9. Betrachtung

Der Friede eines sterbenden Gerechten

 

2. Punkt

Die Seelen der Gerechten sind in Gottes Hand und die Pein des Todes wird sie nicht berühren. Vor den Augen der Toren schienen sie zu sterben - sie sind aber im Frieden. (Weish 3) Den Augen der Toren kommt es vor, die Diener Gottes sterben so betrübt und ungern, wie die Weltkinder: Sie wissen aber nicht, daß Gott seine Kinder im Tode zu erfreuen vermöge und auch in den Todesschmerzen sie eine große Wonne genießen lassen könne, als einen Vorgeschmack des Paradieses, das er ihnen bald geben will. So wie jene, die in der Sünde sterben, als gewisse Vorzeichen der Hölle, das, was wir oben beschrieben haben, zu fürchten anfangen - Gewissensbisse, Schrecken und Verzweiflung: Ebenso beginnen im Gegenteile die Heiligen mit den Übungen der Liebe, die sie da öfters zu Gott machen mit dem Verlangen und der Hoffnung, ihn bald zu besitzen, und fangen an, schon vor ihrem Tode jenen Frieden zu genießen, dessen sie sich dann im Himmel vollends erfreuen werden. Der Tod ist den Heiligen keine Strafe, sondern Belohnung: Wann er seinen Geliebten den Schlaf geben wird, eine Erbschaft des Herrn. (Ps 126,2) Den Tod desjenigen, der Gott liebt, nennt man nicht Tod, sondern Schlaf; so daß er mit Recht wird sagen können: „Ich will im Frieden in ihm schlafen und ruhen". (Ps 4,9)

P. Suarez starb mit so großer Ruhe, daß er sterbend sagte: ich hätte nicht gedacht, daß das Sterben so angenehm wäre. Der Kardinal Baronius wurde vom Arzte gewarnt, nicht so viel an den Tod zu denken. „Warum?" antwortete er. „Fürchte ich ihn etwa? Ich fürchte ihn nicht, sondern ich liebe ihn". Als der russische Kardinal, wie Santer erzählt, hinging, für den Glauben zu sterben, so legte er die besten Kleider an, die er hatte, indem er sagte, er gehe zur Hochzeit. Da er sonach den Richtplatz sah, warf er seinen Stab weg und sprach: Gehet, meine Füße, wir sind nicht mehr weit vom Paradiese; wohlan, meine Füße, gehet schnell! der Himmel ist nicht mehr fern von uns. Und vor dem Sterben stimmte er das „Gott, dich loben wir!" zur Danksagung an, daß ihn Gott für den Glauben als Märtyrer sterben ließ, und hierauf legte er ganz fröhlich das Haupt unter das Beil. Der heilige Franziskus von Assisi sang bei seinem Tode und forderte auch die anderen zum Singen auf. Vater, sagte der Laienbruder Elias zu ihm, wenn man stirbt, muß man weinen und nicht singen. Aber, antwortete der Heilige, ich kann nicht anders als singen, indem ich sehe, daß ich in kurzem hingehen werde, um Gott zu genießen. Eine junge Nonne aus dem Orden der heiligen Theresia sprach zu den anderen Nonnen, die weinend bei ihrem Sterbelager herumstanden, also: „O Gott! Warum weinet ihr denn? Ich gehe ja meinen Jesus Christus besuchen; erfreuet euch mit mir, wenn ihr mich liebet". (Dising. Parol. 1, §16)

P. Granada erzählt, ein Jäger habe einen aussätzigen Einsiedler getroffen, der dem Tode nahe war und sang. „Wie kannst du denn in diesem Zustande singen?" fragte dieser. „Bruder, antwortete der Einsiedler, zwischen mir und Gott ist nichts als die Mauer dieses meines Leibes; nun sehe ich sie zerfallen und den Kerker einstürzen, ich gehe nun hin, Gott zu sehen und deswegen freue ich mich und singe". Diese Sehnsucht nach Gott machte, daß der heilige Märtyrer Ignatius sagte, wenn die wilden Tiere nicht gekommen wären, ihn ums Leben zu bringen, so hätte er sie gereizt, daß sie ihn ergreifen sollten: „Ich werde Gewalt brauchen, damit ich verzehrt werde". Die heilige Katharina von Siena konnte es nicht leiden, daß einige den Tod für ein Unglück hielten und sagte: „O, geliebter Tod, wie ungern sieht man dich! Und warum kommst du nicht zu mir, da ich Tag und Nacht dich rufe?" (Vita cap. 70) Und die heilige Theresia wünschte den Tod so sehr, daß sie es für ihren Tod hielt, daß sie noch nicht sterben könne und mit solchem Gefühle verfaßte sie jenes berühmte Lied: „Ich sterbe, weil ich nicht sterbe". Also sehen die Heiligen den Tod an.

 

Anmutungen und Bitten

Ach, mein Gott, mein höchstes Gut! wenn ich dich in der Vergangenheit nicht liebte, so kehre ich mich doch jetzt ganz, zu dir. Ich gebe allen Geschöpfen den Abschied und will nur dich, meinen liebenswürdigsten Herrn lieben. Sage mir, was du von mir willst, daß ich tue: ich will es tun. Ich habe dich nun genug beleidigt. Mein übriges Leben will ich zubringen, um dir Freude zu machen. Gib mir Stärke, damit ich durch meine Liebe die bisherige Undankbarkeit ersetze. Ich verdiente schon viele Jahre im höllischen Feuer zu brennen; du aber bist mir so nachgegangen, daß du mich schon gewonnen hast; mache nun, daß ich vom Feuer deiner heiligen Liebe entbrenne. Ich liebe dich, unendliche Güte! Du willst der Einzige sein, den ich liebe, du hast das Recht dazu, denn du liebtest mich mehr als alle, und dich allein will ich lieben; ich will so viel als möglich tun, um dir wohlzugefallen. Tue mit mir, was dir gefällt. Es genügt mir, daß ich dich liebe und daß du mich liebest. Maria, meine Mutter! hilf mir, bitte. Jesum für mich.