268. Das hohepriesterliche Gebet Jesu (II)

(Joh 17)

 

I Jesus empfiehlt seine Jünger feierlich seinem himmlischen Vater

«Geoffenbart habe ich deinen Namen den Menschen, die Du mir aus der Welt gegeben hast. Sie waren dein. Du hast sie mir gegeben, und sie haben dein Wort bewahrt.»

Höre, wie der Heiland für seine Jünger betet! «Du hast sie mir gegeben, ihr Heil muß mir also sehr am Herzen liegen, denn sie sind mein. Mein Anrecht auf sie suche ich sicherzustellen, darum empfehle ich sie dir.» So denkt Jesus; dein Vertrauen darf demnach grenzenlos sein.

Aber erwäge, was Er beigefügt: «Sie haben dein Wort bewahrt.» Der himmlische Vater wird also jene bewahren, die ihrerseits das Wort seines Sohnes bewahren. Jene, die gelehrsam und wahrhaft demütig sind, die alles menschliche Hinterfragen und die falsche Weisheit der Welt verschmähen, die das göttliche Wort zur Richtschnur ihres Lebens erwählen und mit unerschütterlicher Überzeugung glauben, daß Gott durch Jesus Christus gesprochen hat.

O meine Seele, der Sohn Gottes betet für dich! Kann es nun noch Prüfungen geben, denen du nicht gewachsen bist, oder Versuchungen, die du nicht überwinden kannst? Ist dir dein Kreuz auch jetzt noch zu schwer? Wirst du in Zukunft noch traurig, lau und mutlos sein? Bietet dieses Gebet deines Heilands dir nicht vollkommenen Ersatz für dein Unvermögen und stärkende Hoffnung für die Stunden der Betrübnis?

 

II Jesus bittet den Vater um Einheit des Glaubens und um Liebe für seine Jünger

«Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins seien gleichwie wir. Solange ich bei ihnen war, habe ich sie bewahrt in deinem Namen, den du mir gegeben hast.»

Frohlocke in heiliger Freude darüber, daß der Sohn Gottes die Seinen dem Vater so eindringlich empfiehlt! «Vater, bewahre sie.» — Der Vater, der mich so sehr geliebt hat, daß Er seinen Sohn für mich in den Tod gab, wird von nun an mein Hüter sein. Mein Heiland bittet Ihn, bis zu meinem letzten Seufzer über mich zu wachen. «Bewahre sie. Laß nicht zu, daß sie den rechten Weg verlassen oder daß sie je nachlässig werden! Mache sie auf die Fallstricke aufmerksam, und wenn sie doch unvorsichtigerweise fallen, so befreie sie! Erhalte sie eifrig im Glauben, im Gebet und in den guten Werken. Befestige in ihren Herzen den Abscheu vor dem Bösen und die Liebe zum Guten, die ich ihnen eingeflößt habe. Vater, bewahre sie!» Suche diesen Gedanken deines Heilands ganz zu erfassen. Er erbittet für die Seinen nicht nur den allgemeinen Schutz der göttlichen Vorsehung, sondern die ins einzelne gehende, unendlich aufmerksame und zarte Sorgfalt, mit der Er selbst sie stets umgeben hat. «Vater, bewahre sie, wie ich selbst sie allzeit bewahrt habe.»

Lobe und preise deinen Heiland wegen solcher Liebe! Küsse voll Andacht seine Hände und Füße, danke Ihm, daß Er selbst dich zeitlebens so treu bewahrt und daß Er so gütig für dich Sorge getragen hat. Empfiehl Ihm auch alle, die du liebst!

 

III Jesus bittet den Vater, das Werk ihrer Heiligung zu vollenden

«Ich habe ihnen dein Wort gegeben. Aber die Welt hat sie gehaßt, weil sie nicht mehr von der Welt sind, wie auch ich nicht von der Welt bin. Ich bitte nicht: Nimm sie aus der Welt, sondern: Bewahre sie vor dem Bösen.»

Um des Evangeliums willen sind die Apostel für die Welt unerträglich geworden. Die Welt stößt sich an ihren Grundsätzen und an ihren Beispielen, die ihr eigenes Treiben verurteilen. Diese feindselige Gesinnung der Welt ist für Jesus ein neuer Beweggrund, bei dem Vater zugunsten seiner Apostel einzutreten: «Um meinetwillen werden sie leiden. Indem du sie schützest, bewahrst du mich, bewahre sie vor allem Bösen.»

Erfasse die Tragweite dieses Gedankens! In diesem Augenblick ziehen vor dem Auge des Heilands alle deine Gefahren, Versuchungen, Bedürfnisse und Prüfungen vorüber. Klar sieht Er alles und wiederholt die Worte: «Bewahre sie vor dem Bösen!» Dieser flehentlichen Bitte verdankst du jeden Sieg, den du davonträgst, jedes Verdienst, das du erwirbst. Wie steht es mit deinem Vertrauen und deiner Dankbarkeit?

Schöpfe hier das Mittel gegen die Lauheit, gegen den Überdruß an deinen geistlichen Übungen, gegen die Trostlosigkeit der Seele und die Mutlosigkeit. Du brauchst bloß zu lauschen auf die göttliche Stimme, die im Innern deiner Seele betet, die deinen Mut befestigt, dich vor Gefahren warnt und dir hilft, sie zu vermeiden. Diese Stimme beruft dich zur Heiligkeit; sie versichert dir, daß dir nichts zur Erreichung dieses Zieles fehlen wird.