79. Vom Gebet

(Mt 6)

 

I Jesus lehrt seine Jünger beten

«Und wenn ihr betet, seid nicht wie die Heuchler, welche es lieben, in den Synagogen und an den Straßenecken stehend zu beten, damit sie von den Menschen gesehen werden. Wahrlich, ich sage euch, sie haben ihren Lohn schon empfangen.»

Wie muß man beten? Da Jesus an der Besserung unseres Lebens arbeitet, rügt Er zuerst die Fehler, die beim Beten zu vermeiden sind. Seine Zuhörer haben viele irrige Ansichten über das Gebet. Er bemüht sich deshalb zuerst, ihren Geist aufzuklären, um dann ihre Herzen für das Gute zu gewinnen.

«Suchet nicht die eitle Ehre in euren Andachtsübungen», sagt Jesus. Die Ehrsucht ist eine beklagenswerte Klippe der Frömmigkeit. Die Frömmigkeit läßt den Menschen nur Gott suchen; die Ehrsucht treibt ihn an, überall sich selbst zu suchen. Dieser Feind muß besiegt werden. Mit vollem Recht tadelt der Heiland jene, die mit ihrer Frömmigkeit die Aufmerksamkeit der Welt auf sich ziehen wollen. Zumal beim Gebet muß man eine reine Meinung haben, wenn man Gottes Wohlgefallen auf sich herabziehen will.

«Vermeide die Zerstreuung beim Gebet», fügt der Heiland bei. «Wenn du betest, ziehe dich in dein Kämmerlein zurück, schließe die Türe hinter dir zu und bete zu deinem Vater im Verborgenen; und dein Vater, der ins Verborgene sieht, wird es dir vergelten.» Du klagst über Zerstreuungen im Gebet; was tust du, um sie zu vermeiden? Gehst du etwa ohne Vorbereitung zum Gebet, ohne zu bedenken, wer derjenige ist, mit dem du reden willst, einzig besorgt, dich dieser beschwerlichen Pflicht so schnell wie möglich zu entledigen? Ist dein Herz erfüllt von irdischen Eindrücken, die zu entfernen du dir keine Mühe gibst? Nimmst du dir während des Gebetes sogar die Freiheit, alles um dich herum zu sehen und zu hören? Welchen Wert können solche Gebete vor Gott haben? Sie zeigen, wie wenig Ehrfurcht und Liebe du für Gott hegst.

 

II Das innere, betrachtende Gebet

«Wenn ihr betet, so plappert nicht wie die Heiden! Die meinen, sie fänden Erhörung, wenn sie viele Worte machen. ... Euer Vater weiß ja, was euch not tut, ehe ihr Ihn bittet.»

Durch diese Worte ermuntert uns der Herr zum betrachtenden Gebet. Dies ist ein mehr innerliches Gebet, wo es nicht vieler Worte bedarf, weil das Herz in Liebe bei Gott verweilt. Das innere Gebet ist notwendig, um die Heiligkeit zu erlangen, denn wir können keine Tugend erwerben, ohne die Gnade Gottes darum zu erbitten. Die Gnade können wir aber nur richtig erbitten, wenn wir durch die Betrachtung die Notwendigkeit der Tugend erkannt und das Verlangen nach ihr geweckt haben. Wundere dich nicht darüber, daß du noch so unvollkommen bist, da du das innere Gebet zu wenig übst. Gerade im betrachtenden Herzensgebet will Gott dir die Gnade der Heiligung schenken!

Bedenke, daß das innere Gebet die erhabenste Beschäftigung der Seele ist. Betrachten heißt sich mit Gott freundschaftlich zu unterhalten über die wichtige Angelegenheit unseres Heiles. Dies ist ja die erste und notwendigste Aufgabe unseres Lebens. Auch wenn dieser Gegenstand hoch ist, so ist er doch nicht zu schwierig. Dein Geist beschäftigt sich mit Eifer und Hingabe mit so vielen kleinen oder gar unnützen Dingen; du mußt nur den Gegenstand austauschen und deinem Geist heilige Dinge vorlegen, dann übt er die Betrachtung!

