9. Betrachtung

Der Friede eines sterbenden Gerechten

 

3. Punkt

Wie kann der das Sterben fürchten, welcher nach seinem Tode zu einem Könige im Himmel gekrönt werden hofft? „Laßt uns nicht fürchten, getötet zu werden, sprach der heilige Cyprianus, da die Krone uns gebührt, wann wir tot sind". Wie kann jener das Sterben fürchten, der da weiß, daß, wenn er in Gottes Gnade stirbt, sein Leib unsterblich werde? Dieses Sterbliche muss die Unsterblichkeit anziehen. (1 Kor 15,53) Wer Gott liebt und sich nach ihm sehnt, hält das Leben für eine Pein und den Tod für eine Freude. „Wer geduldig lebt, stirbt fröhlich", sagt der heilige Augustinus. Und der heilige Thomas von Villanova: „Wenn der Tod den Menschen im Schlafe trifft, kommt er wie ein Dieb, er beraubt ihn, bringt ihn um und wirft ihn in den Abgrund der Hölle; trifft er ihn aber wachend an, so begrüßt er ihn als ein Gesandter Gottes und sagt zu ihm: „Der Herr beruft dich zur Hochzeit; komme, ich will dahin dich führen, wonach du dich sehntest".

O, mit welcher Fröhlichkeit erwartet den Tod jener, der sich in Gottes Gnade befindet, der Jesum Christum bald zu sehen und die Worte zu vernehmen hofft: Wohlan, du guter und getreuer Knecht! Weil du in wenigem getreu gewesen bist, so will ich dich über vieles setzen. (Mt 25,21) O, wie werden alsdann die Bußübungen und Gebete, die Losreißung von den irdischen Gütern und alles, was man für Gott getan hat, uns trösten! Saget dem Gerechten, er werde das Gut, die Frucht seiner Erfindungen geniessen. (Ps 31,2) Alsdann wird, wer Gott geliebt hat, die Frucht aller seiner heiligen Werke verkosten. Daher hat P. Hippolytus Durazzo der Gesellschaft Jesu niemals geweint, wenn einer seiner Ordenspriester mit Vorzeichen der Seligkeit starb, er war vielmehr ganz fröhlich. Wie ungereimt aber wäre es, sagte der heilige Johannes Chrysostomos, an ein ewiges Paradies zu glauben und den zu bedauern, der dahin geht: „Den Himmel bekennen und über die, welche von hier dorthin gehen, trauern?" (Joan. Chrys. ad viduam.) Welchen besonderen Trost wird es alsdann gewähren, wenn man sich an die Verehrung der göttlichen Mutter erinnert, die man gegen sie trug, an die Rosenkränze, an jene Besuchungen, an jenes Fasten am Sonnabende, an die oftmaligen Besuche in ihrer Kongregation! Man nennt Maria „die getreue Jungfrau". O, wie treu ist sie, ihre treuen Diener im Tode zu trösten! Ein Verehrer der heiligsten Jungfrau sagte sterbend zu P. Binetti: Vater, sie können es nicht glauben, wie tröstlich im Tode der Gedanke sei, der göttlichen Mutter gedient zu haben. O mein Vater, wüßten sie nur, welchen Trost ich empfinde, daß ich dieser meiner Mutter gedient habe! Ich bin nicht im Stande zu erklären, welche Freude jenem, der Jesum Christum liebte, der im heiligsten Sakramente ihn oft besucht und in der heiligen Kommunion öfters empfangen hat, alsdann zuteil wird, wenn er in der heiligen Wegzehrung seinen Herrn in das Zimmer treten sieht, der da kommt, um ihn auf der Reise ins andere Leben zu begleiten! O glücklich der, welcher alsdann mit dem heiligen Philippus Nerius wird sagen können: „Sehet da meine Liebe, sehet meine Liebe! gebt mir meine Liebe!"

Pater La Colombiere hielt es für moralisch unmöglich, daß jemand, der Gott im Leben treu war, eines bösen Todes sterben sollte. Und vor ihm sagte der heilige Augustinus: „Wer gut gelebt hat, kann nicht schlecht sterben". Wer zum Sterben bereit ist, fürchtet keinen Tod und selbst den jähen nicht. Wenn auch der Gerechte vom Tode übereilt wird, so wird er doch in der Erquickung sein. (Weish 4,7) Und da wir nicht anders zum Besitze Gottes gelangen, als durch den Tod, so ermahnt uns der heilige Johannes Chrysostomos: „Wir wollen Gott aufopfern, was wir zurückgeben müssen". Und wir sollen wissen, daß, wer Gott seinen Tod aufopfert, den vollkommensten Akt der Liebe übe, den er gegen Gott üben kann; denn nimmt man mit gutem Willen den Tod an, wo es Gott gefällig ist, zu welcher Zeit oder auf was immer für eine Art es Gott will, so wird man den heiligen Märtyrern gleich. Wer Gott liebt, muß den Tod wünschen und darnach seufzen, denn der Tod vereint uns auf ewig mit Gott und bewahrt uns vor der Gefahr, ihn zu verlieren. Es ist eine Zeichen von geringer Liebe zu Gott, wenn man nicht wünscht, ihn bald zu sehen, indem man zugleich gesichert ist, ihn nicht mehr verlieren zu können. Wir wollen ihn in diesem Leben so viel lieben, als wir können. Nur zu diesem Ende soll das Leben uns dienen, um in der Liebe zuzunehmen. Das Maß unserer Liebe, in welchem der Tod uns antrifft, wird dasselbe Maß sein, mit dem wir Gott in der seligen Ewigkeit lieben werden.

 

Anmutungen und Bitten

Binde mich, mein Jesu, an dich so fest, daß ich mich nicht mehr von dir trennen kann. Laß mich ganz dein werden, ehe ich sterbe, damit ich dich, o mein Erlöser! versöhnt sehe, wenn ich dich zum ersten Male erblicken werde. Du suchtest mich, als ich vor dir floh; ach verstoß mich nicht, da ich dich jetzt suche. Verzeihe mir alle Beleidigungen, die ich dir zufügte. Von nun an will ich nur bedacht sein, dir zu dienen und dich zu lieben. Du verpflichtetest mich allzusehr. Du weigertest dich nicht, Blut und Leben aus Liebe zu mir zu opfern. Ich möchte mich also ganz für dich, mein Jesu! dargeben, da du dich für mich ganz hingabst. O Gott meiner Seele! ich will dich in diesem Leben recht lieb haben, um dich im andern recht sehr zu lieben. Ewiger Vater, ach, ziehe mein Herz ganz an dich, reiße es von den irdischen Neigungen los, verwunde, entzünde es mit deiner heiligen Liebe. Erhöre mich um der Verdienste Jesu Christi willen. Gib mir die heilige Beharrlichkeit, und die Gnade daß ich diese immer verlange. - Maria, meine Mutter, hilf! und erlange mir diese Gnade, deinen Sohn immer um die heilige Beharrlichkeit zu bitten.