95. Jesus heilt einen stummen und blinden Besessenen

(Mk3, Mt 12, Lk 11)

 

I Die Volksmenge umdrängt den Heiland

Als sie nach Hause1 kamen, versammelte sich das Volk wieder, so daß sie nicht einmal ihr Brot essen konnten. Da die Seinigen dies hörten, gingen sie hinaus, Ihn mit Gewalt zu holen.

Begib dich mitten durch die Volksschar in die Nähe des Heilandes. Freue dich des großen Zulaufs, den Er hat. Wie viele Menschen, die seiner bedürfen, wie viele Hilfesuchende, die seine Allmacht anflehen!

Die Güte Jesu kommt seiner Allmacht gleich. Alle sind sicher, zu jeder Stunde, an jedem Orte und unter allen Umständen von Ihm aufgenommen zu werden. Er ist für alle da; alle dürfen auf Ihn zählen. Siehe, wie Er seine ganze Freude und sein ganzes Glück daran setzt, für die Ehre seines Vaters zu arbeiten und sich unserem Heile zu widmen. Was man von Ihm denkt, bekümmert Ihn wenig. «Er ist wahnsinnig geworden», sagen seine Verwandten. Höre diese beleidigende Rede. Auch seine Güte, seine Tugend, so viele Wunder konnten sie nicht für Jesus gewinnen. Fremde erheben und preisen den Herrn, und die Ihm am nächsten stehen sollten, setzen Ihn herab. Aber nichts ist imstande, Ihn von der Erfüllung seiner Aufgabe zurückzuhalten. Nimm dir ein Beispiel! Was liegt am Urteil der Menschen, wenn nur das Werk, das Gott uns aufgetragen hat, vollbracht wird!

1 Wahrscheinlich bei der Rückkehr des Erlösers aus der Gegend von Naim nach Kaphamaum. Es handelt sich um das Haus, das Er in dieser letzteren Stadt bewohnte.

 

II Jesus heilt einen Besessenen

Man brachte einen Besessenen zu Ihm, der blind und stumm war.

Das Wunder, das Jesus zu wirken im Begriffe steht, hat eine besondere Bedeutung für dich. Gleichst du nicht diesem Unglücklichen? Bist du nicht blind für deinen Gewissenszustand? Erkennst du die Häßlichkeit deiner Fehler und bösen Gewohnheiten? Sind dir deine feigen Zugeständnisse an die Genußsucht in ihrer ganzen Niedrigkeit bewußt? Siehst du ein das Unwürdige und Schmachvolle deiner beklagenswerten Menschenfurcht, deiner Scheu vor den Beschwerden, welche mit treuer Pflichterfüllung verbunden sind? Gefällst du dir etwa in dieser Blindheit?

Fehlt dir die Sprache nicht ebenso sehr wie das Licht der Augen? Bleibst du nicht stumm, wenn du beten, Gott danken oder andere ermahnen solltest? Warum schweigt alles in dir, da doch deine Zunge und dein Herz Gott preisen sollten? Warum bekennst du deinen Glauben nicht, wo es deine heilige Pflicht wäre, für Ihn einzutreten? Wenn sich Gelegenheit bietet, für Jesus Zeugnis abzulegen, schweigst du da nicht oft, statt dich auf seine Seite zu stellen?

In Wahrheit gehörst du also zur Zahl jener unglücklichen Blinden und Stummen, die der Heilung bedürfen. So eile denn zu Jesus und laß dir seine segnende Hand auflegen. Nenne Ihm die bösen Geister, die dich gefangen halten: Menschenfurcht, übertriebene Sorge für das Irdische, Selbstsucht und Sinnlichkeit! Erwecke Akte des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, damit die Gnade einen vollkommenen Sieg über dich davon trage!

 

III Jesus erregt den Widerspruch der Pharisäer

Und Er heilte ihn, so daß der Stumme reden und sehen konnte . Die Pharisäer aber, die das hörten, sprachen: «Dieser treibt die bösen Geister nicht anders aus als durch Beelzebub, den Anführer der Teufel.»

Höre den vom bösen Geiste Befreiten reden. Was sagt er? Was kann ein Mensch sagen, der gerade eine so große Wohltat empfangen hat? Aus seinen Augen leuchtet die Dankbarkeit und seine Worte bezeugen liebende Hingabe. Laß auch dein Herz diesen Gefühlen sich öffnen. Bitte Gott, mit seinem Lichte deine Finsternis zu zerstreuen. Wünsche von Herzen, daß sich die Zunge aller geistig Stummen lösen möge, um das Lob Gottes zu verkünden.

«Er hat einen Teufel», sagen die Pharisäer. Das ist die Sprache des Stolzes, der es den Pharisäern unmöglich macht, in den Werken Jesu die göttliche Allmacht zu erkennen, die sie erheben und heilen will. Sie glauben, der Erlösung nicht zu bedürfen. Sie sind ungehalten beim Anblick der einfachen Seelen, die mit Dank die Gnaden und Wunder annehmen, von denen sie selbst nichts wissen wollen. Anstatt sich vor Jesus zu demütigen, lästern sie Ihn. — Habe nichts mit diesen stolzen Pharisäern gemein. In dem Maße als du nach Demut strebst, wirst du innerlich erleuchtet werden. Je mehr Demut du hast, desto größere Fortschritte machst du in der Kenntnis und Liebe Jesu. Opfere dem Herrn gleich jetzt innere Akte der Demut auf und nimm an seiner Seite den Platz ein, den die Lästerer und Ungläubigen verschmäht haben.