Mache dir bewußt, daß diese Übung das mächtigste Mittel ist, uns in dieser Welt mit Gott zu vereinen. Gott ist Geist, und wir können Ihm nur nahen und Ihn umfangen durch die Übung unseres Geistes im beschauenden, betrachtenden Gebet. So kannst du schon hienieden glücklich werden in der Vereinigung mit Gott. Was machen die Heiligen im Himmel anderes, als Gott in der beseligenden Anschauung zu betrachten?

 

III Jesus lehrt das Gebet des Herrn

«Ihr sollt daher also beten: Vater unser, der Du bist im Himmel! Geheiligt werde Dein Name!»

Höre in heiliger Sammlung das Gebet, das dir von allen das liebste sein soll. Der Heiland hat es uns vom Himmel gebracht; es ist das vorzüglichste Gebet des Christen. Jesus selbst gibt uns die Form an, in die wir unser Bittgesuch vor Gott bringen sollen.

Zuerst sollen wir Gott loben, um Ihn uns gnädig zu stimmen. Rede Ihn mit seinem Namen an. Unter allen Titeln, die Ihm gebühren, wähle jenen, der Ihm am meisten gefällt; nenne Ihn «Vater».

«Geheiligt werde Dein Name; zu uns komme Dein Reich; Dein Wille geschehe wie im Himmel also auch auf Erden!» Durch diese Worte soll in dir der lebhafte Wunsch geweckt werden, daß ein so gütiger Vater erkannt und geliebt werde und daß man Ihm diene. Du sollst hier vom Heiland lernen, zuerst in kindlicher Liebe für die Interessen Gottes einzutreten, ehe du Ihm deine eigenen Bitten vorträgst.

Hast du dich in den ersten drei Bitten des Vaterunsers Gott gegenüber als Kind gezeigt, so wird Er dir jetzt beweisen, daß Er dein Vater ist. Was begehrst du für dich von Gott? «Vater, gib uns!» Gott ist Vater, um zu geben. Was tut dir not? Vertraue es Ihm ohne Furcht an.

Er sorgt für deine leiblichen wie für deine geistigen Bedürfnisse: Er ist dein Vater für die Zeit wie für die Ewigkeit. Glaubst du fest, daß Er bereit ist, dir das Notwendige für jeden Tag zu spenden? Glaubst du, daß Er mit väterlicher Sorgfalt über dich wacht, dich leitet und schützt und dir die ewigen Güter aufbewahrt, die Er dir einst zum Erbe geben will? Macht der Mangel an kindlichem Glauben dein Gebet nicht unfruchtbar?

Beklage es, daß du bis jetzt so wenig das Glück verkostet hast, einen Vater im Himmel zu besitzen. Ziehe Nutzen aus den Schätzen, die im Vaterunser enthalten sind!

 

III Jesus lehrt das Gebet des Herrn

«Ihr sollt daher also beten: Vater unser, der Du bist im Himmel! Geheiligt werde Dein Name!»

Höre in heiliger Sammlung das Gebet, das dir von allen das liebste sein soll. Der Heiland hat es uns vom Himmel gebracht; es ist das vorzüglichste Gebet des Christen. Jesus selbst gibt uns die Form an, in die wir unser Bittgesuch vor Gott bringen sollen.

Zuerst sollen wir Gott loben, um Ihn uns gnädig zu stimmen. Rede Ihn mit seinem Namen an. Unter allen Titeln, die Ihm gebühren, wähle jenen, der Ihm am meisten gefällt; nenne Ihn «Vater».

