ehren, Reichtümer, ja man verliert alles.

Was wirst du Jesu Christo am Tage der Rechenschaft antworten? Wenn ein König einen seiner Gesandten absenden würde, um in einer Stadt ein großes Geschäft zu verrichten, und wenn dieser, statt auf das ihm anvertraute Geschäft Bedacht zu nehmen, nur an Bälle, Schauspiele und Festlichkeiten dächte, und dadurch das Geschäft übel ausfallen würde, welche Rechenschaft würde er bei seiner Rückkunft dem Könige zu geben haben? Aber, o Gott, was für eine weit größere Rechenschaft wird dem Herrn beim Gerichte jener geben, der nicht auf die Welt kam, um sich zu unterhalten, um reicher zu werden, um Ehren zu erlangen, sondern um seine Seele zu retten, wenn dieser dessenungeachtet auf alles andere, nur nicht auf seine Seele seine Aufmerksamkeit gerichtet hätte? Den Weltkindern gleich denkt man nur an die Gegenwart, nicht an die Zukunft. Der heilige Philippus Nerius sagte einst zu einem talentvollen jungen Menschen zu Rom, Franciscus Zazzera mit Namen, welcher der Welt ergeben war, also: Mein Sohn, du wirst ein großes Glück machen, du wirst ein guter Rechtsfreund werden, dann wirst du Prälat werden, sodann vielleicht auch Kardinal. Und wer weiß, etwa auch Papst. Und hernach? Und hernach?

Gehe, sagte er am Ende zu ihm, überdenke diese letzten Worte. Franciscus ging nach Hause, und da er diese zwei Worte" „und hernach? und hernach" erwog, verließ er seine weltlichen Gesinnungen, und auch die Welt, und trat in die Gesellschaft des heiligen Philippus, wo er nur auf Gott sein Augenmerk zu richten begann.

Unser einziges Geschäft ist es, weil wir nur eine Seele haben. Benedictus XII wurde von einem Fürsten um eine Gnade gebeten, die er ohne Sünde nicht zugestehen konnte; da antwortete der Papst dem Gesandten: Sagen sie ihrem Fürsten: „Hätte ich zwei Seelen, so könnte ich eine für ihn verlieren, und die andere für mich behalten; da ich aber nur eine einzige habe, so kann und will ich sie nicht verlieren". Der heilige Franciscus Xaverius sagte: auf der Welt gebe es ein einziges Gut, und ein einziges Übel; das einzige Gut ist die Erlangung der Seligkeit; das einzige Übel ist die Verdammnis. Dies sagte auch die heilige Theresia zu ihren Klosterfrauen, indem sie sprach: Schwestern, eine Seele, eine Ewigkeit! Sie wollte damit sagen: Ist diese einzige Seele verloren, so ist alles verloren: eine Ewigkeit; ist die Seele einmal verloren, so ist sie für immer verloren. Daher bat David: „Um eines bat ich den Herrn, dies will ich begehren, daß ich in dem Hause des Herrn wohnen könne".  (Ps 26,4) Herr, um eines bitte ich dich, und um nichts anderes: bewahre meine Seele!

Mit Furcht und Zittern wirket euer Heil. (Phil 2,12) Wer sich nicht fürchtet und zittert zu Grunde zu gehen, wird nicht selig werden. Um selig zu werden, muß man sich also bemühen und Gewalt antun: Das Himmelreich leidet Gewalt, und die Gewalt brauchen, reissen es an sich. (Mt 11,12) Die Seligkeit zu erlangen ist notwendig, daß im Tode unser Leben jenem Jesu Christi gleichförmig sei: Er hat sie vorher bestimmt, dass sie dem Bilde seines Sohnes ähnlich werden sollen. (Röm 8,29) Und daher müssen wir uns bemühen, indem wir einerseits die Gelegenheit fliehen, und andererseits die zur Erlangung des ewigen Heiles nötigen Mittel anwenden. „Den Weichlichen wird das Reich nicht gegeben werden, sagt der heilige Bernardus, sondern jenen, die im Dienste Gottes sich gehörig befleißen." Alle möchten ohne Unbequemlichkeit selig werden. O wichtige Sache! sagt der heilige Augustinus: der böse Feind bemüht sich so sehr, und schläft nicht, um uns zu Grunde zu richten, und du bist so sorglos, während es sich um dein ewiges Wohl oder Übel handelt! „Der Feind wacht, und du schläfst!"

 

Anmutungen und Bitten

Ach, mein Gott! ich danke dir, daß du mich jetzt zu deinen Füßen, und nicht in der Hölle sein lassest, die ich so oft verdiente. Doch, was würde mir das Leben nützen, das du mir erhältst, wenn ich deiner Gnade beraubt fortleben würde? Ach, daß dies doch nicht geschehe! Ich kehrte dir den Rücken, ich verlor dich, o mein höchstes Gut! Es reuet mich von ganzem Herzen; wäre ich doch tausend Mal eher gestorben! Ich verlor dich; doch dein Prophet läßt mich hören, daß du ganz gut bist, und dich gerne finden lassest von einer Seele, die dich sucht: Gott ist der Herr einer Seele, die ihn sucht. (Thren 3,25) Wenn ich vorher vor dir geflohen bin, o König meines Herzens! so suche ich dich jetzt, und suche nichts anderes als dich. Ich liebe dich von ganzem Herzen. Nimm mich an; verschmähe es nicht, von einem Herzen geliebt zu werden, das dich einst verachtete. Lehre mich deinen Willen tun. Lehre mich, was ich zu tun habe, um dir zu gefallen, ich will ja alles befolgen. Ach mein Jesus! rette diese meine Seele, wegen welcher du Blut und Leben gabst; und mein Heiland, verschaffe mir die Gnade, dich in diesem und im anderen Leben immer zu lieben. So hoffe ich von deinen Verdiensten. Und so hoffe ich auch von deiner Fürbitte, o Maria!