243. Die Weissagung über die Zerstörung Jerusalems

(Mt 24, Mk 13, Lk 21)

 

I Jesus sagt die Zerstörung des Tempels voraus

Jesus verließ den Tempel und ging weg. Da traten seine jünger zu Ihm und machten Ihn auf die Tempelbauten aufmerksam. Er sprach zu ihnen: «Seht ihr das alles? Wahrlich, ich sage euch: Hier wird nicht ein Stein auf dem anderen bleiben, der nicht niedergerissen wird.»1

Huldige dem Heiland als deinem göttlichen Lehrmeister und habe acht auf das Gespräch, das seine Jünger mit Ihm führen! Sie preisen die Schönheit des Tempels und die Stärke seiner Mauern. Dabei gedenken sie all der Wunder der Barmherzigkeit und Güte, die Gott an dieser heiligen Stätte gewirkt hat. Hier hat der Herr sein Volk heimgesucht und ihm seinen Willen kundgetan, hier hat Er es mit Gnaden und Segnungen überhäuft, hier wollte Er auch die Huldigung seines Volkes entgegennehmen.

Jesus unterbricht die Bemerkungen seiner Apostel mit den ernsten Worten: «Kein Stein wird auf dem anderen gelassen werden.» Erkenne daraus, welch strenges Strafgericht über Jerusalem ergehen wird! Wenn die Stunde gekommen ist, dann zerstört die Gerechtigkeit Gottes sogar die Meisterwerke seiner Güte. So gibt es nirgends Sicherheit für jene, die durch ihre Schuld dem göttlichen Strafgericht verfallen sind.

Wende diese ernste Mahnung Jesu auch auf dich an. Seine Vorhersage hat sich an Jerusalem längst erfüllt. Gottes Gerechtigkeit aber bleibt sich stets gleich und straft noch heute jede Untreue in seinem Dienst.

1 Noch in unserer Zeit legen die Juden in Jerusalem an jedem Freitag ein unfreiwilliges Zeugnis für die Wahrheit der göttlichen Weissagung ab. Sie versammeln sich am Fuß der Klagemauer, einer hohen Mauer, die noch vom Tempel übrigblieb, und indem sie unter lautem Schluchzen Stellen aus der Bibel singen und die Steine küssen, beklagen sie stundenlang die Zerstörung ihres Heiligtums.

 

II Jesus sagt seinen Jüngern Leiden und Verfolgungen voraus

Sie fragten Ihn: «Meister, wann wird das geschehen, und welches ist das Zeichen, wann dies eintreten wird?» Er antwortete: «Seht zu, daß ihr euch nicht irreführen laßt. Denn viele werden unter meinem Namen auftreten und sagen: Ich bin es und: Die Zeit ist gekommen. Lauft ihnen nicht nach!»

Die Jünger sind über die Antwort Jesu bestürzt und verlangen, mehr zu wissen. «Wenn das am Tempel geschehen wird, welches Schicksal wird dann uns und Jerusalem und die ganze Welt treffen?» Vernimm die Antwort des Herrn: «Es wird ein Tag kommen, da Gott es zulassen wird, daß furchtbare Stürme über seine getreuen Kinder hereinbrechen werden, um die Treue, die sie Ihm geschworen haben, zu erproben.» Der Sohn Gottes will wissen, wie weit ihre Wachsamkeit, ihr Mut und ihre Hingabe reichen. Dem Zeugnis ihrer Werke sollen sie das Zeugnis ihres Blutes hinzufügen. Es wird ein Kampf um die Gewissensfreiheit sein, ein Kampf gegen die gottlosen Mächte der Welt, ein Kampf gegen die Weltweisheit und die falsche Wissenschaft und ein Kampf gegen die Sittenverderbnis; nichts wird ihnen erspart bleiben.

Andererseits wird das göttliche Strafgericht über die Bösen hereinbrechen. Auch die Guten werden davon betroffen werden, aber zu ihrem Heil. Was für die einen zur Züchtigung dient, gereicht den anderen zur Erlösung. Die Jünger Christi haben also nichts zu fürchten, sie können getrost in die Zukunft schauen und ihre Seele in Frieden bewahren.

Ziehe Nutzen aus diesen Mahnungen! Das Evangelium stößt überall auf Widerspruch, und auch in dir wird man es anfeinden. Auch du kannst, wie die ersten Jünger, dein Heil nur durch Geduld wirken. Aber die Seligkeit, die Gott uns bereitet, ist aller Mühen und Kämpfe wert. Ermutige dich durch den Gedanken, daß in allem Kampf und Leid Jesus dir zur Seite steht. Er hat es dir versprochen. Und wenn Er dein Licht und deine Stärke ist, was hast du zu fürchten?

 

III Jesus sagt das göttliche Strafgericht über Jerusalem und das jüdische Volk voraus

«Wenn ihr Jerusalem von Kriegsheeren eingeschlossen seht, dann wisset, daß seine Zerstörung nahe ist. Jerusalem wird von den Heiden zertreten werden, bis die Zeiten der Heiden abgelaufen sind.»

Erwäge, welch traurigem Verhängnis die Völker ausgesetzt sind, die das Evangelium verwerfen, und wie unerbittlich Gott die Beleidigungen rächt, die seinem eingeborenen Sohn zugefügt werden!

Vergegenwärtige dir einen Augenblick den trauernden Propheten Jeremias, wie er auf den Trümmern Jerusalems die Sünden seines Volkes beweinte. Er fragte sich, wie auf solch erhabene Größe solch tiefe Erniedrigung folgen konnte; er flehte zu Gott um Erbarmen und bot sich selbst zum Opfer an, — leider vergebens.

Es kommt also ein Augenblick, da Gott sich unerbittlich zeigt. Unermeßlich wie seine Güte ist auch seine Gerechtigkeit. Die Güte geht voran, die Gerechtigkeit folgt. Hat Gottes Erbarmen all seine Mittel erschöpft, so muß Er die Gerechtigkeit walten lassen.

Hast nicht auch du den Untergang unsterblicher Seelen zu beweinen, wie einst Jeremias den Fall Jerusalems beklagte? Wodurch kannst du zur Rettung der Unglücklichen beitragen, denen das göttliche Strafgericht droht? Wer kann ermessen, welchen Segen eine einzige Seele durch Gebet, Eifer und Opfermut auf ein ganzes Volk herabziehen kann. Bemühe dich, zu jenen heiligen Seelen zu gehören, deren einziges Streben dahin geht, dem göttlichen Heiland für die Sünden der Menschen Sühne zu leisten, seine Gerechtigkeit zu besänftigen und der sündigen Welt immer wieder eine neue Gnadenfrist zu erlangen.

Dein Herz muß überströmen von Mitleid für alle, die sich weigern, aus dem unendlichen Erbarmen und dem Kreuzestod des göttlichen Meisters Nutzen zu ziehen. Zeige dich bereit, für das Seelenheil der Menschen jegliches Opfer zu bringen. Es ist so schön, etwas beizutragen, um das Reich Jesu Christi in den Menschenherzen zu begründen. Wenn du recht betest, so wird die göttliche Allmacht aus den Trümmern ein neues Jerusalem erstehen lassen, und deine Leiden und Opfer werden Gottes Segen darauf herabziehen.