302. Die Mutter der Schmerzen

(Joh 19)

 

I Jesus sieht seine Mutter am Fuß des Kreuzes

Bei dem Kreuze Jesu standen seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Frau des Kleophas, und Maria Magdalena.

Siehe am Fuß des Kreuzes die tiefbetrübte Mutter deines göttlichen Meisters, die Königin der Märtyrer. Alle Körper- und Seelenqualen ihres Sohnes haben ihrem Herzen tiefe Wunden geschlagen. In ihrem unbefleckten Herzen leidet sie alles auf geistige Weise mit.

Warum kommt Maria zum Kalvarienberg? Die liebende Mutter will dem sterbenden Sohn beistehen. Auf dem Kalvarienberg erneuert sie feierlich ihre Einwilligung, die sie ehedem zu den Geheimnissen der Menschwerdung und der Erlösung gegeben hat. Sie beansprucht hier ihren Teil an Jesu Schmerzen. Ihr Herz umfaßt in Liebe jene, für die Jesus so unaussprechlich leidet, darum bietet sie sich an, deren Mutter zu werden.

Wie willst du deiner Mutter dies vergelten? Danke ihr kindlich für ihren Anteil am Erlösungswerk. Erbitte dir bei ihr alles, was dir an Frömmigkeit, an Verständnis der Glaubenswahrheiten, an Kraft, Liebe und Beharrlichkeit fehlt. — Lerne von ihr, den Heiland am Kreuz zu betrachten. Sie ist darin wie in allen anderen Dingen unser Vorbild. Versenke dich tief in die Gedanken und Gefühle der Mutter und des Sohnes!

 

II Die letzte Bitte Jesu an seine Mutter

Als Jesus nun die Mutter und den Jünger, den Er liebte, dastehen sah, sprach Er zu seiner Mutter: «Frau, siehe da, deinen Sohn!» Dann sagte Er zu dem Jünger: «Siehe da, deine Mutter!» Von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich.

Wer ist der Jünger, dem Jesus seine Mutter anempfiehlt? Es ist der Jünger, den die Furcht vor Demütigungen und Leiden nicht auf dem Weg zum Kalvarienberg aufgehalten hat, der Jünger mit dem reinen Herzen, das von keiner sinnlichen Lust befleckt ist und dessen liebende Seele ganz von dem Verlangen erfüllt ist, sich im Dienst seines Meisters auszuzeichnen. Johannes ist auserwählt, der Hüter und Schützer Marias zu werden.

Hat Jesus, als Er Johannes zum Kind Mariens machte, nicht auch an dich gedacht? Da Er für dich stirbt, empfiehlt Er auch dich seiner heiligen Mutter; sein sterbender Blick reicht durch die lange Reihe der Jahrhunderte bis zu dir. Als Jesus uns zu Brüdern annahm, hat Er uns auch Maria zur Mutter gegeben. «Siehe, deine Kinder!» spricht Jesus zu seiner lieben Mutter. «Wache über sie, ich vertraue sie dir an. Liebe sie, wie du mich geliebt hast. Sei auch ihnen die treue Mutter, die du mir gewesen bist!»

Und zu dir spricht Er, auf Maria hinweisend: «Siehe, deine Mutter!» Betrachte sie im Licht der Leidensgeheimnisse. Tritt mit dem heiligen Johannes und den frommen Frauen zu Maria hin! Sie öffnet dir die Arme, empfängt dich mit liebendem Herzen und nennt dich ihr Kind. Nenne du sie mit ehrfurchtsvoller Liebe deine Mutter. Erneuere deine Weihe und Hingabe an Maria. Versprich dem sterbenden Erlöser, dich ernstlich zu bestreben, allzeit ein würdiges Kind seiner heiligsten Mutter zu sein!