«Geheiligt werde Dein Name; zu uns komme Dein Reich; Dein Wille geschehe wie im Himmel also auch auf Erden!» Durch diese Worte soll in dir der lebhafte Wunsch geweckt werden, daß ein so gütiger Vater erkannt und geliebt werde und daß man Ihm diene. Du sollst hier vom Heiland lernen, zuerst in kindlicher Liebe für die Interessen Gottes einzutreten, ehe du Ihm deine eigenen Bitten vorträgst.

Hast du dich in den ersten drei Bitten des Vaterunsers Gott gegenüber als Kind gezeigt, so wird Er dir jetzt beweisen, daß Er dein Vater ist. Was begehrst du für dich von Gott? «Vater, gib uns!» Gott ist Vater, um zu geben. Was tut dir not? Vertraue es Ihm ohne Furcht an.

Er sorgt für deine leiblichen wie für deine geistigen Bedürfnisse: Er ist dein Vater für die Zeit wie für die Ewigkeit. Glaubst du fest, daß Er bereit ist, dir das Notwendige für jeden Tag zu spenden? Glaubst du, daß Er mit väterlicher Sorgfalt über dich wacht, dich leitet und schützt und dir die ewigen Güter aufbewahrt, die Er dir einst zum Erbe geben will? Macht der Mangel an kindlichem Glauben dein Gebet nicht unfruchtbar?

Beklage es, daß du bis jetzt so wenig das Glück verkostet hast, einen Vater im Himmel zu besitzen. Ziehe Nutzen aus den Schätzen, die im Vaterunser enthalten sind!

 

IV. Betrachtungen über die Worte des Vaterunsers1

«Vater unser, der Du bist im Himmel!»

Der Heiland erlaubt uns, daß wir unseren höchsten Herrn und Gott «Vater» nennen dürfen. Damit will Er in uns die Gefühle der Liebe und des Vertrauens auf seine Güte wecken, die wir beim Gebet erstreben sollen. Wenn Gott als Vater angerufen werden will, dann wirst du nur gut beten, wenn du wirklich sein Kind bist. Prüfe dich, ob dich nichts hindert, diesem schönen Namen zu entsprechen.

Bedenke, daß Gott «unser Vater» genannt werden will, um uns an die Unermeßlichkeit seiner Liebe und seiner väterlichen Güte zu erinnern. Wenn wir Ihn unseren Vater nennen, anerkennen wir auch seine anderen Kinder. Dies verpflichtet uns zur zweifachen Liebe zu Gott und zum Nächsten. Dein Gebet wird sicher gut aufgenommen, wenn du es verrichtest aus Liebe zu Gott und in Verbundenheit mit deinen Nächsten.

Gott, unser Vater, ist überall. Er will dennoch, daß wir Ihn «im Himmel» anrufen. Damit möchte Er uns eine große Ehrfurcht vor seiner göttlichen Majestät einflößen und unseren Sinn über alles Irdische erheben, damit wir vor allem die himmlischen Reichtümer erbitten. Betrachte Gott im Himmel, dort ist die Erfüllung unserer Hoffnung und das Ziel aller Gebete.

 

Die erste Bitte des Vaterunsers

«Geheiligt werde Dein Name!»

Die erste Bitte und unser erstes Verlangen soll es sein, daß der Name Gottes gepriesen und verherrlicht werde. Wir sollen vor allem seine Ehre suchen und nur das erbitten, was zur Verherrlichung seiner göttlichen Majestät gereicht. Mit dieser Gesinnung wird es dir leicht werden, vieles als unnütz zurückzulassen, was überhaupt nicht zu seiner Ehre beiträgt.

Bedenke, wie die Ehre Gottes durch das Wort «geheiligt» bezeichnet wird. Gott will uns dadurch lehren, daß Er geehrt wird, wenn wir seine Vollkommenheit erkennen. Gott läßt seine Heiligkeit in besonderer Weise aufstrahlen, indem Er die Seelen heiligt. Laß auch du die Heiligkeit Gottes aufleuchten in deinen Worten und Werken; du wirst aber Gott am meisten verherrlichen, wenn du selbst heilig wirst.

