238. Von dem Leben der Seligen im Himmel

(Mt 22, Mk 12, Lk 20)

 

I Die irrige Auffassung der Sadduzäer

Dann kamen einige Sadduzäer, die behaupteten, es gebe keine Auferstehung. Jesus erwiderte ihnen: «Seid ihr nicht deshalb im Irrtum, weil ihr weder die Schrift versteht noch die Macht Gottes?»

Sammle dich wiederum, um eine neue und wichtige Lehre zu erfassen. Der Heiland benutzt eine Frage seiner Feinde, um seine Jünger im Glauben an die Auferstehung zu stärken.

Sie sprachen: «Meister! Moses hat gesagt: Wenn jemand stirbt, ohne Kinder zu haben, so soll sein Bruder das Weib desselben heiraten und seinem Bruder Nachkommenschaft erwecken. Nun waren bei uns sieben Brüder. Und der erste nahm ein Weib und starb; und da er keine Nachkommenschaft hatte, hinterließ er sein Weib seinem Bruder. Gleicherweise tat auch der zweite und der dritte bis zum siebten. Zuletzt aber von allen starb auch das Weib. Wem nun von den sieben wird das Weib bei der Auferstehung angehören? Denn alle haben sie gehabt.»

Vernimm die lächerlichen Zweifel, die jene oberflächlichen Menschen dem Heiland vortragen und die weit mehr Spott als sachliche Gewissensbedenken ausdrücken. Die Sadduzäer glauben zwar an Gott; aber sie sind der Meinung, daß Er sich nicht um das Menschengeschlecht kümmere. Sie sind Materialisten und sagen: Mit dem Tod hört alles auf. Für sie ist das Leben eine Kette sinnlicher Vergnügungen, deren Genuß sie nicht zum Bewußtsein ihrer unsterblichen Seele kommen läßt. Der Lehre von der Unsterblichkeit stellen sie entweder fade Scherze oder nichtssagende Einwendungen gegenüber. Hast du nicht hin und wieder solch ungläubige Spötter gefürchtet und dich durch ihre Reden in deinem Glauben erschüttern lassen?

In welcher Weise verhandelt Jesus mit ihnen? Er macht ihnen vor allem den Vorwurf, daß sie die Heilige Schrift nicht genug kennen. In der Heiligen Schrift erschließen sich uns die unerschöpflichen Quellen der Allmacht und Weisheit Gottes. Glücklich, wer sich darin versenkt und ihren wahren Sinn erfaßt. Das richtige Verständnis der Heiligen Schrift wird aber nur durch den Geist der Einfalt und Demut erlangt, vergiß das nicht.

Betrachte alsdann, was der Heiland über den Zustand der Auserwählten im Himmel lehrt. Der Ungläubige bemißt die Macht des Allerhöchsten nach seiner schwachen Vernunft und glaubt, der Allmächtige vermöge es nicht, die Menschen über ihre fleischliche Natur zu erheben. Jesus hingegen lehrt: «Sie werden sein wie die Engel Gottes im Himmel.»

Freue dich dessen! Du wirst nicht immer die schimpfliche Last der bösen Begierlichkeit zu tragen haben. Der Tag kommt, da du rein wie die Engel sein wirst. Bereite dich jetzt schon durch wahre Herzensreinheit auf diesen erhabenen Zustand vor. Erforsche dich, welches Hindernis sich deiner Umwandlung entgegenstellt, und wenn du es entdeckt hast, dann setze deine ganze Kraft daran, es zu beseitigen. Tu der göttlichen Barmherzigkeit gleichsam Gewalt an, um die Gnade zu erlangen, mit jeder ungeordneten sinnlichen Liebe zu brechen!

 

II Die Lehre von der Auferstehung

«Und was die Auferstehung von den Toten betrifft, habt ihr da nicht im Buch Moses an der Stelle vom Dornbusch gelesen, wie Gott zu ihm sprach: Ich bin der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Er ist doch nicht Gott über Tote, sondern über Lebende. Ihr seid also sehr im Irrtum.»

Folge aufmerksam der Belehrung des Herrn. Was Er uns sagt, ist durchaus wahr; denn als Sohn Gottes kennt Er die Pläne seines himmlischen Vaters. Auch die menschliche Natur birgt für Ihn kein Geheimnis, Er weiß, daß sie fähig ist, ewig zu leben. Selbst der Tod stellt seinen Absichten kein Hindernis entgegen, denn Christus ist gekommen, den Tod zu überwinden und ihm alle seine Opfer zu entreißen.

Jesus sagt: «Gott ist nicht ein Gott der Toten.» Gott ist in Ewigkeit der Gott Abrahams, daraus folgt, daß Abraham ewig leben wird. Wenn der Mensch beim Tod in das Nichts zurückfiele, welche Ehre könnte Gott daraus ziehen, sich den Gott des Nichts zu nennen? Wenn Er sich nun Gott der Toten nennt, so bedeutet dies, daß die Toten leben. Ihre Seelen sind nicht gestorben, und auch ihr Leib wird wieder auferstehen. Laß das Licht der göttlichen Wahrheit, das Jesus angesichts seiner Feinde so hell erstrahlen läßt, in deine Seele dringen, und glaube fest, daß es nicht Gottes Absicht ist, die Werke seiner Allmacht zu zerstören. Er wird den Menschen, den Er ins Dasein gerufen, den Er durch das Blut seines eingeborenen Sohnes erlöst und durch die Wirkungen seiner Gnade geheiligt hat, nicht zugrunde gehen lassen. Gott nimmt seine Gaben nicht zurück.

Bete Ihn an und danke Ihm! Denke an alle, die der Tod dir entrissen hat. Er ist auch ihr Gott; sie leben Ihm und du wirst sie dereinst bei Ihm wiederfinden. Was kannst du tun, um dich des ewigen Lebens würdig zu erweisen? Laß dich in der Sorge für deinen Leib von dem Gedanken leiten, daß er eines Tages glorreich auferstehen wird; wenn du ihn wahrhaft liebst, so wirst du kein Mittel unbenutzt lassen, ihm das ewige Glück des Himmels zu verschaffen.