294. Das Todesurteil

(Mt 27, Mk 15, Lk 23, Joh 19)

 

I Jesus wird dem Volk abermals vorgeführt

Als aber Pilatus diese Worte hörte, ließ er Jesus hinausführen. Er setzte sich auf einen Richterstuhl, an der Stelle, die Lithostrotos heißt, auf hebräisch Gabbatha. Es war der Rüsttag des Osterfestes, um die sechste Stunde. Und er sagte zu den Juden: «Seht da, euren König!»

Die Juden bedrängten den Pilatus aufs neue, sie wollen um jeden Preis das Todesurteil, denn Jesus soll sterben! Noch einmal wendet sich Pilatus vermittelnd an das Volk: «Seht euren König! Hat Er nicht schon genug erduldet?»

«Seht euren König!» Huldige dem göttlichen König, der abermals dem Spott des Volkes preisgegeben wird. Als unser Gott und Erlöser besitzt Er unumschränkte Herrscherrechte über alle Seelen. Die Demütigungen, die Jesus erduldet hat, verringern keineswegs seine Gewalt über dich. Bekenne demütig, daß du dich seiner Herrschaft noch nicht vollkommen unterworfen hast. Erhebe Jesus über alle irdische Größe! Wenn dein Stolz sich widersetzt, demütige dich um so tiefer und gib dich Jesus ganz zu eigen.

 

II Das Volk fordert von neuem seinen Tod

Doch sie schrieen: «Hinweg, hinweg mit Ihm! Kreuzige Ihn!»

Vernimm noch einmal das Wutgeschrei des Volkes gegen Jesus. Auch deine Sünden fordern seinen Tod. Die Sünde muß im Blut des Lammes getilgt und abgewaschen werden. Mit diesem Blut müssen die reuigen Seelen bezeichnet werden, damit Gott sie verschone.

Betrachte das Verhalten des Landpflegers, die Niedrigkeit seiner Gesinnung, die Ungerechtigkeit seines Verfahrens und die Schmach seiner feigen Zugeständnisse. Als nun Pilatus sah, daß er nichts ausrichtete, sondern der Lärm größer werde, nahm er Wasser, wusch seine Hände vor dem Volke und sprach: «Ich bin unschuldig an dem Blute dieses Gerechten; sehet ihr zu!» Pilatus will sich der tobenden Menge nicht länger widersetzen und doch an ihrem Verbrechen keinen Anteil haben. Das ist unmöglich. Das Wasser mag über die Hände des Pilatus fließen, das Verbrechermal bleibt ihm auf ewig eingedrückt! In ähnlicher Weise gehen alle jene Machthaber zugrunde, welche die Furcht vor der öffentlichen Meinung beherrscht und fesselt.

Die Volksmenge will die Verantwortlichkeit des Pilatus auf sich nehmen und bricht in den schrecklichen Ruf aus: «Sein Blut komme über uns und unsere Kinder.» Soweit geht die Verblendung dieser Unglücklichen; sie wollen sich lieber ewig von Gott trennen, als sich Jesus unterwerfen. Flehe die göttliche Barmherzigkeit für diese Verirrten an und beschwöre den himmlischen Vater, daß das kostbare Blut seines Sohnes dich und die Deinen reinige und rette!

 

III Pilatus fällt das Todesurteil

Da nun Pilatus dem Volke willfahren wollte, sprach er das Urteil, daß nach ihrem Verlangen geschehen sollte. Jesus aber überlieferte er ihnen, damit Er gekreuzigt werde.

Sieh, wie Pilatus durch eine letzte Feigheit ein furchtbares Verbrechen auf sich lädt, da er das Todesurteil über Jesus ausspricht. Er wollte die Forderungen der Gerechtigkeit mit seinen persönlichen Interessen in Einklang bringen, und das ist nun das Ergebnis seiner Bemühungen. Pilatus entehrt und verdammt sich selbst, weil er gegen sein Gewissen handelt. «Nehmt diesen Menschen», sagt er, «macht mit Ihm, was ihr wollt, nur laßt mich in Ruhe!» Er glaubt also Ruhe zu finden, indem er vor der Wahrheit die Augen verschließt und Jesus opfert. Wie bedauernswert ist Pilatus! Alle, die ihn nachahmen, werden sein Schicksal teilen.

Betrachte jetzt deinen liebreichen Erlöser, wie Er der Bosheit seiner Feinde preisgegeben wird! Da steht Er vor seinem feigen Richter und seinen Henkern. Auf seinem Haupt trägt Er die Dornenkrone und der Purpurmantel bedeckt seine Schultern. Das Urteil, das über Ihn verhängt wird, ist ebenso ungerecht wie grausam. Dessen ungeachtet hört Er es mit unaussprechlicher Geduld, Ruhe und Sanftmut an und unterwirft sich ihm von ganzem Herzen und mit aller Bereitwilligkeit, denn der himmlische Vater hat es zugelassen. Dadurch lehrt uns Jesus, alles, was uns trifft, aus der Hand Gottes anzunehmen und uns aus Liebe zu Ihm jeder rechtmäßigen Autorität zu unterwerfen. Um dir den Besitz des Himmels zu sichern, gibt der himmlische Vater seinen einzigen Sohn hin. Danke mit aller Innigkeit für so viel unverdiente Liebe und erwidere sie!