Der heilige Franz von Assisi mahnt uns, mit diesen Worten Gott zu bitten, daß Er unseren Geist erleuchte, damit wir alle Weiten seiner Unermeßlichkeit erkennen: die Fülle seiner Wohltaten, die Ewigkeit seiner Belohnungen, die Erhabenheit seiner Majestät und Weisheit seiner Ratschlüsse. Das wahre Glück in diesem Leben besteht darin, die Güte und Herrlichkeit Gottes zu erkennen, denn dies macht ja auch die Glückseligkeit der Heiligen im Himmel aus. Je mehr du in dieser Erkenntnis Fortschritte machst, desto mehr wirst du auf ewig von der göttlichen Liebe erfüllt werden.

 

Die zweite Bitte des Vaterunsers

«Zu uns komme Dein Reich.»

Durch diese Worte lehrt uns der Herr zu bitten, daß in dieser Welt das Reich seiner Gnade errichtet werde. Er soll von allen Menschen erkannt und angebetet werden, und niemand darf sich der Herrschaft des Teufels unterwerfen durch die Sünde. Wende einen Blick voll Mitleid auf die vielen, in denen Gott nicht herrscht. Bedaure auch die Zeit, als du selbst zu jenen gehörtest, die sich gegen Ihn auflehnen, und prüfe dich, ob Gott jetzt wirklich herrschen kann in deinem Herzen.

Bedenke auch, daß die vollkommene Herrschaft Gottes erst am Jüngsten Tag erreicht sein wird, wo alle Verbrechen aufhören und keine Sünden mehr begangen werden, sondern alle Geschöpfe Gott gehorchen werden. Im Himmel wird Er verherrlicht durch seine Liebe und in den Abgründen der Unterwelt durch seine Gerechtigkeit. Aus diesem Grund betet die Kirche, daß dieser Tag bald komme. Ist dein Gewissen auch rein genug, damit du den Tag des Gerichtes mit freudiger Sehnsucht erwarten kannst?

Der eigentliche Gegenstand dieser Bitte ist jedoch das Himmelreich, das alle Christen als ihre einzige Seligkeit erhoffen sollen. Sie ersehnen dieses Reich, in welchem sie wirklich mit Christus herrschen werden. Hab Mitleid mit dir selbst, da du noch in diesem Tränental verbannt leben mußt, und mache dir gut bewußt, daß du hier in der Fremde weilst, wo du nicht das wahre Glück findest, sondern es im Himmel erwartest.

 

Die dritte Bitte des Vaterunsers

«Dein Wille geschehe, wie im Himmel, also auch auf Erden.»

Erwäge, wie Gottes ewige Weisheit nichts wollen kann, was nicht gut wäre. Hingegen muß alles, was seinem Willen entgegengesetzt ist, ungerecht sein. Daher ist es notwendig, daß sein Wille in allem erfüllt werde. Vergleiche deinen Willen mit der Güte des Willens Gottes und deine geringen Erkenntnisse mit seiner erhabenen Weisheit, so wirst du Gott, der sich in nichts täuschen kann, bitten, daß er auch für dich alles lenken möge, wie Er es will.

Bedenke auch, wie der Wille Gottes sich auf alle Geschöpfe erstreckt und daß Er alles liebt, was Er geschaffen hat. Deshalb ist sein Wille ein Wohlwollen zum Besten aller. Mit großem Vertrauen überlaß dich deshalb der Führung seines liebenden Willens, so wird alles zu deinem größten Nutzen gereichen.

Durch die Worte «wie im Himmel, also auch auf Erden» erbittest du für dich die Gnade, Gott so gehorchen zu können wie die Engel, die sich auch zum geringsten Menschen als Beschützer herabneigen, weil es Ihm wohlgefällig ist. So sei auch für dich der Beweggrund für all dein Tun und Lassen, Gott eine Freude bereiten zu wollen.

