53. Die Heilung eines Besessenen im Gebiete der Gerasener

(Lk 8, Mt 8, Mk 5)

 

I Jesus begegnet dem Besessenen

Und sie fuhren zum Lande der Gerasener, das Galiläa gegenüberliegt. Kaum war Er ans Land gestiegen, da kam Ihm aus den Grabhöhlen ein Mensch entgegen, der von einem unreinen Geist besessen war.

Warum stieg Jesus gerade hier ans Ufer? Weil in diesem Landstrich viele unter dem Joch Satans schmachteten. Das traurige Los der Unglücklichen bewegt das gütige Herz des Heilandes, und er eilt ihnen zu Hilfe. Den Bedrängten und Geknechteten bietet Er sich als Befreier an. Lobpreise Ihn und begleite Ihn zu diesem armen Volk. Wo Jesus erscheint, da wird die Hoffnung wieder lebendig.

Zwischen Jesus und dem Satan entspinnt sich sogleich ein Kampf. Wirf auf den unglücklichen Besessenen einen mitleidigen Blick. Niemand konnte ihn bändigen. Fortwährend, Tag und Nacht, hielt er sich in den Grabhöhlen und in den Bergen auf, schrie und schlug sich selbst mit Steinen. Was für ein trauriges Los bereitet Satan seinen Opfern. Schwere Ketten, zahllose Wunden, entsetzliche Verderbnis, schmachvolle Erniedrigung! Ist es nicht der Höhepunkt der Verblendung, die Herrschaft eines solchen Tyrannen dem ruhmvollen Joch des Schöpfers vorzuziehen?

Für eines dieser bedauernswerten Opfer schlägt nun die Stunde der Erlösung. Siehe, wie Jesus dem Besessenen naht. Er hat ja das Land unserer Verbannung betreten, unsere menschliche Natur angenommen, um alle Gefesselten aus der Tyrannei der Hölle zu befreien.

 

II Jesus befreit den Besessenen

Als er aber Jesus von ferne sah, lief er hinzu, warf sich vor Ihm nieder, schrie mit lauter Stimme und sprach: «Was habe ich mit Dir zu schaffen, Jesus, Du Sohn Gottes, des Allerhöchsten? Ich beschwöre Dich bei Gott, quäle mich nicht!» Denn Er hatte zu ihm gesprochen: «Fahre aus von diesem Menschen, du unreiner Geist!»

Höre das wütende Geschrei des unglücklichen Menschen und die Antwort des Herrn. «Was habe ich mit dir zu schaffen?» ruft der Besessene aus. Wahrlich, zwischen Jesus und dem Satan kann nie eine Annäherung stattfinden. Wenn dies beim Meister eine Unmöglichkeit ist, soll es auch bei dir, dem Jünger, so sein.

Aber Jesus besitzt dieselbe Macht über die Hölle wie über die tobenden Wogen des Meeres, die Er mit einem Wort beruhigt. «Wie heißt du?» fragt der Erlöser. «Legion ist mein Name, denn unser sind viele», antwortet der Besessene. «Staune über die Leichtigkeit, mit der Jesus den Teufel zwingt, seinen Namen zu sagen, seine boshafte List, seine Pläne und seine Grausamkeit zu offenbaren. Die ganze Hölle vermag nichts wider dich, wenn die Gnade dich unterstützt.

«Unser sind viele», bekennt der Besessene. Wie war es denn möglich, daß zahlreiche Teufel sich hier Eingang verschaffen konnten? Das kommt daher, daß der in die Seele eingedrungene Feind fortwährend daran arbeitet, seine Herrschaft zu erweitern. Die Leidenschaft, die er benutzte, um die Seele zuerst in seine Gewalt zu bekommen, dient ihm dazu, andere Leidenschaften zu entzünden. Schlecht bewachte Sinne, ein ausgegossenes Herz und eine leicht erregbare Phantasie unterstützen nur zu sehr die Arbeit des Teufels. Sei also auf der Hut. Aber laß dich nicht entmutigen, der Satan fügt den Seelen Schaden zu, aber er kann es nur insoweit, als Gott es zuläßt.

 

III Jesus bereitet dem Teufel eine schmachvolle Niederlage

Nun weidete in der Nähe am Bergabhang eine große Herde Schweine. Sie baten Ihn, Er möge ihnen gestatten, in die Schweine zu fahren. Er gestattete es ihnen. So fuhren denn die bösen Geister von dem Menschen aus und fuhren in die Schweine. Die Herde stürmte den Abhang hinab in den See und ertrank.

Die Teufel bitten den Heiland zitternd um einen erniedrigenden Tausch. Welch eine entsetzliche Verheerung hat die Sünde in diesen ehemals reinen Geistern hervorgebracht! Es ist also wahr, daß der böse Feind, wenn er uns zur Sünde reizt, nichts anderes bezweckt, als uns in den Pfuhl des Lasters zu ziehen.

Erinnere dich der hohen Bestimmung derjenigen, die jetzt eine solche Bitte an den göttlichen Meister stellen, und des schmachvollen Abgrundes, in den eine Empörung des Stolzes diese Erstlinge der Schöpfung gestürzt hat. In die Tiefe dieses Abgrundes trachtet der Teufel uns mit sich hinabzuziehen, so oft er uns versucht. Welchen Widerwillen sollten daher die Zumutungen eines solchen Feindes uns einflößen, und mit welch tiefer Verachtung sollten wir ihn allezeit zurückweisen.

Wisse, der Teufel ist nur von dem Willen beseelt, dir zu schaden. Was hat das Unheil, das er hier anrichtet, zu bedeuten? Nicht die Erlaubnis, die Jesus gab, ist als dessen Ursache zu betrachten. Der Schaden durch den Verlust der Schweine, der den Gerasern zugefügt wurde, rührt einzig von dem bösen Geist her. Wenn Gott Züchtigungen für uns zuläßt, tut Er das entweder, um uns Gelegenheit zu bieten, eine schuldbeladene Vergangenheit zu sühnen, oder um uns zu einem heiligen Leben anzueifern, immer aber, um uns zu helfen, besser zu werden. Der Teufel hingegen will bei solchen Prüfungen nichts als unser Verderben. Er handelt einzig aus Bosheit, Neid und Rachsucht.