8. Betrachtung

Tod der Gerechten

„Kostbar ist vor dem Angesicht des Herrn

der Tod seiner Heiligen."

(Ps 115, 15)

 

1. Punkt

Den Sinnen nach betrachtet ist der Tod schreckbar und fürchterlich; doch dem Glauben nach ist er tröstlich und wünschenswert. Furchtbar erscheint er den Sündern, liebenswürdig aber und kostbar zeigt er sich den Heiligen. „Kostbar", sagt der heilige Bernardus, „weil das Ende der Mühsale, die Vollendung des Sieges, die Tür des Lebens". (Trans. Malach.) „Das Ende der Drangsale." Jawohl ist der Tod das Ende der Mühseligkeiten und Trübsale. Der vom Weibe geborene Mensch lebt kurze Zeit und ist voll Elend. (Job 14,1) Siehe, wie unser Leben beschaffen ist: kurz ist es und voll von Elend, Krankheiten, Furcht und Leiden. Was suchen die Weltkinder, die ein langes Leben wünschen, wohl anderes, sagt Seneka, als eine lange Pein? „Durch den Wunsch der Lebens-Verlängerung verlangt man gleichsam die Verlängerung der Pein." (Ep 10,1) Was heißt das Leben fortsetzen anders, als fortfahren zu leiden, sagt der heilige Augustinus. „Was heißt lange leben anders, als lange gepeinigt werden?" (Serm. 17 de verbo Dom.) Und so ist es; nach der Lehre des heiligen Ambrosius ist uns das Leben nicht gegeben um zu ruhen, sondern damit wir uns bemühen und durch die Bemühungen das ewige Leben uns verdienen. „Dies Leben ist dem Menschen nicht zur Muße, sondern zur Arbeit verliehen." (Serm. 43) Mit Recht sagt daher Tertullianus, daß Gott einem durch Abkürzung des Lebens die Pein abkürze: „Gott nimmt eine lange Qual weg, wenn er ein kurzes Leben verleiht". Obwohl also der Tod den Menschen zur Strafe für die Sünde gegeben ist, so sind die Armseligkeiten dieses Lebens dennoch so groß, daß der Tod, wie der heilige Ambrosius sagt, uns zur Erleichterung, nicht zur Strafe gegeben zu sein scheint, somit der Tod eine Hilfe, nicht eine Strafe zu sein scheint. Gott nennt jene selig, die in seiner Gnade sterben; denn es enden ihre Arbeiten und sie gehen zur Ruhe. Selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben, von nun an, spricht der Geist, sollen sie von ihren Arbeiten ruhen. (Offb 14, 13) Die Peinen, welche die Sünder im Tode bestürzen, beängstigen die Gerechten nicht: Die Seelen der Gerechten sind in der Hand Gottes und die Pein des Todes wird sie nicht berühren. (Weish 31) Die Heiligen betrübten sich nicht ob jenem: „Reise ab", welches die Weltkinder so sehr erschreckt. Die Heiligen werden nicht traurig, wenn sie die Güter dieser Welt verlassen müssen; denn sie haben ja ihr Herz davon losgerissen. Immer gingen sie mit diesen Worten einher: Gott ist in Ewigkeit der Gott meines Herzens und mein Anteil! O, ihr Seligen, schrieb der Apostel seinen Jüngern, die ihr Jesu Christi wegen eurer Güter beraubt wurdet! Ihr habt den Raub eurer Güter mit Freuden ertragen, wohl wissend, daß ihr ein besseres und bleibendes Gut habet. (Hebr 10)

Sie betrüben sich nicht, daß sie die Ehren verlassen müssen; denn sie verachteten sie vielmehr und hielten sie für das, was sie sind, für Rauch und Eitelkeit; sie schätzten nur die Ehre Gott zu lieben und von Gott geliebt zu werden. Sie betrüben sich nicht, indem sie die Verwandten verlassen müssen: denn sie liebten solche in Gott; sterbend überlassen und empfehlen sie solche jenem himmlischen Vater an, der dieselben mehr liebt, als sie, und in der Hoffnung, selig zu werden, denken sie, ihnen besser helfen zu können vom Himmel aus, als auf dieser Welt. Kurz, die im Leben immer sagten: „Mein Gott und mein Alles!" wiederholen es im Tode mit desto größerem Troste und umso zärtlicher.

