7. Betrachtung

Gefühle eines Sterbenden, der sorglos und wenig auf den Tod bedacht war.

 

2. Punkt

O, wie klar lassen sich im Tode die Glaubenswahrheiten erkennen! Doch nur zur größeren Pein für jenen Sterbenden, der schlecht gelebt hat, besonders wenn es eine Gott geweihte Person war, welche mehr Gelegenheit, Zeit, Beispiel, Einsprechungen gehabt hatte, ihm zu dienen. O Gott, welchen Schmerz wird eine solche Person haben, wenn sie zu sich sagen muß: Ich ermahnte andere und dann betrug ich mich schlechter, als sie! Ich habe die Welt verlassen und lebte dann dem Vergnügen, den Eitelkeiten und Liebeleien der Welt zugetan. Welche Gewissensbisse wird ihr der Gedanke machen, daß mit den Erleuchtungen, die sie von Gott erhalten hat, sogar ein Heide heilig geworden wäre! Wie bitter wird die Erinnerung sein, an anderen die Übungen der Frömmigkeit als Geistesschwachheiten verachtet und gewisse weltliche Grundsätze von eigener Hochschätzung oder von Eigenliebe gelobt zu haben, z. B. zu nichts Beschwerlichem sich zu bequemen und jede Belustigung, die sich nur darbietet, sich zu erlauben! Der Wunsch der Sünder wird zu nichte werden. (Ps 111,10) Wie sehr wäre im Tode die Zeit erwünscht, die man jetzt vergeudet! Der heilige Gregorius erzählt in seinen Zwiegesprächen: Es gab einen gewissen Chrysantius, der ein reicher Mann, allein von schlechten Sitten war, und da er dem Tode ganz nahe war, schrie er den Teufeln, welche ihm sichtbar erschienen, um ihn zu ergreifen, so zu: „Lasset mir Zeit, lasset mir nur bis morgen Zeit". Und sie antworteten ihm: „O, du Tor, jetzt verlangst du Zeit? Du hattest so viele, und verwendetest sie zum Sinnlichen und jetzt verlangst du Zeit? Jetzt ist keine Zeit mehr." Der Elende schrie immerfort und bat um Hilfe. Es befand sich alldort einer von seinen Söhnen als Mönch, mit Namen Maximus, der Sterbende sagte zum Sohne: „Mein Sohn, hilf mir, mein Maximus! hilf mir!" und indessen warf er sich mit einem wie Feuer glühenden Gesichte wütend von einer Seite des Bettes auf die andere, und während er sich so hin- und herwarf und wie ein Verzweifelter schrie, gab er unglücklich seinen Geist auf.

Leider lieben diese Toren im Leben ihre Torheit, im Tode aber gehen ihnen dann die Augen auf, und da bekennen sie, töricht gewesen zu sein! Dann nützt es ihnen zu nichts mehr, als zur Vergrößerung des Mißtrauens, dem verübten Bösen abhelfen zu können, und indem sie so sterben, hinterlassen sie eine große Ungewißheit über ihr Heil. Auch du, mein Bruder, der du diesen Punkt liesest, sagst, wie ich mir denke: „So ist es." Wenn es aber dem also ist, so wäre deine Torheit und dein Unglück noch weit größer, wenn du - indem du diese Wahrheiten schon im Leben erkennest - nicht bei Zeiten abhelfen würdest. Eben das, was du gelesen hast, wäre für dich im Tode ein Schwert des Schmerzes. Auf also, da du noch Zeit hast, einem so fürchterlichen Tode zu entgehen, hilf schnell ab; verschiebe es nicht auf jene Augenblicke, wo nicht mehr Zeit sein wird zu helfen. Verschiebe es nicht auf den nächsten Monat, auf die nächste Woche. Wer weiß, ob diese Erkenntnis, die Gott aus Barmherzigkeit dir leuchten läßt, nicht das letzte Licht, der letzte Ruf für dich ist? O, wie töricht ist es, an den Tod nicht denken wollen, da er doch gewiß ist, und da von ihm die Ewigkeit abhängt; allein eine noch größere Torheit ist es, daran zu denken und auf den Tod sich nicht vorzubereiten. Mache jetzt jene Betrachtungen und Vorsätze, die du alsdann machen würdest; jetzt zwar noch mit Nutzen, dann aber mit großer Ungewißheit deines Heiles. Als sich ein Edelmann am Hofe Karl V beurlaubte, um Gott allein zu dienen, fragte ihn der Kaiser, warum er den Hof verlasse: „Es ist vonnöten, antwortete er, daß zwischen dem ausschweifenden Leben und zwischen dem Tode ein Zeitraum von Buße sei."

 

Anmutungen und Bitten

Nein, mein Gott, ich will deine Barmherzigkeit nicht mehr mißbrauchen. Ich danke dir für das Licht, das du mir jetzt gibst, und verspreche dir, mein Leben zu ändern. Ich sehe schon ein, daß du mich, so wie ich bin, nicht mehr dulden kannst. Und sollte ich warten, bis du mich in die Hölle wirfst, oder mich einem ausgelassenen Leben überlassest, welches für mich eine weit größere Strafe wäre, als selbst der Tod? Siehe, ich werfe mich dir zu Füßen, nimm mich zu Gnaden auf. Ich verdiene es nicht; doch du sagtest: Wann immer der Gottlose sich von seiner Gottlosigkeit bekehren will, soll ihm die Ungerechtigkeit nicht schaden. (Ez 33,12) Wenn ich also bisher dich, mein Jesu, als die unendliche Güte beleidigte, so bereue ich es jetzt mit ganzem Herzen und hoffe von dir Verzeihung. Ich will mit dem heiligen Anselmus sagen: Ach gib nicht zu, daß meine Seele ihrer Sünden wegen zu Grunde gehe, denn du hast sie ja mit Deinem Blute erlöst. Schaue nicht auf meine Undankbarkeit, sondern auf die Liebe, die dich dazu vermochte, für mich zu sterben. Wenn ich deine Gnade verlor, so verlorst du ja nicht die Macht mir sie wieder zu geben. Erbarme dich also meiner, o mein lieber Erlöser! Verzeihe und gib mir die Gnade, dich zu lieben; denn ich verspreche dir, von nun an niemand andern, als dich zu lieben. Unter so vielen Geschöpfen erwähltest du mich, daß ich dich liebe: ich erwähle dich, o höchstes Gut! um dich über alle anderen Güter zu lieben. Du gehst mir mit deinem Kreuze voran: ich will nicht ermangeln, dir mit jenem Kreuze nachzufolgen, das du mir zu tragen geben wirst. Alle Leiden und Mühseligkeiten, die von dir kommen werden, nehme ich an. Wenn du mich nur nicht deiner Gnade beraubst, so bin ich wohl zufrieden. - Maria, meine Hoffnung, erlange mir von Gott die Beharrlichkeit und die Gnade ihn zu lieben; um nichts anderes mehr bitte ich dich.