 

Die vierte Bitte des Vaterunsers

«Gib uns heute unser tägliches Brot.»

Diese Bitte ist eine Ehrung für die Vorsehung Gottes. Wir erbitten von Ihm sogar jedes Stücklein Brot, denn wenn Gott es uns verweigerte, wäre niemand in der Lage, es uns zu geben; für all unsere Bedürfnisse muß Gott sorgen! Anerkenne deine Abhängigkeit von Gott und lerne, dich in allen Nöten an Ihn zu wenden, weil du ohne Ihn auch nicht das Geringste haben könntest.

Beachte auch, daß unser Herr uns lehrt, nur für einen Tag das Brot zu erbitten. Er will uns dadurch ermahnen, nur das Notwendige und nicht den Überfluß und den Reichtum zu erstreben, der von Satan und der Welt als Ziel dieses Lebens hingestellt wird. Wenn du wahrhaft ein Kind Gottes bist, solltest du dich nicht zu viel um die Dinge dieser Welt kümmern. Man soll sie mit nüchterner Gesinnung benützen und nur nach dem Maß der Notwendigkeit besitzen.

Mit diesem Brot ist auch die geistige Nahrung gemeint, die Speise der Seele, das «eucharistische Brot». Dieses himmlische und göttliche Brot ist über alles Irdische erhaben, weil es Jesus, das Leben selbst ist. Er will uns dadurch seine göttliche Gnadenfülle schenken. Erbittest du diese Nahrung jeden Tag mit Glauben und heiligem Verlangen? Du empfängst sie öfters, aber sie bringt nicht all die wunderbaren Wirkungen in deiner Seele hervor, weil du Gott zuwenig darum bittest.

 

Die fünfte Bitte des Vaterunsers

«Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.»

Bedenke, daß wir alle Sünder sind und deshalb in Schulden gegenüber der Gerechtigkeit Gottes leben. Weil wir aber kein Mittel haben, um diese selbst zu begleichen, können wir nur schuldenfrei werden, wenn uns Gott unsere Sünden verzeiht, wie wir Ihn in dieser Bitte anflehen. Wirf einen Blick auf dein armes Leben, das voller Sünden ist, und mache dir bewußt, wie notwendig du die göttliche Barmherzigkeit hast. Erbitte sie mit aufrichtiger Reue!

Wir bitten Gott, uns von der Sünde zu befreien, weil sie ein sehr großes Übel ist, welches die Wirkung der ersten Bitten des Vaterunsers vereitelt. In der Tat, die Sünde verwirkt die Ehre Gottes, sie verhindert das Kommen seines Reiches und ist seinem göttlichen Willen vollständig entgegengesetzt; sie beraubt uns auch des Rechts, das Brot vom Vater zu erbitten. Verabscheue alles, was Sünde ist, aber bitte mit ebenso großem Vertrauen um Verzeihung, denn Gott selbst zeigt dir durch dieses Gebet, daß Er dein Flehen erhört und dir deine Sünden vergeben will.

Bedenke aber, daß eine solche Gnade nur gewährt wird unter der Bedingung, daß auch du desgleichen tust. Gott erklärt uns, daß wir so behandelt werden, wie wir die anderen behandelt haben; Er wird uns in seiner Barmherzigkeit nur verzeihen, wenn auch wir unsererseits barmherzig sind und bereit sind zu verzeihen! Du siehst, wie die Angelegenheit deines Seelenheils in deinen Händen liegt. Hüte dich, durch deine Herzenshärte Gott zu zwingen, dir deine Sünden nicht zu vergeben!

Die sechste Bitte des Vaterunsers

« Und führe uns nicht in Versuchung.»