Wer in der Liebe zu Gott stirbt, beunruhigt sich nicht wegen der Schmerzen, die der Tod mit sich bringt, sondern sie sind ihm vielmehr lieb, indem er denkt, sein Leben sei am Ende und es bleibe ihm keine Zeit mehr übrig, für Gott zu leiden und andere Beweise seiner Liebe ihm zu geben; daher opfert er mit Liebe und in Freuden diese letzten Überreste seines Lebens ihm auf und tröstet sich, indem er das Opfer seines Todes mit jenem Opfer vereint, welches Jesus Christus einst am Kreuze seinem ewigen Vater dargebracht. Und so stirbt er glücklich mit den Worten: Im Frieden will ich entschlafen und ruhen. O, welcher Friede, mit Ergebenheit und in den Armen Jesu Christi ruhend, zu sterben, der bis in den Tod uns liebte und eines bitteren Todes sterben wollte, um einen süßen und fröhlichen Tod uns zu erlangen!

 

Anmutungen und Bitten

O, mein geliebter Jesus! der du am Kalvarienberge eines so bitteren Todes sterben wolltest, um mir einen sanften Tod zu erhalten, wann werde ich dich sehen? Das erste Mal, da ich dich zu sehen bekommen werde, werde ich dich eben da sehen als Richter, wo ich sterben werde. Was werde ich alsdann sagen? was wirst du zu mir sagen? Ich will es nicht verschieben, erst dann an dich zu denken, ich will jetzt schon daran denken. Ich werde zu dir sagen: Mein lieber Erlöser, du bist es also, der für mich gestorben ist! Es war eine Zeit, wo ich dich beleidigte und dir undankbar war, und nicht Verzeihung verdiente, doch nachher, von deiner Gnade unterstützt, ging ich in mich und beweinte in meinen übrigen Lebenstagen meine Sünden, - und du hast mir verziehen. Verzeihe mir neuerdings, da ich jetzt vor deinen Füßen liege und erteile mir selbst die Lossprechung von allen meinen Schulden. Ich verdiente es nicht mehr, dich zu lieben, weil ich deine Liebe verachtet habe; doch du hast in deiner Barmherzigkeit mein Herz an dich gezogen, welches, wenn es gleich nicht nach deinem Verdienste dich liebte, dich doch über alles liebte, indem es alles verließ, um dir zu gefallen. Was sagst du nun zu mir? Ich sehe ein, daß der Himmel und der Besitz deiner in deinem Reiche für mich ein allzu großes Gut ist; allein ich getraue mich nicht entfernt von dir zu leben, umso mehr jetzt, da du mir dein liebenswürdiges und schönes Antlitz zu erkennen gabst. Ich bitte dich daher um den Himmel; nicht um mich mehr zu erfreuen, sondern um dich besser zu lieben. Schicke mich ins Fegefeuer, sofern es dir gefällt. Nein, ich Unreiner will nicht in jenes Vaterland der Reinheit kommen und unter jenen reinen Seelen mich so beschmutzt und befleckt sehen, wie ich es jetzt bin! Schicke mich hin zu meiner Reinigung, doch verstoß mich nicht auf immer von deinem Angesichte; genug, wenn du mich dann - nach deinem Belieben - einst ins Paradies berufen wirst, damit ich in Ewigkeit deinen Erbarmungen Lob singe. Wohlan, mein geliebter Richter! erhebe deine Hand und segne mich und sage zu mir, daß ich dein sei, und daß du immer mein seiest und sein werdest. Stets werde ich dich lieben; immer wirst du mich lieben. Siehe, nun gehe ich weit von dir; ins Feuer gehe ich; aber ich gehe gern, weil ich hingehe, um dich, meinen Erlöser, meinen Gott, mein Alles zu lieben. So gehe ich gern, aber wisse, daß in jener Zeit, wo ich so fern von dir sein werde, meine Entfernung von dir meine allergrößte Qual sein wird. Ich gehe, o Herr, und werde alle Augenblicke zählen, bis du mich abberufest. Erbarme dich über eine Seele, die dich aus ganzem Herzen liebt und sich seufzend nach dir sehnt, um dich besser lieben zu können.

Also hoffe ich, mein Jesus, mit dir alsdann sprechen zu können. Daher bitte ich dich um die Gnade, so zu leben, daß ich sodann zu dir das sagen kann, was ich jetzt gedacht habe. Gib mir die heilige Beharrlichkeit; gib mir deine Liebe und komme mir zu Hilfe. - O Mutter Gottes, Maria! bitte Jesum für mich.