10. Betrachtung

Mittel, sich zum Tode vorzubereiten

„Bedenke deine letzten Dinge,

so wirst du in Ewigkeit nicht sündigen."

(Eccl 7,40)

 

1. Punkt

Jedermann bekennt, daß man sterben müsse und nur einmal sterbe und daß nichts von so wichtigen Folgen sei als dies; denn vom Augenblicke des Todes hängt es ab, ob man in Ewigkeit glücklich oder in Verzweiflung sein werde. Jeder weiß, daß von einem guten Leben ein guter, von einem schlechten Leben aber ein böser Tod abhänge. Und wie kommt es denn, daß der größte Teil der Christen dennoch so lebt, als hätte man nie zu sterben oder als wäre an einem guten oder üblen Tode wenig gelegen? Man lebt schlecht, weil man nicht an den Tod denkt: Bedenke deine letzten Dinge, und du wirst in Ewigkeit nicht sündigen. Wir müssen uns überzeugen, daß die Sterbezeit zur Berichtigung unserer Rechenschaft nicht geeignet sei, um das große Geschäft des ewigen Heils zu sichern. Die klugen Kinder der Welt ergreifen zur gehörigen Zeit in den irdischen Geschäften alle Maßregeln, um zu jenem Gewinne, zu jenem Amte, zu jener Verehelichung zu gelangen, und in Betreff der Gesundheit des Körpers verschieben sie die Anwendung der nötigen Mittel nicht im mindesten. Was würdest du von einem solchen sagen, der zu einem Zweikampfe oder zur Prüfung für einen Lehrstuhl gehen soll und erst dann lernen wollte, wenn die Zeit schon da ist? Wäre jener Hauptmann nicht töricht, welcher die Herbeischaffung von Lebensmitteln und Waffen bis zur Belagerung verschöbe? Wäre jener Steuermann nicht töricht, der es unterließe, auf die Zeit des Sturmes mit Ankern, Ankertauen sich zu versehen? Eben so töricht ist der Christ, der es bis zur Ankunft des Todes verschiebt, das Gewissen in Ordnung zu bringen: Wann sie plötzlich ein Elend überfällt und der Untergang wie Ungewitter hereinbricht, dann werden sie mich anrufen, ich werde sie aber nicht erhören... Sie werden also die Frucht ihres Wandels essen. (Spr 1,27) usf. Die Sterbezeit ist die Zeit des Sturmes, der Verwirrung. Alsdann werden die Sünder Gott zu Hilfe rufen, aber bloß aus Furcht vor der Hölle, der sie aber sich nahe sehen ohne wahre Bekehrung, und deswegen erhört sie Gott nicht. Und deshalb werden sie alsdann nur die Früchte ihres schlechten Lebens verkosten: Was der Mensch gesäet haben wird, eben das wird er auch ernten. Es genügt nicht, die heiligen Sakramente zu empfangen: man muß sterben mit einem Hasse gegen die Sünde und mit einer Liebe zu Gott, die über alles geht. Wie wird aber jener die verbotenen Gelüste hassen, der bis zum Tode sie geliebt? Wie wird der Gott über alles lieben, der bis auf jenen Augenblick die Geschöpfe mehr liebte als Gott?

Der Herr nannte jene Jungfrauen töricht; und sie waren es, weil sie die Lampen erst richten wollten, da der Bräutigam schon vor der Türe war. Alle fürchten den jähen Tod, weil es dann nicht Zeit ist, die Rechnungen zu berichtigen. Jeder bekennt, daß die Heiligen wahrhaft weise waren, indem sie zum Tode sich bereiteten, ehe der Tod kam. Und was tun wir? Wollen wir es wagen, uns zu einem guten Tode vorzubereiten, wenn der Tod schon vor der Türe ist? Wir müssen also jetzt schon dasjenige tun, was wir im Tode wünschen werden, getan zu haben. O wie bitter wird dann die Erinnerung sein an die verlorene Zeit und besonders an die schlecht zugebrachte! Die Zeit ist von Gott gegeben, um Verdienste zu sammeln; allein die Zeit, welche vergangen ist, kommt nicht wieder. Welche Angst wird man dann haben, wenn es heißt: Jetzt wirst du nicht mehr haushalten können. Es ist nicht mehr Zeit Buße zu tun, die heiligen Sakramente zu empfangen, Predigten zu hören, Jesum Christum in den Kirchen zu besuchen, zu beten: was geschehen ist, das ist geschehen. Es wäre dann vonnöten ein gesunderer Verstand, eine ruhigere Zeit, um eine Beicht abzulegen, wie sie sein soll, um über verschiedene wichtige zweifelhafte Punkte nachzudenken und so das Gewissen zu beruhigen; allein es wird nicht mehr Zeit sein.

 

Anmutungen und Bitten

Ach mein Gott! Wäre ich in den dir bewußten Nächten gestorben, wo wäre ich gegenwärtig? Ich danke dir, daß du mir zuwartetest und danke dir für alle jene Augenblicke, wo ich hätte in der Hölle sein müssen, seit jenem Augenblicke, wo ich dich zuerst beleidigte. Ach, gib mir Licht und lasse mich das große Unrecht erkennen, das ich dir antat, indem ich freiwillig deine Gnade verlor, die du mir erlangtest, indem du für mich am Kreuze dein Leben opfertest! Ach, mein Jesus! vergib mir, es reuet mich von ganzem Herzen über alles, dich unendliche Güte, verachtet zu haben! Ich hoffe, du hast mir schon verziehen. Ach, hilf mir, o mein Heiland! daß ich dich nicht mehr verliere! Ach, mein Herr! wenn ich dich nach so vieler Erkenntnis und so vielen erhaltenen Gnaden wieder beleidigte, würde ich nicht absichtlich die Hölle mir zuziehen? Ach, laß es um der Verdienste deines aus Liebe für mich vergossenen Blutes willen nicht zu. Gib mir die heilige Beharrlichkeit, schenke mir deine Liebe. Ich liebe dich, o höchstes Gut, und ich will nicht mehr ablassen, dich bis zum Tode zu lieben. Mein Gott, erbarme dich meiner um der Liebe Jesu Christi willen! - Habe auch du Erbarmen mit mir, o Maria! meine Hoffnung! empfiehl mich Gott an; deine Anempfehlungen werden von jenem Herrn, der dich liebt, nicht abgewiesen.