242. Das Scherflein der Witwe

(Mk 12, Lk 21)

 

I Jesus bemerkt die arme Witwe inmitten der Gläubigen

Als Er aufblickte, sah Er, wie die Reichen ihre Gaben in den Opferkasten warfen. Er sah auch, wie eine arme Witwe zwei Heller hineinlegte.

Verweile mit dem göttlichen Meister einige Augenblicke in der Nähe des Opferkastens und beobachte, was sich dort zuträgt. Versuche in die Gedanken des Heilands einzudringen. Es ist am Abend eines arbeitsreichen Tages; Jesus möchte sich ein Weilchen durch den Anblick guter Werke erfrischen. Nichts erquickt Ihn mehr, als zu sehen, wie die Seinigen Gutes tun.

Er beobachtet aufmerksam, hat Er doch versprochen, das geringste zur Ehre Gottes verrichtete Werk zu belohnen. Wer unter dieser großen Menge wird wohl Gott am meisten verherrlichen? Jesus will seine Jünger darüber belehren, und deshalb bleibt Er einen Augenblick länger im Tempel. Inmitten der Vornehmen, die reiche Almosen geben, bemerkt Er plötzlich eine arme Witwe, die nur wenig zu opfern hat. Beachte wohl, wieviel Bewunderung ihre einfache Tat im Herzen des Heilands hervorruft! Daraus magst du erkennen, daß in den Augen Gottes der Wert des Menschen nur auf seiner Frömmigkeit und Gottesliebe beruht.

Freue dich bei dem Gedanken, daß unserem göttlichen Meister auch das kleinste Werk nicht verborgen bleibt, das du aus Liebe zu Ihm tust. Er ist bei allem, was wir tun, zugegen. Er durchschaut die Beweggründe, die unsere Handlungen veranlassen, die Umstände, die sie begleiten, die Gesinnungen, die ihren Wert vermehren, und die selbstgefälligen Gedanken, die ihn mindern. Nichts entgeht Ihm, Er sieht alles und wägt alles ab.

 

II Jesus erklärt, worin der Wert der Opfergabe besteht

Da rief Er seine Jünger herbei und sprach: «Wahrlich, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr hineingelegt als alle andern. Denn alle warfen von ihrem Überfluß zu den Gaben Gottes hinein, sie aber legte von ihrer Armut alles hinein, was zu ihrem Lebensunterhalt diente.»

Wer hat am meisten gegeben? Jene arme Witwe; denn Gott sieht bei unseren Opfern mehr auf unsere Absicht, als auf den äußeren Wert der Gabe. Da Gott unserer Gaben an sich nicht bedarf, so kann Er daran nur die Gesinnungen unseres Herzens schätzen. Es entspricht der höchsten Gerechtigkeit, den Wert einer Handlung nach ihren Beweggründen zu bemessen.

Die Menschen täuschen sich oft in ihrem Urteil, denn sie sehen nur das Äußere. Gott aber, der das Innere sieht, hat gewollt, daß alle Menschen, trotz der Verschiedenheit ihrer Lebensstellung, sich die gleichen Verdienste erwerben können; so hat der Reiche keinen Grund, sich zu erheben, und der Arme nicht, sich zu beklagen. Freue dich, daß es nur von dir abhängt, Gott reiche Gaben darzubringen.

«Sie warf von ihrer Armut hinein», sagt Jesus. Dadurch offenbart Er die wahre Größe der geringen Gabe und die edle Gesinnung dieser armen Frau. Unter diesem unscheinbaren Äußeren zeigt dir der Heiland einen Schatz von Frömmigkeit, Eifer für die Ehre Gottes, Selbstlosigkeit, Glauben, Demut sowie der Gottes- und Nächstenliebe. Bitte die arme Witwe, dich zu lehren, wie man mit geringen Mitteln Großes vollbringen kann. Gib wie sie dem Herrn das Beste, was du hast: gib Ihm dein Herz und weihe Ihm dein Leben.