236. Das Gleichnis vom Hochzeitsmahl

(Mt 22)

 

I Gott hat den Menschen für eine ewige Glückseligkeit erschaffen

Jesus fuhr fort, in Gleichnissen zu reden. Er sprach: «Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem König, der seinem Sohn Hochzeit hielt.»

Der Heiland befindet sich abermals im Tempel, um voll Liebe das Volk zu unterrichten. Wohl weiß Er, daß sich unter seinen Zuhörern viele befinden, die nur auf seinen Tod sinnen; Jesus aber kennt kein anderes Verlangen, als sie zu retten. Er vergleicht die Seligkeit des Himmels mit einem Hochzeitsmahl, und alle, die Er zur Vollkommenheit beruft, sind zu diesem Mahl eingeladen. Dieses Fest wird im Himmel gefeiert; unser irdisches Leben ist die Vorbereitung dazu. Hienieden findet die Verlobung statt, dort oben die unauflösliche Vereinigung. Auch dir ist beim Hochzeitsmahl ein Platz bestimmt, du sollst Anteil haben an den Freuden des Festes. Gott will sich durch seinen Sohn mit dir vereinigen, durch den Heiland gehörst du zu den Auserwählten der göttlichen Liebe. Vernimm den Ruf des himmlischen Vaters! Wenn du Ihm nicht folgst, so wird jemand an seiner Tafel fehlen. Weißt du die Ehre dieser Einladung gebührend zu schätzen und den Wert der himmlischen Reichtümer zu ermessen? Folge freudig dem Ruf der Gnade, und wenn du deswegen auf vieles verzichten mußt, so ist das, was du dabei gewinnst, schöner, besser und dauernder als irgendein Gut dieser Welt.

 

II Viele widerstehen dem Ruf der Gnade

«Er sandte seine Knechte aus, um die zur Hochzeit Geladenen zu rufen. Doch sie wollten nicht kommen. Sie gingen hin, der eine auf sein Landgut, der andere zu seinem Gewerbe.»

Denke über das seltsame Verhalten der Geladenen nach; sie wollen nicht kommen, sie weigern sich, an der Festfreude teilzunehmen. Wie kommt es, daß das Menschenherz, das von Gott für die ewige Seligkeit geschaffen ist, beim Gedanken daran kalt bleibt? Entweder glauben diese Menschen nicht an das Glück, das ihrer wartet, oder sie wollen dafür der Fleischeslust und den falschen Freuden der Welt nicht entsagen. Sie entziehen sich den Einsprechungen der Gnade und verachten die Gesandten Gottes, die sie zum ewigen Hochzeitsmahl rufen und sie zur Ergebung gegen Gott und zur Losschälung von allem Vergänglichen auffordern.

Beachte, welche Nichtigkeit sie der Einladung Gottes vorziehen! Ist diese Handlungsweise nicht im höchsten Grad unvernünftig? Aber vielleicht gehörst auch du zu diesen Toren. Wie oft haben die Boten Gottes dich aufgefordert, auf seine Absichten einzugehen und nur für Gott zu leben. Wie oft ist dein Platz am Tisch des höchsten Königs frei geblieben, weil du nicht den Mut hattest, auf ein eitles Vergnügen zu verzichten oder dich von irdischen Geschäften freizumachen. Erwecke Reue und fasse den Vorsatz, in Zukunft dem Ruf Gottes treu zu entsprechen!

 

III Die ewige Seligkeit ist an gewisse Bedingungen geknüpft

«Dann sprach er zu seinen Knechten: Das Hochzeitsmahl ist zwar bereitet, doch die Geladenen waren seiner nicht wert. So geht denn hinaus an die Ausgänge der Straßen und ladet zur Hochzeit, wen ihr nur findet.»

Du siehst, daß die göttliche Weisheit Mittel und Wege findet, Ihre Pläne auszuführen, auch wenn das Geschöpf seine Willensfreiheit dazu mißbraucht, sich den Absichten Gottes zu widersetzen. Gottes Ehre ist der Zweck der Schöpfung; auch der Mensch hat sein Leben nur erhalten, um Gott zu verherrlichen. Wenn der eine sich weigert, so tritt ein anderer an seine Stelle, wie es im Gleichnis heißt: «Der Hochzeitssaal füllte sich mit Gästen.»

Betrachte diese Menschen, denen plötzlich die Ratschlüsse Gottes offenbart wurden! Sie haben das Ziel ihres Lebens erkannt und eilen herbei. Nimm teil an ihrer Freude und Dankbarkeit.

«Alsdann trat der König ein, um sich die Gäste anzusehen. Sein Blick fiel auf einen, der kein hochzeitliches Gewand trug. Er sprach zu ihm: Freund, wie bist du hier hereingekommen ohne hochzeitliches Gewand? Er aber verstummte.» Jesus will uns durch dieses Beispiel zeigen, daß es nicht genügt, äußerlich dem Ruf Gottes Folge zu leisten und sein Haus zu betreten, um zu den Auserwählten zu gehören. Man muß sich auch der Heiligkeit Gottes würdig machen. Alle Makel, die die Seele beflecken, müssen durch aufrichtige Reue und Buße abgewaschen werden, denn beim Hochzeitsmahl muß sie das weiße Gewand kindlicher Unschuld und jungfräulicher Reinheit tragen.

Einer der Geladenen hat diese Wahrheit nicht verstanden, und deshalb spricht der König zu seinen Dienern: «Werft ihn hinaus in die Finsternis!»1 Jener Unglückliche wird auf ewig der Freuden des Himmels beraubt. Ziehe Nutzen aus diesem Gleichnis, das der Heiland dir zur Warnung vorträgt. Rufe durch wahre Demut und Reue sein Erbarmen auf dich herab!

1 Dadurch wird hingewiesen auf den Brauch der Juden, das Hochzeitsmahl während der Nacht zu halten. Der Unglückliche, der aus dem festlich erleuchteten Saal gewiesen wurde, sah sich plötzlich draußen von tiefer Dunkelheit umgeben.