Mit diesen Worten bitten wir Gott um die Gnade, daß Er uns vor Versuchungen verschone, denn diese kann zur Sünde führen. Die frommen Seelen flehen inständig um diese Gnade, weil schon der Gedanke an die Sünde sie mit Abscheu erfüllt. Wenn du dich selbst in die Gefahr von Versuchungen begeben oder gar mit der Versuchung spielen würdest, wäre deine Bitte um Bewahrung vor der Versuchung nicht echt, sondern ein Hohn.

Mache dir aber bewußt, daß nach den Worten des Apostels Paulus der wahre Jünger Christi vom Teufel Versuchungen erleiden muß. Wir sollen daher Gott bitten, daß wir in der Versuchung nicht fallen und den Sieg über den Verführer davontragen. Dies können wir jedoch nicht ohne die besondere Gnade Gottes! Erinnere dich der Gelegenheiten, in denen du schmählich gefallen bist, und gestehe, daß es dein Fehler gewesen ist, Gott nicht um Hilfe angefleht zu haben. Bereue jene Niederlagen und, eingedenk deiner Schwäche, wache und bete, daß du in Zukunft standhaft zu bleiben vermagst!

Vergiß nicht, daß wir viele Feinde haben, die unser Heil bekämpfen. Der Teufel gibt uns Dinge ein, die dem Dienst Gottes entgegengesetzt sind, und die Welt täuscht uns mit den Verlockungen ihrer Scheingüter und Vergnügungen. Auch das eigene Fleisch reizt uns immer wieder zur Sinnlichkeit. Bemühe dich, deine schwache Stelle und deinen Hauptfehler zu erkennen, dort nämlich versucht der Feind dich zu überraschen. Laß dich aber nicht entmutigen wegen der großen Zahl deiner Feinde, denn die Gnade Gottes steht dir in noch größerer Zahl und Kraft zur Verfügung, wenn du nur von Herzen darum bittest.

 

Die siebente Bitte des Vaterunsers

«Sondern erlöse uns von dem Übel.»

Das größte Übel ist die Sünde. Aber auch die Mühseligkeiten dieses Lebens, die wir als Strafe und Wiedergutmachung für die Beleidigungen Gottes leiden müssen, sind ein Übel, insofern sie uns hindern, Gutes zu tun und die Tugend zu üben. Die körperlichen Krankheiten schwächen den Geist und machen uns das Gebet mühevoll, die Belästigungen der Menschen stören unseren inneren Frieden. Aus diesem Grund darf man bitten, auch von diesen Übeln befreit zu werden.

Der hl. Augustinus betont, daß diese letzte Bitte des Vaterunsers auch ein liebender Seufzer gläubiger Menschen ist, die sich hienieden von Übeln umgeben sehen und mit Sehnsucht nach dem höchsten Gut im Himmel verlangen.

«Amen so sei es»

Der göttliche Meister lehrt uns, das Gebet mit dem Wort «Amen» zu beschließen. Es setzt gleichsam ein Siegel auf unser Gebet; es bestätigt alles, was wir darin gesagt haben, und betont, daß wir alles aufrichtig wünschen, was wir erbeten haben. Es kommt nämlich vor, daß du Gott um etwas bittest, das du eigentlich nicht erlangen willst. Wenn du z. B. um die Gnade der Vervollkommnung betest und dann betrübt bist, wenn dir etwas genommen wird, was ein Hindernis für die Vollkommenheit ist, so sagst du nicht mit aufrichtigem Herzen «Amen»!

Dieses Wort ist auch ein Akt der vollkommenen Hoffnung. Wir sagen «Amen», indem wir uns mit Vertrauen auf die unfehlbare Wahrheit dessen stützen, der uns so zu beten lehrt und verheißen hat, unsere Bitten zu erhören. Gott selbst wird uns antworten: «Amen, so sei es, wie du mich gebeten hast.»

Dein Gebet ist oft so wenig wirksam, weil du es am Vertrauen fehlen läßt. Gott kann nämlich jene nicht erhören, die an seiner Macht und Güte zweifeln.