284. Jesus vor Pilatus

(Joh 18, Mt 27, Mk 15, Lk 23)

 

I Jesus wird des Aufruhrs beschuldigt

Sie fingen aber an, Ihn anzuklagen und sagten: «Wir haben gefunden, daß dieser unser Volk aufwiegelt, daß er verbietet, dem Kaiser Steuer zu zahlen und sich für den Messiaskönig ausgibt.»

Höre die Anklagen gegen den Erlöser. «Er ist ein Übeltäter!» Pilatus will wissen, welches Unrecht Er getan hat. Da antworten die heuchlerischen, neidischen und gottlosen Ankläger und bringen ihre lügnerischen Anschuldigungen gegen Jesus vor. «Er ist ein Verführer», ruft man, «der die Gesetze seines Volkes verachtet. Er widersetzt sich der Staatsgewalt, stiftet Unfrieden, täuscht das Volk und verschafft sich Ansehen bei den Einfältigen, indem Er sich für einen Gesandten Gottes ausgibt.» Tönen diese Anklagen nicht von Jahrhundert zu Jahrhundert bis in unsere Tage fort? Doch inmitten dieser schimpflichen Beschuldigungen fordert Jesus dich auf, sein Leben zu betrachten, seine Lehre zu erwägen und dich von der Echtheit seiner göttlichen Sendung zu überzeugen.

Wie groß ist dein Eifer für die Rechtfertigung Jesu Christi? Was tust du, um seine Sache zu verteidigen und zum Sieg zu führen, die Einwürfe der Gegner zu widerlegen und seinen Hoheitsrechten Anerkennung zu verschaffen?

 

II Jesus gibt Pilatus Aufklärung über sein Reich

Da ging Pilatus wieder in das Amtsgebäude, ließ Jesus rufen und fragte Ihn: «Bist Du der König der Juden?»

Steige mit Jesus die Stufen des Prätoriums hinan und tritt mit Ihm vor den heidnischen Richter. Folge aufmerksam dem Verhör, welches Pilatus mit Ihm anstellt! «Bist du der König der Juden?» Warum stellt er diese Frage? Aus Neugierde oder aus Besorgnis? Die ärmliche Erscheinung Jesu und sein bescheidenes Auftreten geben zwar keinen Anlaß zum Mißtrauen. Der himmlische Vater hat dem Pilatus wohl zu unserer Belehrung diese Frage eingegeben, damit Jesus Gelegenheit fände, sich vor dem Vertreter der höchsten Staatsgewalt über sein Königtum zu äußern. Dieser Umstand verleiht dem Selbstzeugnis Jesu eine besondere Bedeutung. Die Gelegenheit, von seinem Reich zu reden, ist günstig. «Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Wäre mein Reich von dieser Welt, so hätten meine Diener gekämpft, daß ich den Juden nicht überliefert würde. Nun aber ist mein Reich nicht von hier. — Ich strebe keineswegs danach, über Land und Leute zu herrschen, sondern über die Seelen; ich bin kein König der Zeit, sondern der Ewigkeit. Meine Herrschaft bedarf zu ihrer Begründung keiner bewaffneten Macht, sie macht sich geltend trotz Verachtung und Hohn und siegt inmitten des Widerstandes. Mein Reich hat einen anderen Zweck als die irdischen Reiche, ich gelange auf andere Weise zum Ziel und verdränge niemanden von seinem Platz.»

Bitte den Heiland, dir weitere Aufschlüsse über sein Reich zu geben. Was wird Er dir noch darüber sagen? «Ist mein Reich nicht von dieser Welt, so dürfen auch meine Diener nicht von dieser Welt sein. Sie folgen nicht den Grundsätzen dieser Welt und hängen ihr Herz nicht daran. Ihre Hoffnungen sind nicht auf das Irdische gerichtet; sie verachten die vergänglichen Güter und suchen einzig die himmlischen.» — Diese Lehren hat Jesus während seines Lebens oft gegeben, Er wiederholt sie vor seinem Tod.

Erkläre dich als treuen Untertan deines göttlichen Königs, beuge dich freudig unter sein Zepter und bringe Ihm deine Huldigung dar!

 

III Jesus bezeichnet sich als den Lehrer der Wahrheit

Da sagte Pilatus zu Ihm: «Du bist also doch ein König?» Jesus antwortete: «Ja, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, daß ich für die Wahrheit Zeugnis gebe. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme.»

Pilatus folgert: «Wie Du auch immer das Königtum auffassest, Du gibst dich doch als König aus.» «Ja», antwortet Jesus, «ich bin ein König!»

Betrachte deinen König und führe alle, mit denen du zusammenkommst, zu Ihm hin. Lerne die göttliche Autorität auch unter armer und demütiger Hülle verehren! Dieser gefesselte Mensch ist der König der Könige. — «Ja, ich bin ein König», sagt Er, «ich habe Untertanen, ich will herrschen und meine Herrschaft immer weiter ausdehnen.»

Höre, wie dein König seinen Plan klarlegt und die Mächtigen der Erde über seine Ziele unterrichtet: «Mein Zweck ist nicht, Steuern zu erheben, ein Heer zu befehligen, sondern die Wahrheit zu lehren, das Licht des Lebens den Seelen mitzuteilen und sie zum Eintritt in das Himmelreich zu befähigen. Nur dazu bin ich in die Welt gekommen.»

Wird diese Rechtfertigung bei Pilatus genügen? Ist der Genuß der Wahrheit nicht die größte Wohltat für die Menschen und verdient der nicht zu herrschen, der sie allen anbietet? Doch um die Wahrheit zu schätzen, muß man sie lieben. Aber Pilatus antwortet gleichgültig: «Was ist Wahrheit?» Wie wenn er sagen wollte: «Du sprichst von Dingen, die uns nicht interessieren.» Pilatus hat hier die Gnade seines Lebens verscherzt. Jetzt verläßt er seinen Heiland. Von hier aus stürzt ihn der Satan Schritt für Schritt ins Verderben.

Ahme das törichte Verhalten des Pilatus nicht nach, sondern erwecke in dir eine begeisterte Liebe zur Wahrheit! Bitte den Heiland, die Dunkelheit deines Herzens zu erleuchten, deine Zweifel zu zerstreuen und dich in den vollen Besitz der Wahrheit zu setzen, für die Er gelebt hat und der auch du dein Leben weihen willst.